Zar Nikolaus II.

Liljana

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Der spätere Zar Nikolaus II. von Russland kam 1868 am 06.Mai zur Welt, das heißt an jenem Tag, der in der russisch-orthodoxen Kirche dem Gedenken des Märtyrers Hiob geweiht ist. in späteren Jahren sollten viele diesen Umstand als unheilvolle Prophezeiung für sein künftiges Schicksal deuten - übrigens auch er selbst, wie aus seinen Tagebüchern hervorgeht.
Allen bösen Vorzeichen zum Trotz hatte Nikolaus jedoch eine unbeschwerte, sorgenfreie Kindheit und Jugend. Sein ganzes Leben lang stand er unter dem Einfluß seines Vaters, Kaiser Alexander III., der ein Mann von großer Willensstärke und Unnachgiebigkeit war. Sein ältester Sohn Nikolaus, genannt Nicky, von Natur aus unentschlossen, fühlte sich instinktiv immer wieder zu stärkeren Persönlichkeiten hingezogen und geriet leicht unter ihren Einfluß.
Nach der traditionellen Erziehung, die ihm als Mitglied der russischen Kaiserfamilie zuteil geworden war, diente Nikolaus bei der Garde. Er war erst 26 Jahre alt, als sein Vater unerwartet starb und er die Thronfolge völlig unvorbereitet antreten mußte. Er hatte damit gerechnet, noch weitere 20 Jahre friedlich leben zu können, ehe er zum Herrscher gekrönt würde. Doch das Schicksal hatte es anders bestimmt.
Der Zwang permanent in der Öffentlichkeit zu stehen, vor allem aber Entscheidungen treffen zu müßen, machte Nikolaus das Leben zur Qual. Seinen engsten Vertrauten war diese Schwäche durchaus bewußt. Seine Mutter, Kaiserin Marie Fjodorowna, beklagte sich oft darüber, daß es ihrem Sohn an Charakterstärke fehle.
Von seiner Veranlagung her wäre Nikolaus am liebsten in einem geruhsamen Familienleben aufgegangen. Der britische Premier David Lloyd George bemerkte einmal, Nikolaus hätte keinerlei Anlaß zur Kritik gegeben, wäre als wunderbarer Mensch anerkannt worden und hätte ein langes und glückliches Leben genossen, wäre er nur nicht zum Kaiser geboren worden.
Nikolaus war erst 16, als er 1884 der jungen Prinzessin Alice von Hessen-Darmstadt zum ersten Mal begegnete. Diese war nach Russland gekommen, um der Vermählung ihrer älteren Schwester Ella mit Großfürst Sergej Alexandrowitsch, einem Bruder Alexander III., beizuwohnen. Nikolaus faßte sofort Zuneigung zu der Zwölfjährigen, und als sie 1989 zum zweiten Mal nach Russland kam, verliebten sich die beiden ineinander. 5 Jahre lang mußten sie diverse Widerstände überwinden, bis sie schließlich ein gemeinsames Leben führen konnten. Nikolaus liebte Alice, die er als Alix kennengelernt hatte, inbrünstig, und sie erwiderte seine Gefühle. Was also stand ihren Heiratsplänen im Weg? An erster Stelle die Religion. Alice war eine überzeugte Protestantin und konnte es nicht über sich bringen, ihre Konfession aufzugeben; andererseits wurde von der Gemahlin des russischen Thronfolgers erwartet, daß sie sich zur offiziellen Orthodoxie bekannte. Dieser Konflikt hätte zu einem unüberbrückbaren Hindernis werden können, wäre nicht Ellas Beharrlichkeit gewesen.
Im April 1894 verlobten sich Nikolaus und Alix in Coburg. Alix sollte im Herbst nach Russland reisen, um Nikolaus zu heiraten. Sie kam auch, doch der Anlaß war ein anderer, nämlich das Begräbnis ihres zukünftigen Schwiegervaters. Alexander III. war in Livadia auf der Krim gestorben, und dort wurde alix wenige Tage nach ihrer ankunft in die orthodoxe Kirche aufgenommen und legte sich den Namen Alexandra Fjodorowna zu. Die Trauung fand kurz nach dem Begräbnis, am Geburtstag der Kaiserinwitwe Marie Fjodorowna, in St. Petersburg statt, wodurch die Regeln der Hoftrauer ein wenig durchbrochen werden konnte.
Ihre ersten Ehejahre waren fraglos die glücklichsten ihres Lebens. Überschattet wurden sie nur durch die Tatsache, daß es keinen Thronfolger gab. Mit enttäuschender Regelmäßigkeit brachte Alexandra eine Tochter nach der anderen zur Welt - 1895 Olga, 1897 Tatjana, 1899 Maria und 1901 Anastasia. Für Nikolaus und seine stolze Gemahlin war dies eine schreckliche Belastung - schließlich wird ja von jeder Frau, die zugleich Monarchin ist, erwartet, daß sie einen Thronfolger hervorbringt.
Die Kaiserin neigte dazu, Ärzten zu mißtrauen, und ließ sich nur von ihnen behandeln, wenn deren Diagnosen bezäglich des Krankheitsbildes mit ihren eigenen Ansichten übereinstimmten. Dies hing bis zu einem gewissen Grade mit ihrer zunehmenden Hinwendung zur Mystik und einem spezifisch russischen Phänomen zusammen: den jurodiwi (heilige Narren). Diese herunter gekommenen, barfüßigen, schäbig gekleideten und häufig unzurechnungsfähigen Männer mit ihren wirren Prophezeiungen tauchten immer öfter bei Hofe auf. Offenbar steigerte sich Alexandra zunehmend in den Wahn hinein, nur ein Wunder könne ihr noch helfen, einen Sohn zu gebären. Dies ist jedenfalls die einzige Erklärung für das Phänomen eines gewissen Phillipe, eines Metzgers aus Frankreich, der rasch in die engsten Kreise des Zaren aufstieg und bald das uneingeschränkte Vertrauen der Kaiserin genoss. Er hatte ihr eingeredet, er wäre in der Lage, das Geschlecht eines Kindes im Schoß der Mutter zu verändern. Und schließlich sollte ihr sehnlichstes Verlangen in Erfüllung gehen.
1903 wurde Serafim Sarowskij von der orthodexen Kirche kanonisiert. Dies geschah angeblich auf Druck von Nikolaus, der damit einer Empfehlung Phillipes folgte. Es kusierten allerlei Gerüchte über die wundertätige Wirkung der Quelle bei dem Kloster, in dem Serafim gelebt hatte und gestorben war: Wer immer darin badete, würde von Leiden genesen und seine Wünsche würden in Erfüllung gehen.
Alexandra und Nikolaus unternahmen eine Wallfahrt zum Wohnsitz des Heiligen in Sarow und badeten hier in der Quelle. Ein Jahr später, am 30. Juli 1904, wurde der langersehnte Sohn geboren und auf den Namen Alexej getauft.
Leider wurde der Thronfolger mit einer schrecklicken, unheilbaren Krankheit geboren: Hämophilie.
Welche Qualen das für Nikolaus und Alexandra bedeutete bedarf keiner weiteren Ausführung.
Ein Unglück kommt bekanntlich selten allen. Im selben Jahr als Alexej geboren wurde, begann auch der Krieg gegen Japan; er endete mit einer verherrenden Niederlage der russischen Armee, die sich aus heutiger Sich eindeutig als Auftakt zur Februarrevolution darstellt.
Am 09. Januar 1905 eröffneten Soldaten das Feuer auf eine friedliche Menge von Demonstranten, die zum Winterpalais zogen, um den Zaren in einer Petition zu bitten, die Lebensbedingungen der einfachen Leute zu verbessern. Dieser Tag ist in die geschichte als "Blutsonntag" eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Nikolaus gar nicht in St. Petersburg, sondern in Zarskoje Selo, doch die Öffentlichkeit machte eindeutig den Zaren für das Blutbad verantwortlich, das im ganzen Land heftige Proteste auslöste.
Die revolutionäre Bewegung weitete sich trotz Rede-, Versammlungs-, und Religionsfreiheit und Eröffnung der Duma.
Erst unter der straffen Führung von Ministerpräsident Stolypin schien im Land Ruhe und Frieden wieder einzukehren. Auch die Bauernaufstände verstummten nach einer eingeleiteten Agarreform. Nach all den Unruhen konnte die kaiserliche Familie endlich wieder zu dem geruhsamen Leben der alten Tage zurückkehren.
Doch der Schein trog. Starke revolutionäre Kräfte arbeiteten unablässig im Untergrund, und weder die Geheimpolizei noch staatliche Repression vermochten ihre Tätigkeiten zu unterbinden. Am 01. September 1911 wurde Stolypin in Kiew vor den Augen des Zaren von dem Studenten Bogrow tödlich verletzt.
In den letzten 10 Jahren ihres lebens waren der Zar und seine Familie zunehmend isoliert. Der Kreis ihrer enger Freunde wurde immer kleiner; allerdings tauchten damals 2 Personen in ihrer Umgebung auf, die das Schicksal der Romanows eine verhängnisvolle Rolle spielen sollten:
Anja Wyrubowa und Grigorij Rasputin.
Im Laufe der Zeit wurde die Wyrubowa zur intimsten - und tatsächlich zur einzigen - Freundin der Kaiserin, die schrecklich schüchtern war und sich im Umgang mit anderen Menschen immer schwer tat. Die Warubowa vergötterte sowohl den Kaiser als auch die Kaiserin und war ihnen bedingungslos ergeben. Durch Vermittlung von Großfürstin Militsa kam im Herbst 1906 ein halbgebildeter sibirischer "mujik" namens Grigorij Rasputin an den Hof. Mit allen Mitteln, die ihr zu Gebote standen, sorgte die Wyrubowa dafür, daß Nikolaus und Alexandra den neuen "starets" (heiliger Mann) bis an ihr Lebensende als einen Heiligen verehrten.
Die Begründung warum ein ungebildeter Libertin ein derart vertrautes Verhältnis zu dem Kaiserpaar unterhalten konnte, wird zumeist auf Rasputins Fähigkeit verwiesen, die Blutungen des Thronfolgers zu stillen. Fraglos besaß Rasputin bemerkenswerte hypnotische Kräfte und war höchstwarscheinlich imstande, Alexejs Schmerzen zu lindern.
In ihrer Blindgläubigkeit taten Nikolaus und Alexandra jedes kritische Wort über Rasputin als Verleumdung ab und die kaiserliche Familie spaltete sich. auf der einen Seite Nikolaus und Alexandra, auf der anderen der Rest der herrschenden Dynastie, angeführt von Kaiserinwitwe Marie.
Mit der Ermordung Rasputins im Jahre 1916 wurde allgemein davon ausgegangen, daß die letzten Monate der Monarchie in Russland angebrochen waren.
1914 verschlechterte sich die internationale Lage schlagartig. An die Stelle der traditionellen Blutsbande zwischen dem russischen Hof, den deutschen Fürstentümers und Kaiser Wilhelm II. traten jetzt politische Erwägungen. Im August 1914 erklärten erst das Deutsche und dann das Habsburger Reich Russland den Krieg. Die Familie des Zaren verhielt sich außerordentlich würdevoll. Die Kaiserin gründete in Zarskoje Selo ein Spital für Kriegsversehrte und finanzierte aus eigener Tasche mehrere Lazarettzüge. Sie und ihre Töchter machten nicht nur Krankenbesuche, sondern sie arbeiteten auch als einfache Schwestern.
Oberbefehlhaber der russischen Truppen war zunächst Großfürst Nikolaj Nikolajewitsch, doch im September 1915 traf der Kaiser, dem starken Druck seiner Frau nachgebend, eine verhängnisvolle Entscheidung, selbst das Kommando über die Armee zu übernehmen. 1915 mußte die russische Armee entscheidende Niederlagen hinnehmen. Selbst die erfolgreiche Brussilow - Offensive vom Sommer 1916 brachte keinerlei strategische Vorteile, da der Zar sich immer wieder in militärische Angelegenheiten einmischte. Versorgungslücken und steigende Preise führten dazu, daß die allgemeine Situation im Lande sich immer weiter zuspitzte.
Revulotion lag in der Luft. Die eizigen, denen das offenbar entging, waren der Zar und seine Familie. Wie anders wäre es zu erklären, daß sie von den Ereignissen des Februar 1917 völlig überrascht wurden?
Massenhafte Demonstrationen in St. Petersburg, Weigerung örtlicher Truppen, das Feuer auf Insurgenten zu eröffnen, politische Aktivitäten der Duma und Bildung des Provisorischen Exekutivkomitees des Arbeiterdeputiertenrats, Forderung nach Abdankung des Kaisers - diese und andere Ereignisse sollten den Lauf der russischen Geschichte grundlegend verändern.
Nikolaus reiste aus dem Hauptquatier ab und versuchte St. Petersburg zu erreichen, doch sein Zug wurde unterwegs von truppen aufgehalten. Am 02. März wurde er gezwungen ein Manifest zu unterschreiben, indem er seine eigene und seines Sohnes Abdankung zugunsten seines Bruders Michail erklärte. Einen Tag später verzichtete auch Michail auf den Thron, und damit war das Ende der Romanow - Dynasti besiegelt.
Am 09. März kehrte Nikolaus nach Zarskoje Selo zurück.
Dort wurde die komplette Familie streng unter Arrest gehalten.
Inzwischen hatte die allgemeine Feindseligkeit gegenüber der Regierung in der Hauptstadt einen neuen Höhepunkt erreicht. Zahlreiche Versammlungen endeten mit einem Aufruf, den "blutigen Schlächter" zu beseitigen.
Im Mai 1918 wurde die Familie nach Jekaterinburg im Ural verlegt.
Im Hochsommer begannen antibolschewistische Truppen, die Rote Armee zurückzudrängen. Anfang Juli war auch Jekaterinburg von der Einnahme durch die Weißen bedroht.
Welche Umstände die Bolschewiki veranlaßten, die Hinrichtung der Romanow Familie zu beschließen, läßt sich auch heute noch immer nicht mit Sicherheit bestimmen. Wieso wurden sie ohne Prozess erschossen? Wer traf konkret die Entscheidung, die ganze Familie umzubringen? Lenin? Swerdlow? Örtliche Bolschewiki?
Doch bedarf es tatsächlich einer Antwort?
Man kennt die Details des Gemetzels.
Nachdem im Sommer 1991 in der Nähe von Jekaterinburg die Stelle entdeckt wurde, an der man die Überreste von Nikolaus, Alexandra, den Kindern, dem Leibarzt und den Bediensteten verscharrt hatte, weiß man auch heute definitiv, daß die gesamte Familie umkam und es keine Überlebenden gab.
 
Hat eigentlich der Sohn von Michael II. (Nikolais Bruder und Kurzzeitnachfolger), Grigori, die Ermordung der Zarenfamilie überlebt? Wer ist heute Oberhaupt der Romanowfamilie?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Damals sind außer Nikolaus und seiner Familie noch Nikolaus Bruder Michail (der kurzzeitige Thronfolger), Alexandras Schwester Ella, Großfürst Sergej Michailowitsch und drei Kinder Konstantin (Nikolaus Groß Onkel) ermordet worden.

Leider ist man sich nicht einig darüber wer denn nun wirklich Anspruch auf den Romanow Thron hat. Prinz Nikolai Romanow erhebt Anspruch auf den Thron, genauso wie Großfürstin Maria von Rußland diesen für ihren Sohn Georgij (geboren 1981) beanspruchen will. Maria ist die Großnichte von Nikolaus II.
Nikolai Romanow ist ein Grossneffe des letzten Zaren.
 
Georgy hat das Attentat von 1918 überlebt. Sein Vater konnte seine Mutter überzeugen frühzeitig mit dem Jungen aus Perm zu fliehen.
Was allerdings aus ihm geworden ist weiß ich leider nicht. Die einzigste Aussage die ich finden konnte war, daß er 1931 21-jährig verstarb. Woran ist leider unklar.
 
Bild 1: Familienportrait ca. 1911

Bild 2: Familienportrait ca. 1904

Bild 3: Zar Nikolaus kehrt heim. Bestattung am 16.7.1998 in der Peter und Paul Kathedrale in St. Petersburg. Genau 80 Jahre nach seinem Tod.
 

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Im August 2000 wurde Nikolaus von der russisch-orthodoxen Kirche zusammen mit seiner Frau Alexandra, Kronprinz Alexej und seinen Töchtern Großherzogin Olga, Großherzogin Tatjana, Großherzogin Maria und Großherzogin Anastasia und ihren Gefährten sowie zusammen mit 855 weiteren Märtyrern des 20. Jahrhunderts heilig gesprochen, nicht wegen seiner katastrophalen Politik, sondern ausdrücklich wegen seines Lebenswandels und seines Martyriums. Noch 1996 hatte die Bischofssynode diese Heiligsprechung abgelehnt.

Orthodoxer Gedenktag : 4. Juli
 
Liljana schrieb:
Im August 2000 wurde Nikolaus von der russisch-orthodoxen Kirche zusammen mit seiner Frau Alexandra, Kronprinz Alexej und seinen Töchtern Großherzogin Olga, Großherzogin Tatjana, Großherzogin Maria und Großherzogin Anastasia und ihren Gefährten sowie zusammen mit 855 weiteren Märtyrern des 20. Jahrhunderts heilig gesprochen, nicht wegen seiner katastrophalen Politik, sondern ausdrücklich wegen seines Lebenswandels und seines Martyriums. Noch 1996 hatte die Bischofssynode diese Heiligsprechung abgelehnt.

Orthodoxer Gedenktag : 4. Juli

Da hatte aber die Erinnerung an das Martyrium handfeste politische Interessen:

Die politische Führung setzt bewusst auf das Selbstverständnis der Großmacht als Leitfaden des neuen Russland. 1996, nach seiner Wiederwahl zum Präsidenten der Russischen Föderation, ließ Jelzin einen Wettbewerb zum Thema »Eine Idee für Russland« - »Wohin gehen wir?«, »Wer sind wir?« ausschreiben. Es ging um eine Staatsidee für das postsowjetische Russland, die Jelzin für die »Wiedergeburt Russlands« und nationale Identität mobilisieren und in die Kontinuität mit der vorrevolutionären Geschichte Russlands stellen wollte. Den Nachweis dieser Kontinuität sollte auch die 1998 von Jelzin zum Staatsakt inszenierte Beisetzung der wiedergefundenen Überreste des letzten Zaren, Nikolaus II. und seiner Familie symbolisieren. »Beim Aufbau eines neuen Russland müssen wir uns auf eine historische Erfahrung stützen«, hob Jelzin in seiner Ansprache hervor; »viele glorreiche Seiten in der Geschichte des Vaterlands sind mit dem Namen Romanov verbunden«. Nemcov, Tschubajs und andere »Reformer« und »Demokraten«, die dem Präsidenten zuarbeiteten, bezeichneten die Kontinuität mit dem zaristischen Russland als »Staatsräson« und beriefen sich auf die Traditionen der russischen »Machtstaatlichkeit«. Es war als ob diese vom postsowjetischen Russland propagierte, »Rückkehr in die Geschichte« die sowjetische Periode aus der neuen »kollektiven Erinnerung« auszuklammern suchte. Die im Sommer 2000 von der Russischen Orthodoxen Kirche vollzogene Heiligsprechung des letzten Zaren und seiner Familie fügte sich bestens in das Konzept der staatlichen Restauration ein: der Heilige Zar folgte als nationales Symbol dieser Erinnerungsstrategie. Die russische Orthodoxie selbst stellt wie einst den Kern des russischen Patriotismus dar.

http://www.frankfurter-hefte.de/ausschnitt/thema_03_10c.html
Heft 10 / 2003
 
Natürlich lag es sicherlich in Jelzins und Putins Interresse die Heiligsprechung voran zu treiben und somit mal wieder die Blicke auf ihr Land zu ziehen.
Trotz allem, auch wenn ich nun etwas patriotisch klinge, empfinde ich es als nur gerechtfertigt das der letzte Zar, dem soviel Unglück wiederfuhr, soviele Jahre nach seinem Tod durch die orthodoxe Kirche, die er Zeit seines Lebens unterstützte, geehrt wurde.
 
Fragen zur Heiligsprechung des Zaren Nikolaus II.:
Sind bei der russisch-orthodoxen Kirche, die die Heiligsprechung wohl vornimmt, ähnliche Voraussetzungen zu erfüllen, wie bei der katholischen Kirche?
Wie wurde die Heiligsprechung des letzten Zaren kirchlich-religiös begründet?
Trifft es zu, daß die Politik (Jelzin, Putin) hier wesentlichen Einfluß nehmen konnte?
Über Informationen hierzu würde ich mich freuen. Vielen Dank im voraus!
Liebe Grüße! Franzei
 
Franzei schrieb:
Sind bei der russisch-orthodoxen Kirche, die die Heiligsprechung wohl vornimmt, ähnliche Voraussetzungen zu erfüllen, wie bei der katholischen Kirche?
Soviel ich weiß gibts bei den russisch-orthodoxen keine feststehenden Verfahren, es is eigentlich kaum formal und wird von der zuständingen Bischofssynode vollzogen.
Franzei schrieb:
Wie wurde die Heiligsprechung des letzten Zaren kirchlich-religiös begründet?
Der Zar wurde aufgrund seines "Märtyrertodes" heilig gesprochen und NICHT für sein Leben!
 
Die orthodoxen Kirchen kennen kein einheitliches Verfahren der Heiligsprechung. Dies wird von Teilkirche zu Teilkirche unterschiedlich gehandhabt. Teilweise bildet sich die Verehrung durch das Volk spontan heraus, ohne jemals offiziell anerkannt worden zu sein.

Eine Heiligsprechung ist in der römisch-katholischen Kirche ein kirchenrechtliches Verfahren, durch das, nach entsprechender Prüfung, der Papst einen Menschen heilig sprechen kann. Dabei spielen Martyrium, Wunder und andere Kriterien eine Rolle.

Hier ein interresanter Link:

http://zeus.zeit.de/text/2000/37/200037_russland.xml
 
Danke, Liljana und Benjamin für die interessanten Auskünfte.
Wenn Nikolaus II. für seinen Märtyrertod heiliggesprochen wurde, so müssten konsequenterweise Millionen Opfer der russischen Revolution heiliggesprochen werden (was natürlich nicht zu erwarten ist).
 
Franzei schrieb:
Wenn Nikolaus II. für seinen Märtyrertod heiliggesprochen wurde, so müssten konsequenterweise Millionen Opfer der russischen Revolution heiliggesprochen werden (was natürlich nicht zu erwarten ist).

ja ist schon ziemlich absurd wenn man das mal genauer betrachtet:nono:
 
Wenn Nikolaus II. für seinen Märtyrertod heiliggesprochen wurde, so müssten konsequenterweise Millionen Opfer der russischen Revolution heiliggesprochen werden (was natürlich nicht zu erwarten ist).

Natürlich sind viele Menschen während der Revolution gestorben und einige von Ihnen sind mit dem Zaren und seiner Familie heilig gesprochen worden. Aber es ist natürlich zu bedenken, dass es sich bei Nikolaus II um den letzten Zaren handelte. Die Umstände seines Todes und der seiner Familie, von denen die Kinder ja auch völlig unschuldig an allem waren, haben diese Heiligsprechung nötig gemacht. Desweiteren hat die führende russische Regierung ja nicht uneigennützig gehandelt.
Dazu nochmals Mercys Link:

http://www.frankfurter-hefte.de/ausschnitt/thema_03_10c.html
 
Liljana schrieb:
Natürlich sind viele Menschen während der Revolution gestorben und einige von Ihnen sind mit dem Zaren und seiner Familie heilig gesprochen worden. Aber es ist natürlich zu bedenken, dass es sich bei Nikolaus II um den letzten Zaren handelte. Die Umstände seines Todes und der seiner Familie, von denen die Kinder ja auch völlig unschuldig an allem waren, haben diese Heiligsprechung nötig gemacht. Desweiteren hat die führende russische Regierung ja nicht uneigennützig gehandelt.
Dazu nochmals Mercys Link:

http://www.frankfurter-hefte.de/ausschnitt/thema_03_10c.html

Karl und Nikolaus sind also jetzt heilig/selig (als falschgläubiger Protestant kenne ich die Unterschiede nicht so)
Wilhelm und Edward kann das nicht passieren, da Falschgläubig, bleibt nur noch Viktor Emanuel, oder ist der schon heilig, und ich habe etwas übersehen?

OT: Wird das Niveau der Heilig/Selig-Sprechungen eigentlich durchgängig gehalten? Oder gibt es Unterschiede?

Grüße Repo
 
Liljana schrieb:
Natürlich sind viele Menschen während der Revolution gestorben und einige von Ihnen sind mit dem Zaren und seiner Familie heilig gesprochen worden. Aber es ist natürlich zu bedenken, dass es sich bei Nikolaus II um den letzten Zaren handelte. Die Umstände seines Todes und der seiner Familie, von denen die Kinder ja auch völlig unschuldig an allem waren, haben diese Heiligsprechung nötig gemacht. Desweiteren hat die führende russische Regierung ja nicht uneigennützig gehandelt.
Dazu nochmals Mercys Link:

http://www.frankfurter-hefte.de/ausschnitt/thema_03_10c.html

Ich verstehe nur RsdS.(Russland sucht den Superstar)
Wie viele römische Kaiser sind eigendlich eines natürlichen todes gestorben?
Gut, die Kinder hätte man aussen vor lassen sollen.
Der Zar hat auch nur seine Hose fallen lassen, wenn er aufs Klo ging.
Nur weil er Zar war, heilig sprechen?
Irgend was stimmt da nicht.
 
Repo schrieb:
Karl und Nikolaus sind also jetzt heilig/selig (als falschgläubiger Protestant kenne ich die Unterschiede nicht so)
Die Seligsprechung ist in der katholischen Kirche eine Vorstufe zur Heiligsprechung!
man wird normalerweise erstmal seliggesprochen, was jedoch schon eine offizielle Erklärung ist, dass ein Mensch ein heiliges Leben geführt hat.
Man könnte auch sagen dass die Seligsprechung ein längerer Prozess ist, an dessen Ende die Heiligsprechung steht ! :winke:
Aber es geht hier ja um die orthodoxe Kriche, und da ist das gesamte verfahren wie gesagt nicht so formal!
Manchmal entstehen dort diese Verehrungen auch spontan und ohne, dass sie offiziell anerkannt wurden!
 
Benjamin schrieb:
Die Seligsprechung ist in der katholischen Kirche eine Vorstufe zur Heiligsprechung!

Aber es geht hier ja um die orthodoxe Kriche, und da ist das gesamte verfahren wie gesagt nicht so formal!
Manchmal entstehen dort diese Verehrungen auch spontan und ohne, dass sie offiziell anerkannt wurden!

Im Thread geht es um Nikolaus. Korrekt. 'Das Prozedere zu seiner "heilig"-Sprechung war aber schon erläutert.
Mir ist aber das "pikante" Detail aufgefallen, dass der Habsburger Karl ja auch selig/heilig gesprochen wurde.
Insofern wäre von Interesse, nachdem der Windsor und der Hohenzoller ja keine Chance haben, ob der Italiener auch schon "selig" ist.
Dann gab es, involviert in den 1. WK, noch die von Serbien, Montenegro, Griechenland, Portugal, Rumänien, Bulgarien dann den Sultan und etliche Herrscher Arabiens. Inwieweit sind hier die Prozesse der heilig/selig-Sprechung schon fortgeschritten? (Beim Sultan nehme ich die Frage zurück, als Kalif hat er die Probleme sowieso nicht)
Was ist mit Ludendorff? (Oder war der evangelisch?)

Grüße Repo
(wie immer, OT)

NS: Der König von Württemberg war gleichzeitig Bischof der evangelischen Landeskirche, der hat also auch kein Problem.

Woher kommt eigentlich mein Eindruck, dass manche noch immer nicht im 21. Jahrhundert angekommen sind?
 
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