Constantius II. erster byzantinischer Kaiser?

Merowech

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Hallo,
in einem Numismatikartikel stand das Constantius II. als erster byzantinischer Kaiser gilt.
Ich finde das etwas verwunderlich. Ok, er war soviel ich weiß nur einmal in Rom und regierte von Konstantinopel aus, aber ihn als ersten Byzantiner zu bezeichnen finde ich etwas weit ausgeholt.
Was meint ihr?

Gruß
 
Warum gerade Constantius II. und nicht Konstantin I.? Schließlich hat er Konstantinopel gegründet und zur neuen Hauptstadt gemacht?

Aber im Ernst.
Ich sehe als Beginn des Byzantinischen Reiches die Teilung des Römischen Reiches im Jahre 395 an, auch wenn es Teilungen der Macht im Reich bereits lange vorher gab (z. B.Tetrarchie seit 293).
 
Ich finde das etwas verwunderlich. Ok, er war soviel ich weiß nur einmal in Rom und regierte von Konstantinopel aus, aber ihn als ersten Byzantiner zu bezeichnen finde ich etwas weit ausgeholt.

Ja, finde ich auch. Zumal man mit gleichem Recht auch z.B. schon Diokletian und später Galerius als "Byzantiner" sehen könnte, da sie als Tetrarchen die Osthälfte des Reiches beanspruchte. Wenn ich mich recht erinnere, setzt die heutige Forschung die tatsächliche Reichsteilung auch erst lange nach Theodosius an und will diesen noch nicht als ersten "byzantinischen" Kaiser sehen.
 
Wenn ich mich recht erinnere, setzt die heutige Forschung die tatsächliche Reichsteilung auch erst lange nach Theodosius an und will diesen noch nicht als ersten "byzantinischen" Kaiser sehen.

Dem würde ich mich anschließen. Erst bei Justinian kann ich mich dazu durchringen von einem byzantinischem Kaiser zu reden.

s.d.caes.
 
Warum gerade bei Justinian? Man könnte doch wohl eher sagen nach Justinian, denn Justinian selbst sprach noch Latein als Muttersprache und verfolgte noch aktiv die Idee eines Gesamtreiches mit seiner Ausdehnung nach Westen.
 
Sicher ist das byzantinische/oströmische Reich zur Zeit Justinians noch eher der Antike als dem Frühmittelalter zuzuordnen. Aber bereits gegen Ende seiner Regierung zeigte sich z.B., dass die Eroberungen im Westen nicht zu halten waren. (Kurz nach seinem Tod erobern die Langobarden Italien - dieses Jahr 568 gilt als ein mögliches für den Übergang von Antike zum Mittelalter, zumindest für den westlichen Mittelmeerraum)

Natürlich vollzog das byzantinische Reich den Übergang zum Mittelalter erst nach Justinian. Aber meiner Meinung nach ist seine ereignsreiche, lange Regierung ein guter Ansatzpunkt für die Bezeichnung des byzantinischen Begriffs. Nach Justinian kam entgültig der Übergang zum Mittelalter, der im frühen 7. Jahrhundert vollendet worden ist.

s.d.caes.
 
Ab wann wird Byzanz eigentlich in den Quellen als Byzanz und nicht mehr als Römisches Reich betitelt?
Die Byzantiner selber haben sich ja nie so genannt. Sie sahen sich immer noch als Römer.
 
1453 als die Stadt von den Osmanen erobert wurde und der letzte byzantinische Kaiser, Konstantin XI., starb.
 
1453 als die Stadt von den Osmanen erobert wurde und der letzte byzantinische Kaiser, Konstantin XI., starb.

Vorher wirklich gar nicht? Nannte sich das Reich wirklich bis zum Schluß "Imperium Romanorum"? Ich meine, schließlich gab es nach 600 auch eine Umbenennung beim Kaisertitel in "Basileios", weil die Griechen die Herrschaft dann übernahmen.
:grübel:
 
Hmmm...ich kann zwar nichts genaues darüber sagen, aber es ist durchaus denkbar, dass der byzantinische "Begriff" kein zeitgenössischer war.
Wir reden heute ja auch von einem "Weströmischen" und einem "Oströmischen" Reich, dabei wurde das Reich damals immer noch als Einheit, allerdings unter zwei Herrschern gesehen.

s.d.caes.
 
Nein, ich meinte, ab wann haben Nicht-Römer/-Byzantiner das Oströmische Reich als Byzanz betitelt.
 
Nein, ich meinte, ab wann haben Nicht-Römer/-Byzantiner das Oströmische Reich als Byzanz betitelt.
Darüber habe ich leider auch nicht viel gefunden - möglicherweise erst ab dem 19./20. Jh., denn:

Nach Wiki sieht das mit den Reichsbezeichnungen so aus:

Die Byzantiner – und die Griechen bis ins 19. Jahrhundert hinein – betrachteten und bezeichneten sich selbst als Römer (Pωμαίοι, Rhōmaíoi), das Wort Griechen (Έλληνες, Héllēnes) wurde fast nur für die vorchristlichen, heidnischen griechischen Kulturen und Staaten verwendet. Die heute üblichen Bezeichnungen Byzantiner und Byzantinisches Reich sind modernen Ursprungs. Zeitgenossen sprachen immer von der Βασιλεία των Pωμαίων (Basileía tōn Rhōmaíōn - dem Reich der Römer) oder der Pωμαική Αυτοκρατορία (Rhōmaik Autokratoría - der Römischen Selbstherrschaft, dem Römischen Kaiserreich). Nach ihrem Selbstverständnis waren sie nicht die Nachfolger des Römischen Reiches – sie waren das Römische Reich an sich.
http://de.wikipedia.org/wiki/Byzantinisches_Reich#Das_Wesen_von_Byzanz

Zu den Kaisertiteln:

Basileus– das griechische Wort für König schon in mykenischer Zeit (siehe Hauptartikel Basileus), bezeichnete zur Zeitenwende jeden König in den griechisch sprechenden Ländern des Römischen Reichs, zum Beispiel Herodes den Großen in Judäa. Der Begriff wurde auch auf die Herrscher Persiens angewandt. Kaiser Herakleios benutzte ihn 629, um den alten lateinischen Titel Augustus (gr. Sebastos) bzw. Imperator zu ersetzen - es wurde daraufhin das griechische Wort für Kaiser - darüber hinaus die Titel Autokrator (Selbstherrscher) und Kyrios (Herr).

http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%84mter_und_Titel_im_byzantinischen_Reich

Und, was ich bisher auch noch nicht wußte:

Byzantisches Reich ist eine moderne und daher anachronistische Bezeichnung für das oströmische Reich. Eine formelle Teilung des Römischen Reiches die im staatsrechtlichen Sinne zur Entstehung zweier neuer Staaten geführt hätte, fand niemals statt. Seit Valentinian I. und Valens, spätestens aber seit 395, Honorius und Arcadius, war die Herrschaft über das eine Römische Reich aber auf zwei Kaiser dauerhaft aufgeteilt. Da eine Wiedervereinigung der Herrschaft tatsächlich nicht mehr erfolgte, ist es angebracht für den Herrschaftsbereich der beiden Kaiser von einem west- bzw. oströmischen Reich zu sprechen. Von einer "Gründung" des oströmischen Reiches kann daher nicht gesprochen werden...
http://de.wikipedia.org/wiki/Portal:Tunesien/Exzellente_Artikel
:grübel:
 
Ab wann wird Byzanz eigentlich in den Quellen als Byzanz und nicht mehr als Römisches Reich betitelt?
Die Byzantiner selber haben sich ja nie so genannt. Sie sahen sich immer noch als Römer.
Die Frage nach den Quellen kann ich wegen fehlender Detailkenntnisse nicht beantworten.
Zur Forschung: Jochen Bleicken schreibt dazu: "Gerade in diesen Jahrzehnten (Beginn des 7. Jh. n. Chr.) ist das Ostreich auch innerlich neu geordnet worden. Der Kaiser Heraclius (610 - 641) hat hier besonders aktiv gewirkt. Mit Recht sprechen wir seitdem von Byzanz, nicht mehr von Ostrom.
Jochen Bleicken, Verfassungs- und Sozialgeschichte des Römischen Kaiserreiches Bd. 1.
Insgesamt plädiert Jochen Bleicken dafür, den Übergang von Antike zu Mittelalter im 7. Jh. anzusetzen, da neben der Verwandlung des Byzantinischen Reiches auch weitere wichtige Veränderungen den Mittelmeerraum treffen. Dazu gehört:
  • Die geographische Einheit des Reiches war wenigstens bis Justinian im Bewußtsein der Menschen vorhanden.
  • Die Stadt war bis in diese Zeit derjenige Faktor, der die politischen und kulturellen Kräfte der Gesellschaft umschließt. Die Stadt ist das Zentrum des politischen, kulturellen und religiösen Lebens.
  • Mit der islamischen Eroberung kommt ein gänzlich neuer Machtfaktor auf.
Vielleicht sollte man also mit Byzanz das Reich im Mittelalter bezeichnen (mal so als Vorschlag...) :grübel:
 
@Barbarossa: Ja, diese Wikipedia-Artikel hab ich mittlerweile auch gefunden :)

Sowieso eine seltsame Namensgebung. Konstantinopel wurde an dem selben Platz gebaut wie die alte griechische Stadt Byzantion.
Somit müsste Byzanz eigentlich Konstantinopelsches Reich, oder so, heißen :D
Wenn der Begriff Byzanz tatsächlich erst ab den jüngsten Jahrunderten verwendet wurde, dann würden mich die Gründe dafür interessieren.
Der Grund, dass das Oströmische Reich überhaupt mit einem anderen Namen belegt wurde, liegt wohl darin, dass man es in jüngster Zeit nicht mehr als Römisches Reich wahrnahm (obwohl anscheinend sowohl Einheimische, wie auch alle anderen Zeitgenossen Byzanzs immer noch als Römisches Reich ansahen und betitelten).
Und warum ausgerechnet der Name Byzanz?
 
Moin,
vielleicht sollte man diesen Thread in den "Byz. Reich"-Bereich verschieben?

Wie schon richtig erwähnt, war der Begriff "Byz. Reich" eine Neuschöpfung besonders zu der Zeit der Humanisten, der den Unterschied des antiken röm. Reiches, von dem MA röm. Reich verdeutlichen sollte. Ebenso gut hätte man auch das Röm. Reich seit Augustus Augustinisches Reich nennen können, um die Kaiserzeit von der Republik zu unterscheiden. Wie dem auch sei, die Wandlungen hin zum byz. Reich waren allmählich, so dass gelegentlich unterschiedlich der Beginn angesetzt wird, meistens mit einer Bezeichnung Oström. Reich als Übergang. Und Byzantion hat man wohl genommen, weil man den ursprünglichen griech. Ort nahm, statt die Wortneuschöpfungen Nova Roma oder Konstantinopolis. Genauere Kriterien weiß ich aber auch nicht, nur dass der Name unter anderem von DuCange eingeführt wurde:

"Byzantium is the name given to both the state and the culture of the Eastern Roman Empire in the middle ages. Both the state and the inhabitants always called themselves Roman, as did most of their neighbors. Western Europeans, who had their own Roman Empire called them Orientals or Greeks, and later following the example of the great French scholar DuCange, Byzantines after the former name of the Empire's capital city, Constantinople.

These names give witness to the composite nature of Byzantium. It was, without any doubt, the continuation of the Roman state, and until the seventh century, preserved the basic structures of Late Roman Mediterranean civic culture: - a large multi-ethnic Christian state, based on a network of urban centers, and defended by a mobile specialized army. After the Arab/Muslim conquest of Egypt and Syria, the nature of the state and culture was transformed. Byzantium became much more a Greek state [perhaps best seen in the emperor Heraklios' adoption of the Greek title Basileus], all the cities except Constantinople faded away to small fortified centers, and the military organization of the empire came to be based on a series of local armies. There is then a persistent ambiguity about the beginning of Byzantine history - between the building of Constantinople by Constantine I and the mid-7th century collapse of late antique urban culture. " usw. ....

http://www.fordham.edu/halsall/byzantium/

Hier kann man in dem Werk Du Cange selber seine Einträge nachlesen im Original:
http://www.uni-mannheim.de/mateo/camenaref/ducange/bd1/jpg/s0738.html

Hier noch was zur Entwicklung und Bezeichnung des Begriffes, bzw. der Byzantinistik:

"Da viele Erscheinungen des byzantinischen Lebens nur in Konstantinopel nachweisbar sind, ist von der gelehrten Nachwelt (von Gräzisten und Humanisten in Italien und Deutschland) mit Recht der antike Name dieser Stadt - Byzantion/Byzanz - zur Bezeichnung eines ganzen Reiches, einer ganzen Kultur geworden. Kein mittelalterlicher Staat war auf Dauer so eng mit einem Ort verbunden wie dieses Reich, vergleichbar nur mit dem alten Römischen Reich und seinem Mittelpunkt Rom, als dessen Nachfolger Byzanz sich betrachtete: to kratos ton Rhomaion - das Reich der Rhomäer. ..."
http://www.hist.uzh.ch/verwandtegebiete/byzantinistik.html


noch im Brockhaus von 1906 steht: "auch Oström., Morgenländ. oder Griech. Reich" was die relative Willkürlichkeit der Namensgebung veranschaulicht. Byz. Reich hat sich jedenfalls heute durchgesetzt.

Übrigens ging Konstantin sicher nicht von einer zukünftigen dauerhaften Teilung des röm. Reiches aus, sonst hätte er nicht Byzantion, Nicomedia, Troja und Chalcedon ins Auge für seine neue Hauptstadt ins Auge gefasst, sondern für eine rein östl. Hauptstadt Antiochia oder Alexandria.

Das Lex. des MA schreibt:
"Dabei stellen die Wörter »Byzanz« und »byzantinisch« von der Moderne geprägte Begriffe dar, die dazu dienen sollten, das röm. Reich des MA vom antiken röm. Reich abzuheben. Die Byzantiner selbst betrachteten sich als Römer und ihr Reich als »Romania«; der byz. Ks. führte vom 7. Jh. an den Titel des Basileus ('Herrscher der Rhomäer/Römer') und verstand sich damit als Erbe der röm. Imperatoren dank einer polit. und verfassungsmäßigen Tradition, die über Konstantin auf Augustus zurückreichte. Bei aller Treue zur röm. Tradition verstand es das B. R. jedoch, sich den polit., sozialen und ökonom. Wandlungen anzupassen, dank seinem fundamentalen Reservoir an Möglichkeiten zur Erneuerung."

Letztlich muss man sagen, dass auch das antike Röm. Reich viele Veränderungen durchlaufen hat, die man mit Begriffen unterteilen könnte, jedoch hat sich im Zuge des Klassizismus und Philhellenismus der Begriff Byz. Reich in den Vordergrund geschoben.

Übrigens wurden von den Zeitgenossen auch die osmanischen Herrscher nach der Eroberung Konstantinopels als römische Caesaren bezeichnet, bzw. anerkannt. Was heute verwundert, war damals einfach ein Wechsel eines Herrscherhauses, wie schon oft zuvor, ein Wechsel der Staatsreligion, wie schon bei Konstantin geschehen, ohne einen Wechsel der römischen universalen imperialen Kontinuität aus der Sicht etlicher Zeitgenossen. Aber dieses Thema hatten wir schon in einem anderen Thread.

Ciao und LG, lynxxx
 
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