Zählen Sudetinnen und Sudeten als eigenständiges Volk?

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seb2n

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Online gibt es nur verwirrende Infos bis jetzt.

Eine offizielle Bezeichnung ist auch "Sudetendeutsche". Das Land heißt aber nicht Sudetendeutschland sondern Sudetenland. Zur Hitlerzeit wurde das Sudetenland nicht als Teil Nazi-Deutschland anerkannt, deswegen wurde der untere Teil der Fahne schwarz, so heißt es auf einer Seite zur Fahne.
Als slawisches Volk gelten sie aber wohl auch nicht, da sie angeblich überwiegend deutsch sprachen und christlichen Glaubens waren.

Persönlich würde ich Sudetinnen und Sudeten als eigenständiges Volk anerkennen, das entweder deutsch-slawisch oder halt nichts davon ist, d. h. 'sudetisch'. Alte Angehörige aus meiner Familie stammen aus Mähren, haben die deutsche Staatsangehörigkeit, die sagte mir auf Nachfrage, dass sie sich weder als deutsch noch slawisch empfinden.
 
Das Sudetenland ist ein Produkt der den Mittelmächten nach dem Ersten Weltkrieg auferlegten Gebietsabtretungen einerseits, bzw. Ausdruck des neu aufgekommenen Gedankens des Selbstbestimmungsrechts der Völker andererseits. Es war 1919 zugleich uralt und künstlich.

In der Tschechoslowakei waren die Sudetendeutschen eine nationale Minderheit. Der ursprüngliche und bis 1945 wohl auch bevorzugte Name lautete, je nach Siedlungsgebiet, Deutschböhmen, Deutschschlesier und Deutschmährer. Sie lebten zum Teil schon seit etlichen Jahrhunderten dort.

Ursprünglich handelte es sich um ethnische Deutsche, die sich in mehreren Siedlungswellen – teilweise im Wege der Ostkolonialisierung im Mittelalter, teilweise als Händler und Bergleute auf Einladung der Landesherren – in Böhmen, Schlesien und Mähren niedergelassen hatten.

Aussagekräftiger als ethnische Assoziationen dürften Sprache und Kultur sein.

Die Sudetendeutschen verstanden sich als Deutsche, sahen sich aber bis zur Nazizeit (und vielfach auch währenddessen) keineswegs allesamt als verlängerter Arm des Deutschtums, sondern hatten eine eigene Identität, die mit Hitlers Konzept der "Volksdeutschen" durchaus in Konflikt geraten konnte.

Will man den Begriff des "Volkes" aus wissenschaftlicher (nicht nationalistischer) Sicht vor dem Hintergrund der Sudetendeutschen erörtern, wird man auf die Schwierigkeit der Zäsur der Jahre 1945-1946 stoßen. Damals mögen die Sudetendeutschen trennscharf abgrenzbar gewesen sein, heute aber wohl eher weniger.

(Nicht böse gemeint, aber: Dein Gendern des Demonyms Sudetendeutsche zeigt mir wieder mal, wie überflüssig diese grammatikalisch falsche Praxis ist. Ein Volk besteht lebensnotwendigerweise aus Männern und Frauen, daher würde keiner auf die Idee kommen, mit dem generischen Maskulinum wären nur Männer gemeint.)
 
Zählen Sudetinnen und Sudeten als eigenständiges Volk?Online gibt es nur verwirrende Infos bis jetzt.
Zunächst einmal sind die Sudeten ein Gebirgszug. Als Sudentendeutsche wurden Menschen bezeichnet, die in den Grenzgebieten Tschechiens zum Deutschen Reich, auf die das Deutsche Reich Anspruch erhob lebten und die sich als Deutsche (im Sprachgebrauch der Nazis als Volksdeutsche im Gegensatz zu den Reichsdeutschen) fühlten.

Deutsch im heutigen Sinne ist eine Staatszugehörigkeit. Als Deutsch gilt außerdem, wer deutscher Zunge und Herkunft ist, aber nicht einer westmitteleuropäischen Nation angehört (Liechtenstein, Luxemburg, Dänemark, Italien, Belgien, Österreich, Schweiz), ohne, dass die Person die deutsche Staatsangehörigkeit hätte. Wobei man - um die Verwirrung komplett zu machen, bei Belgiern und Dänen, die sich der deutschen Minderheit ihrer Staaten zugehörig fühlen doch wiederum von Deutschen spricht. Heute kann jeder Bürger der Europäischen Union die deutsche Staatsangehörigekeit erwerben. Bis vor wenigen Jahren war es noch so, dass Angehörige der deutschen Communities in Rumänien, Tschechien, Polen, Russland/Kasachstan etc. gewissermaßen - auch als ihre Staaten noch nicht der EU bzw. ihrer Vorläufer (EG < EWG) angehörten die bundesdeutsche Staatsangehörigkeit garantiert war.

Das Land heißt aber nicht Sudetendeutschland sondern Sudetenland.
Bayern heißt auch nicht Bayerndeutschland, sondern Bayern oder Bayernland. Im westfälischen Karneval singt man nicht "Westfalendeutschland ist wieder außer Rand und Band" sondern "Westfalenland". Dass also die Bezeichnung deutsch da fehlt, besagt in keiner Richtung irgendetwas, weder pro noch contra deutsche Zugehörigkeit.

Zur Hitlerzeit wurde das Sudetenland nicht als Teil Nazi-Deutschland anerkannt, deswegen wurde der untere Teil der Fahne schwarz, so heißt es auf einer Seite zur Fahne.
Also dieser Satz ist in mehrerlei Hinsicht schwierig. Tschechien ist gewissermaßen aus der Konkursmasse von Österreich-Ungarn nach dem Ersten Weltkrieg hervorgegangen. Die Region war - vereinfacht gesagt - von Tschechen und von Deutschen österreichischer und nichtösterreichischer Herkunft besiedelt, wobei es Siedlungsgebiete gab, die stärker von Tschechen und andere, die stärker von Deutschen besiedelt waren. Im Herbst 1938 warf Nazi-Deutschland die Propagandamaschinerie an, um sich das Sudentenland einzuverleiben.

Also ab Oktober 1938 waren die Sudeten sehr wohl als Teil des Deutschen Reichs anerkannt. Vorher gehörten sie schlichtweg zu Tschechien. So wie das sorbische Wendland nicht etwa einen eigenen Staat bildet, sondern zu Deutschland gehört. Oder Schleswig zu Deutschland und nicht zu Dänemark. Etc.

Die Farben der sudetischen Fahne haben damit nichts zu tun. Farben von Fahnen sind halt willkürliche Festlegungen. Gehört etwa Bayern nicht zu Deutschland, weil die bayrische Fahne blau-weiß-kariert ist und die deutsche Fahne eine horizontal angeordnete schwarz-rot-goldene Trikolore?

Persönlich würde ich Sudetinnen und Sudeten als eigenständiges Volk anerkennen, das entweder deutsch-slawisch oder halt nichts davon ist, d. h. 'sudetisch'. Alte Angehörige aus meiner Familie stammen aus Mähren, haben die deutsche Staatsangehörigkeit, die sagte mir auf Nachfrage, dass sie sich weder als deutsch noch slawisch empfinden.
Als was sich deine Familienangehörigen empfinden, ist ihnen selbst überlassen.

Als slawisches Volk gelten sie aber wohl auch nicht, da sie angeblich überwiegend deutsch sprachen und christlichen Glaubens waren.

Was ist ein Slawe? Ein Slawe ist jemand, der linguistisch gesehen eine slawische Sprache spricht. Leute, die heute in den Sudenten leben, dürften also in erster Linie Tschechen (und somit linguistisch gesehen Slawen) sein. Auch die Slawen sind seit gut 1100 Jahren (je nachdem) Christen. Christ zu sein ist eine religiöse Zugehörigkeit, Deutscher oder Slawe eine linguistische, wobei die Zuordnung einmal grob ist und einmal fein.

Zu behaupten, weil man Christ sei, könne man kein Slawe sein, geht also nicht. Genauso wie die Unterscheidung von Deutschen und Slawen eigentlich nicht die zwischen Obst und Gemüse ist, sondern wie zwischen Obst und Blumenkohl.
 
Zur Hitlerzeit wurde das Sudetenland nicht als Teil Nazi-Deutschland anerkannt, deswegen wurde der untere Teil der Fahne schwarz, so heißt es auf einer Seite zur Fahne.
Die südlichen, an das vormalige Österreich grenzenden deutschsprachigen Gebiete wurden sogar in die Gaue Niederdonau und Oberdonau (also die ehemaligen österreichischen Bundesländer Niederösterreich und Oberösterreich) eingegliedert. Teils bildeten sie eigene Landkreise, teils wurden sie bestehenden Landkreisen angeschlossen. Die vormalige Grenze zwischen Österreich und der Tschechoslowakei verschwand hier also völlig.
 
Bei mir in meinen Unterlagen finde ich unter den Begriff „Sudeten“ nur dass es sich um einen Gebiet handelt.
Und zwar ein waldreiches Mittelgebirge am Nordostrand des Böhmischen Beckens, an der tschechoslowakisch-polnischen Grenze. zwischen Lužické hory (Deutsch: Lausitzer Gebirge) und Moravská brána (Deutsch: Mährischer Pforte).
Es folgt eine geologische Beschreibung dieses Gebietes. Danach ein Hinweis das es Quellgebiet der Flüsse „Jizera“ (Deutsch: Iser – Nebenfluss der Elbe), „Elbe“ und „Oder“ ist.
Dass es dort mal einen Erzbergbau gab, dass es dort einen bedeutenden Steinkohlebergbau gibt, eine stark entwickelte Textilindustrie, ein Porzellan-, Holz- und Glasindustrie“.

Ein Volk der Sudeten gibt es nicht.

Es gibt nur Sudetendeutsche die sich aus der Bezeichnung „Deutschböhmer“, „Deutschmährer“ und „Deutschlesier“ bildeten.

Wie ich bei Wikipedia lese, entstand wohl der Begriff „Sudetendeutsch“ von den Publizisten Franz Jesser 1902/1903.
Zu Zeiten von Herrn Jesser waren ja dort rund 3,5 Millionen Deutsche. Sie machten rund 35 % der Gesamtbevölkerung dieses Gebietes aus (1910 / Tschechen = 63 %, Polen = 1,6 %, Juden und Nationaljuden = keine und dann noch ein paar wenige Russen, Ungarn und andere).
Quelle: Statistisches Jahrbuch der Tschechoslowakischen Republik 1935

Mit Beginn der NS-Zeit hatte sich die deutsche Bevölkerung sogar um rund 400.000 Menschen reduziert.

Aber zurück zu den Sudetendeutschen.
Diese waren dann nach dem „Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye“
(1919) alle Bürger der Tschechoslowakei geworden.
Dann kam ja 1938 der Anschluss an Deutschland.
1945 und 1946 kam es dann zur Vertreibung der Deutschen aus diesem Gebiet.

In der DDR ist mir dieser Name immer unter den Namen „Landmannschaft der Sudetendeutschen" unterkommen.
Und dann etwas später auch der Menschentransfer zu SBZ-Zeiten unter Aufsicht der Russen. Da ging es um die Kommunisten aus dem Sudetenland. Man nannte sie wohl die „Schukow – Deutsche Sudeten“.
Darunter auch der langjährige 1. Bezirkssekretär der DDR der SED im Bezirk Erfurt Alois Bräutigam.

Wer da einiges zum "Kadertransfer" mehr darüber lesen möchte:
Hier ein Aufsatz der in den Vierteljahresheften des „IFZ-München“ unter den Titel: „Kadertransfer“ erschienen ist:

https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1983_2_5_foitzik.pdf
 
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Ursprünglich handelte es sich um ethnische Deutsche, die sich in mehreren Siedlungswellen – teilweise im Wege der Ostkolonialisierung im Mittelalter, teilweise als Händler und Bergleute auf Einladung der Landesherren – in Böhmen, Schlesien und Mähren niedergelassen hatten.

Das ist zwar richtig, aber man wird sicherlich davon ausgehen können, dass auch Assimilation der bis dahin einheimischen Bevölkerung vorgekommen sein wird. Das wird wohl ein gemischter Vorgang von Assimilation und Immigration gewesen sein.


Wobei man - um die Verwirrung komplett zu machen, bei Belgiern und Dänen, die sich der deutschen Minderheit ihrer Staaten zugehörig fühlen doch wiederum von Deutschen spricht.

Das gilt für die deutsche Minderheit in Nordschleswig (Dänemark) und umgekehrt auch für die dänische Minderheit in Südschleswig (Deutschland), aber die belgischen Ostkantone, die nach dem 1. Weltkrieg von Deutschland an Belgien abgetreten wurde, gelten als deutschsprachige Gemeinschaft, nicht als deutsche Gemeinschaft. Deutschsprachige Gemeinschaft – Wikipedia Diese haben eine weitreichende Autonomie innerhalb des recht komplizierten Aufbaus des belgischen Staates.
 
Ursprünglich bezeichnete der Begriff Sudeten einen Gebirgszug zwischen Schlesien und Böhmen. Mit dem späteren Sudetenland ist das Gebirge nur teilweise deckungsgleich.

Die Bezeichnung Sudentendeutsche und Sudentenland wurden erst Anfang des 20. Jahrhunderts populär. Nach der Abtrennung der Tschecho-Slowakei vom ungarischen Teil der K.u.K-Doppelmonarchie 1918 kam die Bezeichnung Sudetendeutsche in Mode. Vor 1918 handelte es sich um eine deutsche Minderheit im Königreich Ungarn, nach 1918 um eine deutsche Minderheit in der Tschecho-Slowakei.
Die Begrifflichkeit Sudetendeutsche impliziert eine großdeutsche Orientierung hin zum Deutschen Reich. Weil es immer Kampfbegriff des völkischen Nationalismus war, wurden deutschsprachige Juden in der Tschechoslowakei nie als Sudetendeutsche verstanden.

1933 wurde die Sudetendeutsche Heimatfront gegründet - quasi als Schwesterpartei NSDAP in der Tschecho-Slowakei. Mit dem Aufstief dieser Partei zur einflussreichsten politischen Gruppierung der deutschen Minderheit wurde auch die Bezeichnung Sudetendeutsche immer wichtiger. (Die politische Konkurrenz orientierte sich stärker am Austrofaschismus.)
1938 wurde das im Münchner Abkommen wurden die von deutschsprachiger Bevölkerung Gebiete von der Tschecho-Slowakei abgetrennt und in dem Deutschen Reich als "Reichsgau Sudetenland" angegliedert. Damit wurde der Begriff Sudetenland erstmals eine amtliche Bezeichnung für jenes Gebiet. Das Sudetenland wurde damit ein ganz normaler Teil von Nazi-Deutschland - ganz im Gegensatz zum "Protektorat Böhmen und Mähren". Der Teil der tschechischen Bevölkerung im "Reichsgau Sudetenland", der die Annahme der deutsche deutschen Staatsbürgerschaft verweigerte, wurde während der Nazi-Zeit teilweise ins Protektorat zwangsumgesiedelt.

Die in der Nazi-Zeit etablierten Begriffe "Sudetenland" und "Sudetendeutsche" wurde von deutscher Seite nach 1945 einfach weiter benutzt - in der Regel ohne kritische Hinterfragung.

In der Tschechoslowakei waren die Sudetendeutschen eine nationale Minderheit. Der ursprüngliche und bis 1945 wohl auch bevorzugte Name lautete, je nach Siedlungsgebiet, Deutschböhmen, Deutschschlesier und Deutschmährer. Sie lebten zum Teil schon seit etlichen Jahrhunderten dort.
Das "Problem" der älteren Bezeichnungen ist, dass sie nicht zwischen deutschsprache und slawischsprachiger Bevölkerung unterschieden. Die historischen ethnischen Bezeichnungen Böhmen, Mährer und Schlesier wurden bis weit in 19. Jahrhundert unterschiedslos sowohl für die deutsche als auch für die slawische Bevölkerung verwendet.
 
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Die Bezeichnung Sudentendeutsche und Sudentenland wurden erst Anfang des 20. Jahrhunderts populär. Nach der Abtrennung der Tschecho-Slowakei vom ungarischen Teil der K.u.K-Doppelmonarchie 1918 kam die Bezeichnung Sudetendeutsche in Mode.
Die Binnengliederung der K.u.K.-Monarchie war noch komplizierter. Um ehrlich zu sein, durchschaue ich das auch nicht komplett.
Das Königreich Böhmen und die Markgrafschaft Mähren waren Böhmisches Kronland und gehörten zwar bis 1918 zum westlichen Reichtsteil, waren aber von östereichischen Erblanden unterschieden, während das Komitat Wieselburg zum Königreich Ungarn gehörte.
Jedenfalls führte diese komplizierten Verhältnisse innerhalb Österreich-Ungarn dazu, dass das sogenannte Sudetenland 1918 nicht Teil des neuen Nationalstaates Deutschöstereich, sondern als ehemals böhmisches Kronland zum Staatsgebiet der Tschechoslowakei wurde.
 
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Nach der Abtrennung der Tschecho-Slowakei vom ungarischen Teil der K.u.K-Doppelmonarchie 1918 kam die Bezeichnung Sudetendeutsche in Mode. Vor 1918 handelte es sich um eine deutsche Minderheit im Königreich Ungarn, nach 1918 um eine deutsche Minderheit in der Tschecho-Slowakei.
Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien waren immer Teil der "im Reichsrat vertretene Königreiche und Länder", also der österreichischen Reichshälfte.
Eine deutsche Minderheit im Königreich Ungarn gab es auch. Soweit sie in Westungarn siedelte, wurde sie großteils (ausgenommen insbesondere Ödenburg) ein paar Jahre nach dem 1. WK als "Burgenland" an Österreich angeschlossen.

1938 wurde das im Münchner Abkommen wurden die von deutschsprachiger Bevölkerung Gebiete von der Tschecho-Slowakei abgetrennt und in dem Deutschen Reich als "Reichsgau Sudetenland" angegliedert.
Das betraf allerdings nur die im Norden Tschechiens liegenden abgetretenen Gebiete. Die im Süden liegenden Gebiete wurden großteils an die Reichsgaue Niederdonau und Oberdonau angeschlossen, ein bisschen etwas an Bayern.

Das Königreich Böhmen und die Markgrafschaft Mähren waren Böhmisches Kronland und gehörten zwar bis 1918 zum westlichen Reichtsteil, waren aber von östereichischen Erblanden unterschieden, während das Komitat Wieselburg zum Königreich Ungarn gehörte.
Die deutschsprachige Minderheit im Westen Ungarns verteilte sich auf die Komitate Wieselburg, Eisenburg, Ödenburg und Preßburg, die alle Teil des Königreichs Ungarn waren. Aus einem Großteil der deutschsprachigen Gebiete der ersten drei ging nach dem 1. WK das österreichische Bundesland Burgenland hervor. Letzteres ging an die Tschechoslowakei.

Jedenfalls führte diese komplizierten Verhältnisse innerhalb Österreich-Ungarn dazu, dass das sogenannte Sudetenland 1918 nicht Teil des neuen Nationalstaates Deutschöstereich, sondern als ehemals böhmisches Kronland zum Staatsgebiet der Tschechoslowakei wurde.
Richtig, die Tschechoslowakei beanspruchte das gesamte Gebiet Böhmens, Mährens und Österreichisch-Schlesiens in ihren historischen Grenzen für sich, unabhängig von der ethnischen Struktur. (Von Letzterem ging ein bisschen etwas an Polen.) Darüberhinaus riss sich die Tschechoslowakei aber auch kleinere Gebiete des Erzherzogtums Österreich unter der Enns (Niederösterreich) unter den Nagel.
 
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Nachdem ich alles gelesen habe, muss ich drei Sachen ergänzen:

1- Schon im Mittelalter grenzten sich die Tschechen von den zugewanderten Deutschen scharf ab. Das lag an der besonderen Situation Böhmens hinsichtlich Verwaltung, Beziehung zum HRR, Religion und auch diversen Kriegen. In anderen Ländern sind Zuwanderer vor Erfindung des Nationalismus normalerweise nach einiger Zeit integriert worden und haben die/eine ethnische Identität des Einwanderungsgebiets angenommen. Beispiele sind Deutsche in Frankreich und Italiener in Deutschland. In beiden Fällen zeugen nur noch Nachnamen von der Einwanderung, selbst wenn sie so typisch klingen wie Ferrari oder Müller. Tschechien stand aber auch nicht allein, da es auch woanders Besonderheiten gab, etwa bei den Siebenbürger Sachsen. Die Situation in Böhmen wurde noch komplizierter, da schon zuvor Einwanderer aus deutschen Landen integriert worden waren und es auch später einzelnen gelang. Das führte z.B. dazu, dass wir bei Personen aus der frühen Neuzeit oft nicht wissen, wie wir sie Ansprechen sollen. Der Jesuit Samuel Fritz ist so ein Beispiel. Über ihn wissen wir zumindest, dass er die deutsche Sprache bevorzugte, sie wahrscheinlich seine Muttersprache war. Bei einem Geistlichen kommt evt. hinzu, dass er sich vielleicht einfach als Christ verstanden hat. Nun war in grenznahen Gebieten der Kontakt zu deutschen Regionen gegeben und schließlich trug 'die ordnende Hand' des Staates zu einer Verfestigung der Situation bei. Über die spätere Entwicklung ist viel gesagt worden. Die Entwicklung seit Kriegsende, würde mich selber interessieren, wenn es Untersuchungen aus der Zeit nach Ende des Kommunismus gibt.
2- Negative Prädikationen sind unzulässig. Dennoch kommen sie gerade beim Thema Ethnizität immer wieder vor. Teilweise liegt das daran, dass sie historisch benutzt wurden. Wir allerdings können sie nicht gültig für Definitionen und Schlüsse nutzen.
3- Es ist auch immer die Frage, wie jemand Wörter wie Ethnie, Volk, Nation und dergleichen versteht. Die deutsche Staatsraison als Beispiel beschränkt sich etwa gerne auf das, was Juristen Staatsvolk nennen. Demnach wären Sudetendeutsche entweder Deutsche oder sie existieren nicht als Volk. Zur Antwort auf deine Frage gehört also auch die Klärung, was eigentlich gemeint ist. (Im Geschichtsforum gab es dazu schon mehrfach Diskussionen.)
 
In Bezug auf Festlandseuropa kann ich mit dem Begriff "Volk" gar nichts anfangen.
[...] – seit Christi Geburt. Da war ein römischer Feldhauptmann, ein schwarzer Kerl, braun wie 'ne reife Olive, der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht. Und dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie, das war ein ernster Mensch, der ist noch vor der Heirat Christ geworden und hat die katholische Haustradition begründet. – Und dann kam ein griechischer Arzt dazu, oder ein keltischer Legionär, ein Graubündner Landsknecht, ein schwedischer Reiter, ein Soldat Napoleons, ein desertierter Kosak, ein Schwarzwälder Flözer, ein wandernder Müllerbursch vom Elsaß, ein dicker Schiffer aus Holland, ein Magyar, ein Pandur, ein Offizier aus Wien, ein französischer Schauspieler, ein böhmischer Musikant –
[...]Carl Zuckmayer, „Des Teufels General“
 
Ein Sudetendeutscher nach 1919, aber vor 1938, verstand sich als Deutscher, auf die Frage nach der Staatszugehörigkeit hätte er "Tschechoslowakei" geantwortet. Ganz sicher aber hätte er sich nie und nimmer als Tscheche verstanden.

Vor 1918 hätte er sich als Deutscher in Böhmen oder Mähren verstanden, mit österreichischer Staatsangehörigkeit.

Als was verstanden sich Leute wie Franz Kafka aus Prag oder Robert Musil aus Brünn, wie unterschiedlich war ihr Selbstverständnis, wo hätten sie sich unterschieden?
Wie definierte sich der Unternehmer und Mäzen Fritz Tugendhat, für den 1929 Mies van der Rohe diese wunderbare Villa in Brünn geschaffen hat?
Und heute, 2021/22, wie versteht sich ein Slowake, der in Bratislava wohnt? Auch nicht als Tscheche...
 
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Wie in diesem Thread schon gesagt, verstand man seit etwa 1918 unter Sudetendeutschen die Einwohner der Tschechoslowakei, die sich als Deutsche verstanden. Den Namen finde ich total verwirrend, weil die Sudeten (also das Gebirge) nur einen kleinen Teil der deutschsprachigen Gebiete ausmachten und Karten, die ich im Netz finde, mich vermuten lassen, dass es in oder bei den Sudeten auch tschechische Siedlungsgebiete gab.
 
Mir fiel hinterher noch ein das ein Betriebsleiter, in den Kombinat wo ich zu DDR Zeiten tätig war, auch ein Schukow – Sudentendeutscher war.
Als ergänzende Erläuterung, da war genau geregelt zwischen Klement Gottwald/CSSR, Wilhelm Pieck/Walter Ulbricht/damals noch SBZ mit Kenntnis und Abnicken von Josef Stalin und Überwachung von Marschall Schukow die Aussiedlung der Sudetendeutschen Kommunisten.

Wer in der SBZ blieb bekam dann einen Ausweis mit deutscher Staatsbürgerschaft. DDR Staatsbürgerschaft kam ja erst ab 1967.

Und in den Westzonen gabs – ich glaube von Anfang an – den Begriff „Vertreibungsgebiet“. Und die Sudeten waren Vertreibungsgebiet. Im Staatsbürgerschaftsrecht bedeutete dies „Deutscher Staatsbürger von Geburt an“.
Im Gegensatz dazu die "Einbürgerung".
 
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Und in den Westzonen gabs – ich glaube von Anfang an – den Begriff „Vertreibungsgebiet“. Und die Sudeten waren Vertreibungsgebiet. Im Staatsbürgerschaftsrecht bedeutete dies „Deutscher Staatsbürger von Geburt an“.
Im Gegensatz dazu die "Einbürgerung".

Wie das in den Westzonen (also sprich bis 1949) gehandhabt wurde, ist mir nicht bekannt. Die rehtliche Regelung ist im Grundgesetz (Artikel 116 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – Wikipedia ) festgelegt, in Absatz 1 zum einen mit Bezug auf die Staatsangehörigkeit oder aber über die deutsche Volkszugehörigkeit.
 
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Der Begriff "Sudetendeutsche" bekam ja seine faktische Bedeutung erst durch die ethnische Säuberung ab 1945.
Es war eine Definition von außen, durch Mord, Plünderung und Vertreibung.

Für diejenigen die z.B. in Bayern sich dann ansiedelten, war es kaum möglich sich zu erklären, da ja auch die Bevölkerung "im Reich" keine Vorstellung von der ethnischen Vielfaltigkeit Südostmitteleuropas und des Donauraumes hatte.
Die sudetendeutsche Landsmannschaft gab dann einen Ort der Identität für Menschen die sich zuvor niemals als "Sudetendeutsche" verstanden hätten. Und ein Etikett für die Deutschen die die Vertriebenen kaum einordnen konnten.
 
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Wenn man 80ig ist hat man ja ein klitzekleines von dieser Zeit mitbekommen.
Man kann sich sogar als 4jähriger an so eines weniges erinnern.
Ich wohnte damals in einer sächsischen Kleinstadt.
Über uns flogen zwar die Bomber Richtung Dresden, auch das zerstörte Chemnitz war nicht weit entfernt, es gab Fliegeralarm bei uns, aber es fielen keine, nicht eine einzige Bombe.
Erst kamen die Amerikaner, dann kamen die Russen.
Etwas außerhalb der Stadt kämpften zwar noch ein paar versprengte SS-Verbände, so sagte zumindest mein Großvater, aber in der Stadt war es ruhig.
Aber, es zogen durch unsere Stadt die Trecks der Aus-oder Umsiedler. Bei der Lage der Stadt müssen die aus Pommern oder Ostpreußen gewesen sein. Sogar Pferde, Kühe, Schafe usw waren dabei. Sie zogen Richtung Westen und wo die dann sesshaft wurden weiß ich nicht.
Vertriebene sagten wir damals noch nicht, war dann später auch nicht im Wortschatz der „Neuen“. Es war immer nur von Aussiedlern bzw. Umsiedlern die Rede.
Mit einigen Kindern – ihre Eltern hatten ein Wohnung, ich glaube es war mehr eine Unterkunft - freundete ich mich schnell an.
An einen erinnere ich mich besonders. Der war pfiffig. Er hatte eine Kugel die mich als 5jähriger interessierte. Dafür wollte er 2-3 belegte Brote. Die bekam er von mir und das ging ein paar Tage so. Seine Mutter kam dann dahinter und trieb ihn diese Bettelei aus. Meine Mutter interessierte dies nicht, sie gab mir die belegten Schnitten.
Rein intuitiv hatte ich aber keine Wut auf ihn. Wir spielten weiter zusammen, er bekam weiter von mir ein paar Brote, aber es war klar, mit der Kugel wurde nichts. Die hatte seine Mutter vorsorglich konfisziert.
 
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Die Durchsetzung des Begriffes geht maßgeblich auch diese Partei zurück.

Die ursprüngliche Schwesterpartei der NSDAP war die "Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei" der Tschechoslowakei. Nach der Selbstauflösung dieser Nazipartei und der ebenfalls nationalistischen "Deutschen Nationalpartei" wurde 1933 die "Sudetendeutsche Heimatfront" als neues deutsch-völkisches Sammelbecken gegründet.
Ursprünglich war die Bezeichnung "sudetendeutsch" also ein reiner Nazi-Begriff.

Es gab in der Tschechoslowakei durchaus noch andere Parteien der deutschen Minderheit. Diese Parteien nannten sich aber nicht sudetendeutsch.
Insbesondere in der "Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei" in der Tschechoslowakei engagierten sich auch deutsche Juden. Das zeigt, dass sich deutschsprachige Juden in der Tschechoslowakei als Deutsche verstanden.
 
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