der amerikanische bürgerkrieg, der viel von dem beinhaltete, was dann 1914-18 geschehen ist
Wikipedia schrieb:
Im technischen Sinn war der Krimkrieg aber der erste moderne Krieg der Weltgeschichte.
Was die technische Seite angeht, kann man Wikipedia nur sehr begrenzt zustimmen. Eine Vielzahl neuer Techniken spielte erst in Nordamerika im Krieg zwischen den Staaten 1861-1865 eine wirkliche Rolle.
So operierten hier erstmals fast alle dampfgetriebenen Kriegsschiffe mit Antrieb durch Schiffsschrauben, es gab die ersten mit Geschütztürmen. Im Krimkrieg wurden schwer gepanzerte sog. Schwimmende Batterien verwendet, die vor Ort geschleppt werden mussten, die ersten militärischen Einsätze von Panzerschiffen sah der Bürgerkrieg. Zwar nutzten die Russen in der Ostsee bereits im Krimkrieg Seeminen, aber die ersten ausgedehnten Minenfelder wurden erst von beiden Seiten im Civil War ausgelegt.
Es wurden erstmals in größerem Umfang Repetiergewehre mit Magazin (Spencer, Henry) und, in geringerem Umfang, Maschinengewehre (Coffee Mill Gun von Arger, Revolving Battery Gun von Gatling) verwendet. Bei der Artillerie wurde mit der Griffen
3-inch Ordnance Rifle erstmals in großem Umfang ein bei Einzelfeuer sehr genau schießendes Geschütz mit gezogenem Lauf eingesetzt. Im Krimkrieg wurde zum ersten Mal überwiegend indirekt geschossen. Explosivgeschosse waren hingegen schon lange Zeit im Einsatz.
Das Union Army Balloon Corps war die erste militärische Luftwaffeneinheit.
Auf beiden Seiten gab es erstmals eine professionell arbeitende Nachrichtentruppe, im Norden das Union Army Signal Corps, im Süden das CSA Signal Corps, die für die Nachrichtenübermittlung auf dem Gefechtsfeld und im allgemeinen taktischen Bereich zuständig waren. Dazu gab es im Norden das U.S. Military Telegraph Corps, in dem die privaten Telegraphenbetreiber zusammengefasst und der Kontrolle durch das Kriegsministerium unterstellt waren, für den strategischen und logistischen Einsatz.
Die rd. 10 km lange Bahn zur Versorgung der Belagerungstruppen als strategisch zu bezeichnen halte ich für eine schlichte Übertreibung. Es war eine rein taktische Einrichtung. Der Einsatz der Eisenbahnen durch beide Parteien im Civil War hatte dagegen einen wirklich strategischen Charakter, für den Truppenaufmarsch an anderen Fronten wie für die Versorgung. Und aus strategischen, nicht taktischen Gründen haben beide Seiten während des Krieges ihr Eisenbahnnetz massiv ausgebaut, insbesondere durch Verbindungsbahnen zwischen den verschiedenen, vor dem Krieg voneinander getrennten Linien.
Die Armeen, die aufeinander trafen, waren indessen völlig unterschiedlich in beiden Kriegen. Die französische Armee im Krimkrieg hatte schon einen halbwegs modernen Charakter, sowohl was die Offiziersausbildung als was die Behandlung der Soldaten anging. Die Türken konnten immerhin auf erste Auswirkungen des 1834 eingeführten preußischen Landwehrsystems bei der Truppenrekrutierung zurückgreifen. Im Übrigen aber herrschte wieder die alte Zeit, die während der napoleonischen Kriege einmal kurz unterbrochen war bis die Restauration einsetzte: Berufssoldaten (auch in Frankreich betrug die Dienstzeit 7 Jahre), Prügelstrafe, Offiziersstellen, die aufgrund von Nepotismus oder Kauf vergeben wurden statt nach einer soliden Ausbildung, mit, insbesondere bei den Engländern, katastrophalen militärischen Auswirkungen. Der „Todesritt von Balaklawa“ war ein solches, durch reinen Dilettantismus ausgelöstes Desaster, das den Einsatz der klassischen Kavallerie-Attacke noch nicht in Frage stellte. Vielmehr schickte man die Kavallerie in ein von Hügeln umgebenes Tal, und von diesen Hügeln herunter schoss die russische Artillerie die Briten zusammen.
In dem Krieg zwischen den Nord- und Südstaaten trafen a
uf beiden Seiten große Freiwilligen-Armeen, später Wehrpflichtigen-Armeen aufeinander. In der Union Army dienten rd. 2,1 Mio Soldaten, in der CS Army rund 1 Million. Die höheren Offiziere
auf beiden Seiten hatten in der Regel eine erstklassige Ausbildung (West Point, das auch ein Bauingenieurstudium umfasste – die Offiziere hatten maßgeblichen Anteil am Infrastrukturausbau im 19. Jhrt.).
Die Kriegführung war sehr beweglich, mit unterschiedlichen Schwerpunktbildungen an verschiedenen Fronten und entsprechenden strategischen Truppenverschiebungen. Dabei erfolgte aber bereits ein erst im 1. Weltkrieg wieder erreichter Stellungsausbau des Verteidigers, der seinen Höhepunkt in der Schlacht bei Petersburg fand. Ein konzentrierter Angriff auf eine solche ausgebaute Verteidigungslinie stellte sich in diesem Krieg schon bald als sinnlos heraus: Der Angriff Picketts in der Endphase von Gettysburg kostete seine Division 75% ihrer Stärke. Der Stellungskrieg auf der Krim vor Sewastopol war hingegen mehr oder weniger das bei einer Belagerung seit langer Zeit übliche.
Was die Wirtschaftsblockade zur See angeht, sind beide Kriege etwa gleich zu werten. Allerdings war die Blockade der Südstaaten durch die Union noch effektiver als die der Alliierten gegen Russland, wegen nicht möglicher Zulieferungen über Land in die Konföderation.
Wenn man das alles in der Gesamtschau wertet, dann kann man den Krieg zwischen den Staaten tatsächlich als den ersten modernen Krieg, modern in seiner Nähe zum und im Vergleich mit dem ersten Weltkrieg, werten. Dies gilt auch wenn man die verschiedenen taktischen Defizite und Fehler auf beiden Seiten und die fehlende geschlossene gesamtstrategische Ausrichtung der Konföderierten in Betracht zieht. Er war in jeder Hinsicht (strategisch, taktisch, im Einsatz technischer Mittel) moderner als der Krimkrieg. Was die soziologische Seite (gesellschaftliche Struktur der Truppen) betrifft, hat er eine gewisse Verwandtschaft auch zu der Endphase der napoleonischen Kriege, die aber dafür insbesondere in technischer Hinsicht noch weit zurückhängen.