Zunftzwang

joffa

Neues Mitglied
Konnte (im 18. Jh.) ein Handwerker oder Künstler in einer Stadt einen Auftrag annehmen und ausführen auch wenn er dort (noch) nicht zünftig war?
 
Konnte (im 18. Jh.) ein Handwerker oder Künstler in einer Stadt einen Auftrag annehmen und ausführen auch wenn er dort (noch) nicht zünftig war?

Das lässt sich vermutlich gar nicht pauschal beantworten:
- Handelte es sich um einen Meister oder einen Gesellen? Letzterer musste in der Regel bei einem Meister in Stellung gehen, konnte also nicht auf eigene Rechnung tätig werden.
- Um welches Handwerk handelte es sich? Generell herrschte zwar Zunftzwang, aber der wurde von den Zünften unterschiedlich ausgeübt.
- In welcher Gegend war der Handwerker tätig? Es gab auch Unterschiede zwischen den einzelnen Territorien, je nach dem, wie stark der Landesherr in die Zunftrechte einzugreifen vermochte.
- Welcher Teil des Jahrhunderts ist gemeint? Durch den Augsburger Reichsschluß von 1731 wurde die Reichszunftsordnung geschaffen, die einige Änderungen für das Handwerksrecht brachte, aber ebenfalls unterschiedlich umgesetzt wurde.

Vielleicht kommen aber noch "mutigere" Antworten...;)
 
Die Geschichte der "Gewerbefreiheit" wird üblicherweise so dargestellt:
- Forderung der Französischen Revolution
- 1810 Stein/Hardenbergsche Reform
- 1869 Gewerbeordnung im Norddeutschen Bund

Allerdings ist auch heute noch Berufsausübung und Niederlassungsrecht für gewisse Berufe eingeschränkt, am bekanntesten für Ärzte und Apotheker...

Edit: Habe noch was in der Wikipedia geblättert:
Österreich: Gewerbeordnung von 1859
Schweiz: Aufhebung des Zunftzwanges am 19. Oktober 1798


Diese kurze Darstellung zeigt, dass auch "Künstler" eng ins Zunftwesen eingebunden waren: http://www.reclam.de/data/blickinsbuch/3-15-010476-9.pdf
 
Zuletzt bearbeitet:
Im 18. Jh. würde ich die Problematik im Zunftzwang eher in eine andere Rolle stecken. Der Handwerker wird erst einer, wenn er eine Ausbildung zum Gesellen oder Meister genommen hat. Ich glaube kaum, dass ich mich sofort auf den Weg machen könnte und perfekt ne Maurerkelle schwingen würde. :D
Für die Ausbildung brauchte er einen erfahrenen Lehrer und dieser wird wohl in der jeweiligen Zunft gewesen sein. Der junge Handwerker musste bei der Zunft angemeldet werden. Wenn nicht hatte er keine "Papiere", obwohl er das Handwerk, vielleicht auch perfekt, beherrschte. Mochte auch der Meister die Hand für seinen Schützling ins Feuer legen - ich glaube kaum, dass der Ausgebildete einen Auftrag bekam. Dann viel eher sein Meister, dem man vollstes Vertrauen schenkte und man hingegen an dem Jungen zweifelte, der "nur" versuchen konnte die eventuellen Auftraggeber zu überzeugen.
Ohne Zeugnisse der Zunft war auch nicht immer gegeben, dass er ein eigenes Geschäft eröffnen durfte.

Also war es hilfreicher, wenn Derjenige in der Zunft des jeweiligen Handwerkes war. Denn bevor man eine Bestellung wahr nehmen kann, braucht man erst einmal eine! Was ich in dem ganzen Text eigentlich sagen wollte, ist, dass es schwierig war einen Auftrag zu bekommen, wenn man nicht in der Zunft war.
Ich denke, dass ist das ehere Problem.

Bei Künstlern sieht die Sache anders aus, finde ich. Das Komponieren, die Bildhauerei, das Zeichnen, je nachdem wird einem wahren Künstler schon praktisch in die Wiege gelegt. So konnte ein Künstler leicht von seinem Können überzeugen. Bspw. wenn er Bekannten seine Zeichnungen presentierte. Wenn Derjenige eine Gabe dafür hatte, dann wird es wohl nicht lange gedauert haben bis man ihn mit Aufträgen überschüttete. Wenn diese Aufgaben dann noch von Aristokraten kamen, werden die sich schon darum gekümmert haben, dass der Meister seines Fachs ihren Auftrag erledigen konnte. ;)
 
Konnte (im 18. Jh.) ein Handwerker oder Künstler in einer Stadt einen Auftrag annehmen und ausführen auch wenn er dort (noch) nicht zünftig war?

Wenn in der Stadt kein Handwerker desselben Gewerbes ansässig war, dürfte es kein Problem für einen auswärtigen Handwerker/Künstler gewesen sein, dort einen Auftrag auszuführen.
Wer sich auf Dauer in der Stadt niederlassen wollte, mußte sich mit der zuständigen Zunft arrangieren.


Bei Künstlern sieht die Sache anders aus, finde ich. Das Komponieren, die Bildhauerei, das Zeichnen, je nachdem wird einem wahren Künstler schon praktisch in die Wiege gelegt.

Nein, gerade diese Fähigkeiten setzen besonders intensives Training voraus. "Ich habe fleißig sein müssen; wer ebenso fleißig ist, wird es genauso weit bringen", soll Johann Sebastian Bach gesagt haben, den ich durchaus für einen "wahren Künstler" halte.
 
Nein, gerade diese Fähigkeiten setzen besonders intensives Training voraus. "Ich habe fleißig sein müssen; wer ebenso fleißig ist, wird es genauso weit bringen", soll Johann Sebastian Bach gesagt haben, den ich durchaus für einen "wahren Künstler" halte.

Es ist richtig, dass auch Fleiß und Training von Nöten ist. Doch ebenso ein gewisses Talent.

Über Johann Sebastian Bach sagte Ludwig van Beethoven:
"Nicht Bach, sondern Meer sollte er heißen."
 
Es ist richtig, dass auch Fleiß und Training von Nöten ist. Doch ebenso ein gewisses Talent.

Das Verhältnis möchte ich mit dem Satz des Erfinders Thomas Alva Edison kommentieren: "Genie ist 1% Inspiration und 99% Transpiration".

Die 99% (über das genaue Zahlenverhältnis brauchen wir nicht zu streiten) werden einem jedenfalls nicht in die Wiege gelegt.
 
Das natürliche Talent kann bei einzelnen Künstlern unterschiedlich ausgeprägt sein, die ganz Großen waren aber ohne Ausnahme auch sehr fleißig und kreativ, wie Hyokkose ganz richtig bemerkt hat. Mozart war sicher einer der talentiertesten Künstler, er war aber auch der kreativste Komponist, der am meisten Werke hinterlassen hat.

Wagner hat Mendelsohn um sein Talent beneidet, er schrieb, dass ihm zuflöge, wofür er, Wagner, viel härter arbeiten müsse.

Eine Oper, ein Epos, eine Symphonie entsteht nicht aus genialer Inspiration oder jedenfalls nicht aus Inspiration allein. Es ist vielmehr ständige, systematische Arbeit. Es gehört sehr viel Disziplin dazu, fast mehr noch, als Talent. Das Talent ist nötig dafür, diese systematische Fleißarbeit tage-, wochen- monate- und jahrelang leisten zu können.
 
Danke für die rege Beteiligung!
Ganz konkret, ich hätte es eigentlich gleich schreiben können, geht es um einen Maler, der in Freiburg/Br. tätig war und nach seiner Niederlassung auch Mitglied in der Malerzunft wurde. Vorher hatte er in der Umgebung aber bereits Proben seines Könnens geliefert. Es ging mir eigentlich darum, ob die Zünfte ein Monopol hatten, also die Zugehörigkeit zur jeweiligen Zunft unbedingte Voraussetzung war, zwar nicht um einen Auftrag zu bekommen, aber um ihn ausführen zu dürfen. Mir scheint nach den bisherigen Antworten, dass es dieses Monopol wohl eher nicht gab. Folglich könnte dieser Maler also in Freiburg bereits vor seiner Zünftigkeit Aufträge ausgeführt haben.
 
Ich frage mich übrigens, in welchem Zusammenhang das Beethoven-Zitat mit "Bach" und "Meer" gefallen ist. So viel ich weiß, war Beethoven, anders als Mozart, eher wenig an seinen Vorgängern interessiert. Händel hat er z. B. erst in seiner allerletzten Lebenszeit kennen (und schätzen) gelernt, und dass er Bach studiert hätte, ist mir unbekannt.
 
Mir scheint nach den bisherigen Antworten, dass es dieses Monopol wohl eher nicht gab. Folglich könnte dieser Maler also in Freiburg bereits vor seiner Zünftigkeit Aufträge ausgeführt haben.

Wohl eher, nicht mehr gab.
Im 18. Jahrhundert wurde das schon etwas lockerer angegangen, wenn du dir die Threads zur Gewerbefreiheit ansiehst.
Mich wundert nur, das da immer geschrieben wird, gegen Ende des 18.Jahrhunderts.
Es war doch eher so, das die Zünfte schon vorher viele Augen zudrückten. Nicht zu vergleichen mit dem 14.-15. Jahrhundert.
Eine Zunft zu diesen Zeiten, hatte richtig Macht. Im 18. Jahrhundert war das nur noch ein Abklatsch dessen. Zu vergleichen mit den Innungen heute, gegen die noch vor 100 Jahren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es war doch eher so, das die Zünfte schon vorher viele Augen zudrückten. Nicht zu vergleichen mit dem 14.-15. Jahrhundert. Eine Zunft zu diesen Zeiten, hatte richtig Macht. Im 18. Jahrhundert war das nur noch ein Abklatsch dessen.

Wehler (Deutsche Sozialgeschichte, Bd. 1, S. 92): Obwohl die Bedeutung der Zünfte je nach Landschaft oder Stadt, Gewerbezweig oder Epoche stark schwankte, konnten sie trotz aller Auflösungserscheinungen auch noch im 18. Jahrhundert auf einen einflußreichen Traditionsbestand zurückgreifen." Kulischer (Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 138 ff.) berichtet von dem Bemühen der Zünfte, ihr Stellung zu behaupten; Zorn u. a. (Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1, S. 536 ff., 592 ff., 635 ff.) zeichnen ein sehr buntes Bild gerade für das 18. Jh.: Hier wurden Zünfte aufgelöst, dort neu errichtet; hier schlugen sie sich mit dem merkantilistischen Staat herum, dort mit den Vereinigungen der Gesellen usw.

Festen Boden unter den Füßen bekommt man am ehesten bei Regionalstudien; als allgemeineres Quellenwerk wird "Herbst des alten Handwerks" (Hg. Stürmer) empfohlen, das ich aber nicht zur Hand habe.
 
Ich frage mich übrigens, in welchem Zusammenhang das Beethoven-Zitat mit "Bach" und "Meer" gefallen ist. So viel ich weiß, war Beethoven, anders als Mozart, eher wenig an seinen Vorgängern interessiert. Händel hat er z. B. erst in seiner allerletzten Lebenszeit kennen (und schätzen) gelernt, und dass er Bach studiert hätte, ist mir unbekannt.

Wann, wo und wieso Beethoven diese Äußerung getätigt hat, kann ich dir nicht sagen. Ich höre nur Barockmusik (Lully, Rameau, Vivaldi, Leclair, Bach, Händel) und kenne mich mit Beethoven nicht aus. Das Zitat steht in meinem Musik-Hefter, ohne weitere Angaben. Ich finde, dass Beethovens Aussage total richtig und zutreffend ist. Da hyokkose schrieb, dass Bach ein wahrer Künstler ist, was ich nicht mal als Leiche bestreiten würde, dachte ich, dass das Zitat an solcher Stelle eine passende Ergänzung wäre.

Auch wenn Beethoven nicht sehr an seinen älteren/toten Kollegen interessiert war, wird er doch sicherlich mal etwas von ihnen gehört und ein Urteil darüber abgegeben haben.
 
Auch ich finde dieses Zitat nur ohne Kontext...
Das Problem ist, dass J.S. Bach seit Ende des 18. Jh. in der Versenkung verschwunden war und praktisch nicht mehr aufgeführt wurde. Niemand wollte mehr sowas Verrücktes wie einen Kanon oder ein Fuge hören! Erst Mendelsohn-Bartholdy startete 1829 mit der Matthäuspassion ein Bach-Revival.
 
Dass sich der Satz auf Carl Philipp Emanuel Bach bezieht, kann ich mir schon eher vorstellen. Denn Haydn war durch ihn stark beeinflusst und Beethoven war wiederum Haydns Schüler.
 
Zurück
Oben