Zeitzeugenerlebnisse aus dem Zweiten Weltkrieg

Ein älterer Bekannter, der inzwischen bereits verstorben ist, war als Hauptmann an der Ostfront eingesetzt.

Bei einem sowjetischen Angriff musste seine Einheit ein ganzes Stück zurückweichen. Es dauerte eine ganze Zeit, bis sich die Front wieder stabilisiert hatte. Dabei stellte der Hauptmann fest, dass ein Dutzend seiner Leute, fast alles junge Soldaten, die erst kurze Zeit an der Front waren, fehlten.

Keiner wusste, was mit ihnen geschehen war. Versprengt? Gefangen? Gefallen? Da entschloss sich der Hauptmann, mit einigen fronterfahrenen Soldaten nach den Vermissten zu suchen.

Sie schlugen sich irgendwie durch die sowjetischen Linien und gelangten am nächsten Tag in die Gegend, wo man die jungen Soldaten zuletzt gesehen hatte. In einem Wäldchen fand man sie. Sie waren alle tot, waren nackt oder in Unterwäsche und wiesen Zeichen von Folter auf.

Wenige Tage später - der Trupp des Hauptmanns hatte sich inzwischen wieder hinter die eigenen Linien zurückziehen können - kam es zu neuen Gefechten. In einer Gefechtspause fanden die Soldaten einen toten Rotarmisten, der einen deutschen Fotoapparat umhängen hatte. Man erkannte, dass der Apparat einem der jungen erschossenen deutschen Soldaten gehört hatte.

Der Hauptmann beschloss, die Kamera den Eltern des Toten zu übergeben, da er kurz danach Heimaturlaub hatte. Als er feststellte, dass sich in der Kamera ein belichteter Film befand, beschloss er, diesen zuvor in einem Wehrmachtslabor entwickeln zu lassen.

Die Aufnahmen waren schrecklich. Man erkannte, wie die Gefangenen mit erhobenen Händen dastanden, wie sich sich ausziehen mussten und in den Wald geführt wurden. Rotarmisten zogen die deutschen Uniformen an und brachten die Gefangenen um.

Der Hauptmann hat den Eltern die Kamera übergeben mit den Worten, dass ihr Sohn schnell und ohne zu leiden gefallen sei. Die Fotos erwähnte er nicht, er hat sie kurz darauf verbrannt.

In Russland hat er später Flugblätter gesehen, auf denen Männer in deutschen Uniformen abgebildet waren, die wehrlose Gefangene erschossen. Seitdem fragte er sich, ob diese Bilder lügen oder nicht.

Als er als alter Mann diese Geschichte erzählte, weinte er wie ein Kind. Wir fanden das peinlich.
 
Ein weiterer Zeitzeugenbericht der einiges aussagt zum verwilderten Kriegsstil an der Ostfront ist mir noch eingefallen. Die Division meines großvaters, die 129. hessisch- thüringische konnte im Sommer 1944 der Einkesselung entgehen und zog sich quer durch die Pripjetsümpfe bis auf die alte polnische Grenze zurück.

In einem polnischen Dorf am Rand des Urwalds von Bielowicze entdeckte ein Schirrmeister, ein begeisterter Pferdeliebhaber einen prachtvollen Hengst, den er gerne für die Truppe angekauft hätte. Das Tier gehörte dem Bürgermeister des Ortes, und nach einigem Hin und her wurden sie handelseinig und begossen den Kauf nach alter Tradition mit Wodga.

Der Besitzer war ein freundlicher Mann, und die Landser rieten ihm mehrfach, sich mit seiner Familie vor der Roten Armee in Sicherheit zu bringen.

Der Mann lachte "ach, weder die deutschen, noch die Russen sind unsere Freunde, aber die werden uns nichts tun", sagte er und war davon nicht abzubringen. Einige Tage später griff die Rote Armee an. Es gab den üblichen Artilleriesegen und die üblichen Verwundungen. Als die sowjetische Infanterie aus den Gräben stieg, sagte ein Soldat, dass es "beim Iwan" auch eng sein müsse, die hätten ja nicht einmal Uniformen. Die sowjetischen Verbände waren offenbar äußerst unterschiedlich ausgestattet und nicht selten ziemlich abenteuerlich uniformiert. Die Deutschen blickten durch ihre Ferngläser und erkannten, dass sich auch Alte, Frauen und Kinder darunter befanden. Als sie näherkamen, erkannten sie, dass die Rotarmisten Zivilisten als lebenden Schutzschild vor sich hertrieben. Als sie bis auf 200 m herangekommen waren, eröffneten die Deutschen aus 2 schweren MGs das Feuer. Das Resultat kann man sich vorstellen, oder auch nicht. Es war ein einziges Massaker und die Zivilisten wurden gleichermaßen niedergemäht wie die nachfolgenden Rotarmisten. Das ganze Gelände war bedeckt mit Toten und Sterbenden, die vor Schmerzen brüllten.

Als es dunkel wurde und beide Seiten ihre wunden leckten, beschlossen zwei Soldaten einen Verwundeten zu bergen, der den ganzen Nachmittag vor Schmerzen stöhnte. Als sie bis zum Verwundeten gerobbt waren, bot sich ein schauderhafter Anblick. Dem Mann quollen die Gedärme aus dem Leib, die er verzweifelt mit der Hand festhielt. Sein Gesicht war durch Blut, mehr aber noch durch die barbarischen Schmerzen so verzerrt, dass sie Mühe hatten, ihn zu erkennen.

Es war der Besitzer des Pferdes.
 
Von Opa kann ich nix Persönliches aus dem Krieg erzählen, der eine liegt in Ostpreußen, der andere war in Berlin ein "kleiner strammer Blockwart" und nicht im Feld. Aber von meinem Vater. Er bei bei Kriegsende 13 und, wie alle in dem Alter, bei der Hitlerjugend. Die letzten Wochen verbrachte er in einem Lager auf dem Lande, wo man den Pimpfen noch so "sinnvolle Tätigkeiten" wie Panzerfaustschiessen beibrachte. Der ganze Spuk löste sich Ende April 1945 auf, er tingelte die 20 km zu Fuß nach Hause und hatte dabei noch die "angenehme Erfahrung" machen dürfen, als Einzelperson Tieffliegerbeschuss zu erleben.

Am 2. Mai 1945 war es soweit. Wismar wurde kampflos von Kanadiern besetzt und die Russen standen am östlichen Stadtrand.

Die Stadt war beim Einmarsch ein Fahnenmeer. Bettlaken, aber auch viele Schwedenfahnen (Wismar war bis 1903 schwedisch). Nun ging es los. Hausdurchsuchungen der Kanadier nach Waffen und versteckten Soldaten. Anders als beim Russsen waren die Frauen, Fahrräder und Armbanduhren sicher - nicht aber typische "German Kleinigkeiten" wie Silberbesteck, Porzellanfiguren und Naziorden (möglichst mit Hakenkreuz).
Fortsetzung folgt...(falls erwünscht).
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Mein Großvater hatte in Kiel keine guten Erfahrungen mit den Briten gemacht. Er hatte 1945 mit seiner Einheit auf der Nehrung den Rückzug decken müssen, und die Soldaten sollten eigentlich an Bord der wilhelm Gustloff gehen, bis es dann hieß, das Zivilisten und Flüchtlinge Vorrang haben sollten, was ihnen vermutlich das Leben rettete. Mit einem schnellen Minensuchboch konnten sie dann mitgehen. Es hieß, wer nicht bis Mitternacht die Höhe von Bornholm erreicht hatte, sollte in sowjetische Kriegsgefangenschaft gehen, doch setzte sich der Kapitän darüber hinweg und ließ auf ein verfolgendes sowjetisches Schiff das Feuer eröffnen, worauf die Russen abdrehten. In Kiel wurden sie dann von Briten empfangen, die sich ziemlich hochnäsig gaben. Sie hatten es vor allem auf Kriegsauszeichnungen und Parabellumpistolen abgesehen, nahmen aber auch gerne Armbanduhren, Zigarettenetuis, Feuerzeuge, Eheringe und andere persönliche Dinge. Als sie anfingen und einem Koch die Armbanduhr abnehmen wollten, warf der kurzerhand einen Tommy über Bord, worauf sie sofort von Bord gingen und mit bis an die Zähne bewaffneter Verstärkung zurückkamen. Die Landser wurden bis aufs Hemd ausgeplündert, hatten allerdings auch ganz unnötig die Briten noch mehr provoziert, indem sie nämlich die begehrten Luger 08 ganz demonstrativ in die Ostsee fallen ließen.
 
Von Opa kann ich nix Persönliches aus dem Krieg erzählen, der eine liegt in Ostpreußen, der andere war in Berlin ein "kleiner strammer Blockwart" und nicht im Feld. Aber von meinem Vater. Er bei bei Kriegsende 13 und, wie alle in dem Alter, bei der Hitlerjugend. Die letzten Wochen verbrachte er in einem Lager auf dem Lande, wo man den Pimpfen noch so "sinnvolle Tätigkeiten" wie Panzerfaustschiessen beibrachte. Der ganze Spuk löste sich Ende April 1945 auf, er tingelte die 20 km zu Fuß nach Hause und hatte dabei noch die "angenehme Erfahrung" machen dürfen, als Einzelperson Tieffliegerbeschuss zu erleben.

Wie sich die Schicksale doch gleichen, mein Großvater mütterlicherseits liegt in Rußland begraben, der andere war anscheinend nie im Krieg, keiner weiß warum und weshalb, er hat nie was erzählt, ich tippe auf örtliche Nazigröße, vielleicht sollte ich mal nachforschen, mein Vater war bei Kriegsende 15 Jahre alt, wollte auch zur Hitlerjugend und die Heimat verteidigen.
War dann aber nicht mehr nötig, denn die Stadt wurde, nachdem sie am 01.03.20045 noch durch einen Fliegerangriff verwüstet wurde, von dem Amerikanern im April 1945 eingenommen und besetzt.

Gruß....
 
Einer erzählt hier etwas nach, was sein Opa ihm mal erzählt hat und jede Generation dichtet da noch ein Wort hinzu.

Tatsächlich wird nicht nur etwas dazugedichtet, sondern die Geschichten werden anscheinend sogar umgedichtet, wenn man der Forschergruppe um Harald Welzer trauen darf. So kommt es "beim Weitererzählen der Geschichten von den Zeitzeugen zu den Kindern und den Enkeln [...] zu einer „kumulativen Heroisierung“: Aus den zwei ehemaligen KZ-Insassen, denen die Urgroßmutter nach der Befreiung Hilfe angeboten hat, werden in der Erzählung der Urenkelin „zwei versteckte Juden“, und aus dem „überzeugten Nationalsozialisten“ wird in der Erzählung seines Enkels einer, der „was Gutes getan hat“ und wusste, „dass seine Partei schlechte Dinge getan hat.“

Harald Welzer / Sabine Moller / Karoline Tschuggnall: „Opa war kein Nazi“. Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis. Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt / Main 2002

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Forum haGalil - Board A: Harald Welzer
 
Tatsächlich wird nicht nur etwas dazugedichtet, sondern die Geschichten werden anscheinend sogar umgedichtet, wenn man der Forschergruppe um Harald Welzer trauen darf.

Das kann schon sein.
Ich könnte zB. gar nichts umdichten , da mein Vater ( 1939 eingezogen und
1945 kapituliert) über diese Zeit überhaupt nichts erzählt hat - trotz meiner
bohrenden Fragen !
Nun fragt man sich , warum .....
Ich habe vor 4 Monaten bei der WAST Auskunft erbeten.
 
Auch ein Zeitzeugenbericht, garantiert ohne Hinzudichtung:
Eine Freundin von mir ist 1944 in D geboren. Ihr Erzeuger war "Arier" ihre Mutter "Halbjüdin". Die Mutter, die in D gelebt hat, hatte die US-Amerikanische Staatsbürgerschaft, was ihr Schlimmeres ersparte: Sie wurde nicht deportiert sondern als "Fremdarbeiterin" eingestuft. Nach der Entbindung mußte sie wieder zur Zwangsarbeit einrücken. Die Schwester des Kindesvaters hat das Kind betreut, während die Mutter arbeiten mußte. Das wurde ihr von der Gestapo verboten. Sie hätte das KInd adoptieren können, eine Betreuung des "Judenbalgs" wurde ihr jedoch verboten.
 
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