Ich fürchte, das hier ist eines der Themen, bei dem es vielen schwer fällt, nüchtern zu urteilen. Ich kann daher nur bitten, mir keine Parteilichkeit zu unterstellen.
Um Zypern gab es vor allem seit den 50er Jahren Konflikte zwischen Griechenland und der Türkei, was wie in vielen ähnlichen Fällen nicht immer damit zu tun hatte, daß etwa die Menschen vor Ort auf Zypern nicht miteinanderleben wollten. Die Unabhängigkeit 1960 war schon ein Kompromiß, denn Griechland (und die meisten griechischen Zyprioten) wollte lieber den Anschluß an Griechenland. (Zur Orientientierung: ca.80% griechisch u. 20% türkisch Sprechende auf der Insel) 1963 hat es schon mal härtere Konflikt zwischen Griechen und Türken auf Zypern gegeben, Einzelheiten dazu weiß ich nicht. Seit 1967 herrschte in Griechenland eine Militärdiktatur, eine griechische Invasion lag also durchaus im Bereich des Möglichen.
Nur - nicht Griechenland, sondern die Türkei intervenierte. Und blieb, obwohl 1975 in Griechenland die Demokratie wieder hergestellt wurde und seitdem eine griechische Invasion äußerst unwahrscheinlich war.
Übrigens wird meistens Großbritannien übersehen, die dritte Garantiemacht für die Unabhängigkeit Zyperns und die Einhaltung der Minderheitenrechte. Die Briten haben seit 1960 2 große exterritoriale Militärstützpunkte im Süden der Insel, aber bis heute nichts Sichtbares zur Konfliktlösung beigetragen. (Zypern ist also genaugenommen dreigeteilt.) Daß die Türkei nicht die ganze Insel besetzt hat, lag kaum an den Briten, eher am Problem, wohin dann mit den Griechen? Es wurden ja so schon knapp 40% der Insel für 20% der Bevölkerung besetzt.
30 Jahre lang hat sich der Westen wenig um Zypern gekümmert. Dann sollte auf einmal alles ganz fix gehen. Bis heute wird den Griechen ihre Ablehnung vorgeworfen. Aber wer hat sich je mit den Konditionen befaßt? So hätten z.B. Griechen, die 1974 aus dem Norden vertieben wurden, ihre Grundstücke nicht einmal zurückkaufen dürfen. Kurz, ich als Ostdeutscher kann die Ablehung nachvollziehen und denke, sie sollen ihre Wiedervereinigung lieber etwas ruhiger angehen. Die Grenze öffnet sich ja seit 5 Jahrem schon Schritt für Schritt.
Abschließen will ich mit ein paar Beobachtungen von meiner eigenen Reise 2004:
Der Süden wirkte entspannt, unpolitisch, wohlhabend. In Larnaka sah ich eine geöffnete Moschee (die ursprünglich - vor 1571 - als gotische Kirche gebaut worden war). Das einzige, was ich Propaganda nennen würde, war, daß ein Fremdenführer erzählte, Famagusta sei eine menschenleere Geisterstadt.
Der Norden deutlich ärmer (obwohl damals noch jeder Millionär war - in alten türkischen Lira), viele türkische und türkisch-zypriotische Fahnen (eine auch riesig am Berghang nördlich von Nikosia, so daß sie von dort jeder sehen kann), viele Atatürk-Denkmäler, auch auf Schulhöfen (zum Stil sag ich lieber nix), viele kleine und größe Militärstützpunkte. Die einzige offene Kirche, die ich fand, war eine anglikanische mit Erinnerungsstücken aus der britischen Kolonialzeit. Es soll noch irgendwo 3 orthodoxe Mönche geben, aber an der Hauptkirche von Kyrenia/Girne stand "Ikonenmuseum". (War aber zu.) Schilder nennen EU-Zahlungen für den Straßenbau. - Die normalen Leute freilich nicht anders als (fast) überall. Auch kein Streß mit Besuchern aus dem Süden. (Und in Famagusta leben Menschen, recht viele sogar.)
Kurz, wenn Türkei, EU und USA sich möglichst wenig einmischen, werden die Leute vor Ort schon klar kommen.
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Während ich schrieb kam Mikes Beitrag.
Das mit dem Osmanischen Reich ist unsachliche Polemik. So wurde auf eindeutig nicht-türkische Gebiete wirklich glaubhaft verzichtet. Allerdings trifft das auf Zypern (und Mossul) nicht zu. Und richtig, fast 50% im Norden sind Festlandstürken (incl. Kurden etc.).
Und - im abgelehnten Vertrag stand ein Interventionsrecht für die Türkei für 18 Jahre. (Da müßte ich jetzt wohl noch Angst vor den Russen haben, wenn das hier auch so geregelt worden wäre.)
@ Mike H.: Auch wenn der Staat auf die Dauer die Menschen prägt, sollte man unterscheiden. In der Türkei ist seit Atatürk das Militär die zentrale Säule des Staates, spielt bis heute u.a. die Normenkontrollfunktion wie das Bundesverfassungsgericht bei uns. Das scheint mir der Kern des Problems.