Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Um es noch einmal etwas deutlicher zu formulieren: Wenn die Kalkrieseausgräber davon ausgehen, und das machen sie offensichtlich, dass sich bei Kalkriese die tatsächliche Varusschlacht ereignet hat, dann sollte sich demnach aus logischen Gesichtspunkten der eigentliche Grabtumulus, der durch die Quellenlage eine relativ hohe Existenzwahrscheinlichkeit hatte, in einer gewissen Nähe zu diesem Schlachtzentrum befunden haben. So müssten gerade hier, wo die Opferzahl während der Schlacht, und in Folge dessen auch die Anzahl der übrig gebliebenen Skelette sicherlich relativ hoch war, die Gebeine aufgesammelt und in den nahe liegenden Tumulus verbracht worden sein. Die Knochengruben ausgerechnet an diesem Ort machen dann keinen Sinn mehr. Gab es aber hier ein anderes Schlachtereignis bei dem gefallene Römer auch noch Jahre danach unbestattet herumlagen, so ist es wiederum möglich dass sie später, von wem auch immer, auf diese Art bestattet oder vielleicht auch nur entsorgt wurden.

Selbst wenn bei den Kalkrieser Tagen ebenso viele germanische wie römische Akteure das Schlachtgeschehen nachgestellt hätten, so konnten doch nicht wesentlich mehr germanische Krieger auf der schmalen Wallkrone stehen und kämpfen. In einer derartigen Schlachtsituation hätten sich die Kämpfer auf dem Wall, wenn sie dicht an dicht gestanden hätten, nur gegenseitig behindert und in ihrer Masse vorzügliche Zeile für römische Geschosse dargestellt. Hinter den Palisaden konnten sich die Germanen zwar verschanzen und die Römer mit Geschossen beschränkter Reichweite traktieren, aber die Römer besaßen durch ihre Schilde, die aneinander gehalten wie eine Mauer wirkten, eine ausgezeichnete Defensivwaffe um diese feindlichen Geschosse abzuwehren. Auch durch die Einhaltung eines gewissen Sicherheitsabstandes konnten sich die Römer einem Beschuss entziehen.
Ein effektiver und mit voller Mannschaftstärke vorgetragener Sturmangriff der Germanen von dem Wall herab oder über den Wall hinweg auf die römische Marschkolonne, war bei dieser Rekonstruktion des Walles aufgrund der Palisaden, die dann offensichtlich im Weg standen, nicht möglich. Dass die Durchlässe in den Wällen für einen massiv vorgetragenen Angriff eher ungeeignet waren schrieb ich bereits. Vom Wall herab konnten die Germanen nicht effektiv attackieren sondern nur reagieren. Meine Schlussfolgerung aus dieser Situation ist zwangsläufig, dass hier etwas verteidigt wurde oder werden sollte.

Für mich ist die Interpretation des Walles durch die Kalkrieser Archäologen eine recht naive Vorstellung von einem für einen Hinterhalt zweckmäßiges Bauwerk. Weitgehend unbestritten ist, dass die Germanen des Arminius den Römern unter Varus eine Falle gestellt haben. (Der Zeitzeuge Paterculus spricht in diesem Zusammenhang von einem Hinterhalt) Damit dieser Hinterhalt auch funktionieren konnte, mussten diejenigen (Varus mit seinen Legionen) die in diese Falle tappen sollten, bis zum letzten entscheidenden Moment im Unklaren über ihre sie bedrohende Situation gehalten werden. Hätten die Varuslegionen frühzeitig Wind von der sie letztendlich vernichtenden Sachlage bekommen, so hätte sich der Plan des Hinterhaltes schnell zerschlagen. Eine vorzeitige Entdeckung der Erdwälle durch die Römer hätte den Überraschungseffekt zunichte gemacht. Arminius war sicherlich ein glänzender Stratege, aber selbst er konnte nicht voraussehen ob diese Wälle von irgendwelchen römischen Vorauskommandos entdeckt werden würden. Weiterhin ist es unglaubhaft dass nach der ersten germanischen Attacke auf den Varuszug die Legionen weiterhin wie Schlachtvieh an dem Wall vorbei gezogen sein sollen, ohne koordiniert geeignete Truppen an den Wall geführt zu haben um dieses „Hindernis“ zu beseitigen. Varus mag ein wenig unbedarft gewesen sein, seine Heerführer waren es mit Sicherheit nicht.

Die Vorstellung, dass die Germanen in Kalkriese, oder genauer gesagt in dem bisher ausgegrabenen Bereich, fast ausschließlich mit römischen Waffen gekämpft haben sollen, widerstrebt mir genau so wie euch. Aber selbst bei intensivster Überlegung bietet sich mir keine andere plausiblere Lösung für dieses Phänomen an. (Wenn jemand einen anderen Vorschlag hat wie das fast ausschließliche Vorkommen römischer Funde einigermaßen schlüssig zu erklären ist: Bitte her damit.)

Wie sicherlich aus meinen Beiträgen klar erkennbar ist, bezweifele ich aus bereits vorgetragen und noch folgenden Gründen, dass die Varusschlacht bei Kalkriese stattgefunden hat. Das von den Archäologen vor Ort dargestellte und angebotene Szenario des zentralen Schlachtmittelpunktes in der Niewedder Senke ist bisher äußerst unlogisch dargestellt worden und es ist die Sache der Verfechter der Kalkriese- Varusschlachttheorie diese Ungereimtheiten befriedigend zu erklären. Sich zu diesem Zeitpunkt, wo noch zu viele Fragen eher gegenteilige Antworten zulassen, mit dieser Argumentation vorzuwagen und hier in der Niewedder Senke als den Ort der Varusschlacht postulieren, ist nach meinem Erachten in höchstem Maße unseriös und entbehrt in gewissem Sinne jeder wissenschaftlichen Grundlage.

Ich hoffe dass es bei der Androhung der Schließung dieses Themas bleibt. Nicht nur in diesem Forum schlagen die Emotionen hoch, wenn es um die Verortung der Varusschlacht geht. In den letzten vier Jahrhunderten wurden derart viele erbitterte Gefechte um den wahren Ort der Varusniederlage ausgetragen, dass die Varusschlacht selbst kaum heftiger gewesen sein kann. Aber wo sonst, wenn nicht in diesem neutralen Forum, sollte, jetzt wo dieses Ereignis kurz vor seinem zweitausendsten Jahrestag steht und wieder verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gelangt, die Diskussion intensiv weitergeführt und gegebenenfalls sachlich neu bewertet werden. Obwohl ich in meinen vergangenen Beiträgen auch nicht immer die Nettikette eingehalten habe (In dem Zusammenhang möchte ich betonen, dass es mir aufrichtig leid tut, dass mir meine beiden ehrlich errungenen roten Sterne genommen wurden.) geht es mir in erster Linie um die sachliche Aufarbeitung des Themas Varusschlacht und peripherer Ereignisse. Das hier auch persönliche Grabenkämpfe ausgetragen werden liegt vielleicht auch in der Natur der Sache begründet, allerdings sollte das kein Anlass sein die Diskussion an sich zu unterbinden. Vielleicht sollten sich alle Kombattanten, was die persönliche Note angeht, etwas zurücknehmen und sich im Olympischen Sinne auf die Sache selbst und auf den Austausch fachlich diskutierbarer Argumente beschränken.

Lieber Cato, bitte gebe mir belegte Beispiele für germanische Grenzwälle die um Christi Geburt erbaut wurden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Du vergisst, dass die Römer auf der Flucht waren.
Ein geordneter Angriff auf einen Fall ist somit nicht möglich.
Ein Atkionsraum zur Aufstellung ist kaum gegeben. Im Rücken Der Tross, vorne die Störung durch dir Germanen.
Schon mal eine Bewegungsschlacht nachgestellt? Seitlich sich schützen nach vorne weg Strecke machen. Das ist im Manöver schon schwer, erst recht nach langem Marsch, Vermischung der Truppenteile etc.
Im Strategikon gibt es hierzu mehrere Hinweise, wie ein Marsch zu erfolgen hat und es wird davor gewarnt dass sich die Truppenteile zu nah auf die Pelle rücken.
 
@maelo
Sehr guter Beitrag!

So müssten gerade hier, wo die Opferzahl während der Schlacht, und in Folge dessen auch die Anzahl der übrig gebliebenen Skelette sicherlich relativ hoch war, die Gebeine aufgesammelt und in den nahe liegenden Tumulus verbracht worden sein. Die Knochengruben ausgerechnet an diesem Ort machen dann keinen Sinn mehr.
Genau so ist es. Wenn es den Tumulus gegeben hat (auf einen „Erdhügel“ konnten wir uns nach langem K(r)ampf einigen), dann sind einzelne Knochengruben in seiner unmittelbaren Nähe nahezu auszuschließen. Oder andersherum: Wo einzelne Knochengruben auftreten, war kein Tumulus.

Sich zu diesem Zeitpunkt, wo noch zu viele Fragen eher gegenteilige Antworten zulassen, mit dieser Argumentation vorzuwagen und hier in der Niewedder Senke als den Ort der Varusschlacht postulieren, ist nach meinem Erachten in höchstem Maße unseriös und entbehrt in gewissem Sinne jeder wissenschaftlichen Grundlage.
Absolute Zustimmung meinerseits.


Lieber Cato, bitte gebe mir belegte Beispiele für germanische Grenzwälle die um Christi Geburt erbaut wurden.

Ich dachte an den sog. Angrivarierwall, der als eine Art Landwehr das Gebiet der Angrivarier gegen jenes der Cherusker absicherte.

Gruß Cato
 
Hallo Sascha,
die Einwände von maelo sind schon berechtigt.
Die Frage ist in der Tat wie kann sich eine Armee in eine solche kritische Lage bringen.
Selbst wenn Varus, der zweifelfrei auch militärische Erfahrung besaß, aus Überheblichkeit die Lage falsch einschätzte, so kann man doch unterstellen, dass in seinen Truppen erfahrene Militärstrategen vorhanden waren, die ihren Einfluss geltend gemacht hätten.

Eine Vorhut wird in jedem Fall vorhanden gewesen sein, bewegte man sich doch in unbekanntem Gelände. Unterstellen wir mal, dass diese Vorhut aus germanischen-Auxiliareinheiten bestand, wovon beinahe auszugehen ist, so können diese schon durch Fehlinformationen ein Heerzug an eine solche Engstelle heranführen. Dies würde aber bedeuten, dass Kalkriese noch in der Anfangsphase der Schlacht eine Rolle spielte, als Varus zu den germanischen Truppenteilen noch vertrauen hatte.
Mit einem ungeordneten Fluchtverhalten könnte man es allenfalls erklären, wenn wir uns hier in der Endphase der Schlacht befinden, in dem versprengten Truppenteilen der Weg verlegt wurde.

Unterstellen wir nun aber wir befinden uns in der Anfangsphase der Schlacht und Versetzen wir uns nun in die Lage des römischen Heers in der Situation Kalkriese.
Wir erreichen diesen Engpass, womöglich hat ihn ein Teil der Truppe schon passiert ohne die Wallanlage zu erkennen, plötzlich erfolgt ein Angriff mit Fernwaffen auf den im lockeren Verbund befindlichen Heereszug. Entsprechende Panik entsteht am Angriffspunkt und der Zug stoppt. Man versucht eine entsprechende defensive Verteidigungsposition zu beziehen und zieht sich aus dem Engpass zurück.

Militärstrategisch ergeben sich nun zwei Möglichkeiten, entweder man umgeht das Hindernis großräumig oder man versucht es aus dem Weg zu räumen.
Klammer wir mal die erste Möglichkeit wegen mangelnder Ortskenntnis aus, so wird der erfahrene Militärstratege versuchen den Wall und die Höhe dahinter (Kalkrieser Berg) zu nehmen und abzusichern. Während ein Teil der Truppe den Angreifer an der Wallanlage bindet, wird ein anderer Teil versuchen nach dem Prinzip des Zangenangriffs dem Gegner in den Rücken zu fallen.
Die sich nach der Befundlage darstellende Wallanlage wäre, auch wenn man noch so widrige Umstände berücksichtigt, kaum gegenüber 3 Legionen zu halten.

Meiner Meinung nach stellt Kalkriese, wenn es sich um ein Ereigniss der Varusschlacht handelt, auf keinen Fall die Anfangsphase, noch der Brennpunkt der Schlacht da. Somit wäre auch der mögliche Tumulus kaum in unmittelbarer Nähe zu Kalkriese zu suchen.

Gruß Jörg
 
Du vergisst, dass die Römer auf der Flucht waren.

Das Varusheer war auf der Flucht? Wo hast Du das denn gelesen? Laut den Quellen war Varus auf dem Weg in ein Aufstandsgebiet. Es ist nicht einmal sicher, dass er sich auf dem Rückweg zum Rhein befand. Wo bitte steht denn etwas von „Winterlager“ oder „Rückweg“ in Bezug auf Varus?
Ein Atkionsraum zur Aufstellung ist kaum gegeben. Im Rücken Der Tross, vorne die Störung durch dir Germanen.
Der Tross wurde gewöhnlich in die Mitte genommen.
Wenn Du eine Beschreibung lesen möchtest, wie ein römisches Heer samt Tross eine Engstelle unter Feindkontakt passierte, so kann ich Dir die Beschreibung der Schlacht an den pontes longi durch Tacitus empfehlen. (Annalen I, 63.)
In dieser ausführlichen Schilderung wird deutlich, dass reine Kampfeinheiten eine Engstelle gewaltsam passieren konnten. Das Problem war der schwerfällige Tross, der gegen Angriffe in die Flanke gesichert werden musste.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Flucht ist spätestens dann, wenn man seine Wagen und Material verbrennt.
Der Zeitpunkt ist in der Literatur gegeben.
Der Tross in der Mitte einer Linie wird unweigerlich zum Stopppunkt für alles, was dahinter folgt. Bei einem breitem Angriff Links oder Rechts zur Zugrichtung sollte man sich schon was einfallen lassen, diesen Tross zu schützen, umso schwerer ist dies, wenn die Breite des Geländes durch Hindernisse beschränkt ist.
Dies ist anscheinend der Fall durch unwegsames Gelände (Moor) und durch einen Wall.
Also entweder Tross in die Länge ziehen und seitlich Truppen aufstellen oder verbrennen, um nicht zu viele Truppen gebunden zu haben und die Flucht zu beschleunigen, das Problem schneidet Cato auch an...
Meiner Meinung ist gerade der Witz bei der Sache, dass es keine ausgefeilten Sperren bedarf (sprich sehr hohen Wall), um den Gegner unter Druck zu setzen.
Wo jetzt der Wall , am Anfang oder in der Mitte, der vermuteten Schlacht liegt, will ich gar nicht entscheiden, aber wichtig ist, denke ich zu berücksichtigen, dass selbst leichte Hindernisse, in diversen Situationen ausreichen könnten.
 
Wenn ich keine "Klar Schiff-Meldung" bekomme? Varus muss so dumm gewesen sein, wenn überhaupt,, nur Germanen als Späher zu schicken. Vermutlich haben die erzählt "Alles Paletti" und sind dann "unauffällig stiften gegangen".
Das klingt zwar zuerst merkwürdig, betrachtet man aber die Zusammensetzung bspw. der Vorhut des Germanicus in dem hier angesprochenen Folgegefecht zur Beerdigungsaktion so ist dies nicht wirklich überraschend. Da ist die Reiter von der Reiterei (alae, also Fremdtruppen wie die Bataver welche Germanen sind, Treverer oder Thraker) und Hilfstruppen (cohortes, welche ebenfalls Hilfstruppen sind).
Blicken wir einige Jahrzehnte zurück, finden wir bei Caesar öfter sogenannte exploratores, also Kundschafter, welche recht offensichtlich aus den Hilfstruppenvölkern gezogen wurden. In Caesars Fall waren es in Gallien meistens Gallier. Jetzt stellt sich die Frage: "wie dumm muß man sein?" Aber diese antiken Völkerschaften kannten keinen inneren Zusammenhalt. Eine Loyalität wegen einer abstrakten Kulturverwandtschaft kam ihnen sicherlich nicht in den Sinn. Gleiches darf für die Zeit des Varus gelten und gleiches gilt bis heute.
In Vietnam waren die ortskundigen Führer Vietnamesen, im Irak stellen die Iraker einen großen Teil der Sicherheitstruppen auch bei Einsätzen gegen aufständische Iraker usw. usf.

Und wie gesagt, Varus ist ja nicht der einzige Fall der (römischen) Geschichte. Immer wieder begingen und begehen Kommandeure den Fehler, blind loszumarschieren oder zu -schlagen. Vom Trasimenischen See über Little Big Horn bis hin zu Kursk. Manchmal sogar wieder besseres wissen.

Was nun die anschließende Diskussion angeht.
Es wird dargestellt, dass die römische Armee mit ihrer Disziplin, Erfahrung und Ausrüstung sehr wohl in der Lage gewesen sei, einen so "kleinen" Wall zu stürmen.
Ich denke, das berücksichtigt wirklich nicht die Lage in der sich die Varusarmee befand.
Wenn sie wirklich die Chance gehabt hätte, die Artillerie an den benötigten Ort zu bringen und ggf. aufzubauen (falls wir hier nicht von stets einsatzbereiten carroballistae reden) und sich zu einem geordneten Angriff aufzustellen, warum soll sie sich dann generell nicht gegen germanische Angreifer verteidigen können? Aus dem Marsch in die Schlachtformation überzugehen ist eine der regulären Übungen römischer Einheiten (etwa von Caesar bei der Nervierschlacht demonstriert, als dieser, übrigens nahezu blind und durch Verrat, in eine Falle der Nervier tappte). Und auch Caecina dürfte dann doch keine Probleme bekommen haben.
Tatsache ist also, dass der lang auseinandergezogene Zug der Soldaten eben nicht die Möglichkeit bietet, schnell und flexibel zu reagieren und das Panik selbst bei Erwartung von Feindkontakt (s.o. zitierten Kampf der Germanicusvorhut) ausbrechen kann.

Wie gesagt, wir wissen zu wenig vom realen Ablauf. Von der Hand zu weisen sind verschiedene Theorien aber eben nicht rundweg.
Rundweg von der Hand zu weisen ist allerdings die Darstellung der römischen Armee als Supermacht. Die Römer haben viele Schlachten verloren, nicht wenige gerade gegen dahergelaufene Strauchdiebe (um es mal salopp zu sagen). Nur die Kriege, die haben sie in der Regel gewonnen.

Lojer, deine Gedanken haben etwas für sich. Sollten die Römer sich wirklich zurückziehen, würden sie eventuell passierte Truppen damit isolieren, während bei dem auflaufenden Zug Verwirrung entsteht und ein Chaos ausbricht (man kann sich das in etwa so vorstellen, als würde im zähflüssigen Verkehr vor einem plötzlich einer den Rückwärtsgang einlegen und einfach fahren). Auch dies könnte sicherlich eine Ambition zu solch einer Anlage gewesen sein.
Dies könnte auch zum Beginn der Schlacht passen, wobei der "Beginn" ohnehin ebenfalls die Frage aufwirft, wie sieht der aus. War es wirklich ein lokaler Angriff oder wurden die Truppen an mehreren Stellen angegriffen? Separierte man bewußt einzelne Abteilungen? Dann würden auch die fähigen Offiziere nicht mehr durchkommen.
Theorie über Theorien, und wir werden es nie erfahren, denn es gibt keine Quellen dazu.

Feldbefestigung als Rückzugsorte empfinde ich aber wie gesagt keineswegs unlogisch. Fraglich an der Theorie ist natürlich das Fehlen von Toren und Durchgängen, wenn es sie denn wirklich nicht gibt (ich muß gestehen, dass ich bis auf einen groben Überblick mir den Wall nie genau angesehen habe).
 
Zuletzt bearbeitet:
In der Wall Reko in Kalrkriese sind zwei Durchgänge.
Ein größerer wo ein Reiter durchpasst, (Einer!) nach oben offen, der andere kleiner, überbrückt, wo nur Fußgänger wegen der Breite durchgehen können.
Wenn das so einigermaßen mit den Funden übereinstimmt?!?

So ein Wall hat großen taktischen Wert.
Nach Clausewitz und seiner punktuellen Überlegenheit der Zahl, wird es dem vor dem Wall unmöglich gemacht die Überlegenheit, außerhalb der Reichweite des Gegners, zusammenzustellen und dann geordnet gegen diesen Wall vorzugehen.
Während die Seite des Wallbesitzer seine Kräfte ungefährdet sammeln kann und durch die Tore ausfällt und seineÜberlgenheit ausspielen kann.

Im Flavius Josephus wird beschrieben wie oft die Juden in Jerusalem erfolgreich Ausfälle auf die Belagerungsmaschinen unternehmen, welche durch Flechtwerk etc. geschützt sind.
Ungleich schwieriger wird es sein so ein Gerät in Stellung zu bringen unter direkter Feindeinwirkung ohne Schutz, wenn sich das Gerät auf einem Wagen befindet der eventuell einige hundert Meter entfernt im Tross steht und nicht einmal wenden kann ,weil er damit den größten Stau verursacht.
Nebenbei gesagt ist die Strecke welche die Juden zurücklegen mussten sicherlich größer als die Zwischen dem kleinen Wall und Angegriffenen.
 
Hallo Tib. Gabinius
Natürlich sind die von mir aufgestellten Thesen reine Spekulationen. Aber gerade das Abtrennen von Truppenteilen ergibt einen Sinn, um diese dann gezielt zu vernichten. Wir müssen bedenken, dass Arminius bis in die letzte Einzelheit mit der Militärtaktik der Römer vertraut war. Wir wissen dass er bei Varus ein und aus ging und können davon ausgehen, dass er eine sehr hohe Position im Militärstab einnahm. Die militärtaktische Reaktion auf bestimmte Aktionen und die hierfür notwendigen Zeiten konnte Arminius sehr gut kalkulieren. Es ist ziemlich sicher, dass Arminius in keiner seiner Attacken einen offenen Schlagabtausch gesucht haben wird, in der sich eine römische Formation bilden konnte.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Befundlage in Kalkriese sehr großen Spielraum für Spekulationen lässt. Nicht nur für die dortigen Ausgräber, sondern insbesondere für uns als Außenstehende. Zu berücksichtigen ist, dass in Kalkriese bisher nur ein Bruchteil ergraben und prospektiert wurde, weiterhin fehlen uns in der Diskussion speziell die wichtigen Einzelbefunde, die einsprechende Spekulationen eingrenzen. Die uns bekannten Fundorte wie z.B. der der Reitermaske oder des Maultiers und der Knochengruben lassen nur wenige Rückschlüsse auf die damaligen Geschehnisse zu. Von Bedeutung sind die einzelnen Fundzusammenhänge, d.h. z.B. wo und wie viele Schleuderbleie wurden gefunden? In wie weit wurden die Hänge des Kalkrieser-Bergs prospektiert und was wurde dort als Kleinteile gefunden? Wie sieht die genaue Befundlage westlich, wie östlich von Kalkriese aus?
Nur in Zusammenhang dieser Einzelbefunde, die sich uns als Außenstehende nicht erschließt, ergibt sich in der Gesamtheit nach und nach ein Bild, das Rückschlüsse zulässt.
Ein großes Manko der Archäologie ist, dass man eben als Außenstehender nur einen groben und nicht aktuellen Überblick über die vor Ort vorhandene Befundlage bekommt. Veröffentlichungen hinken oft Jahre hinterher.

Gruß Jörg
 
Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Befundlage in Kalkriese sehr großen Spielraum für Spekulationen lässt. Nicht nur für die dortigen Ausgräber, sondern insbesondere für uns als Außenstehende. Zu berücksichtigen ist, dass in Kalkriese bisher nur ein Bruchteil ergraben und prospektiert wurde, weiterhin fehlen uns in der Diskussion speziell die wichtigen Einzelbefunde, die einsprechende Spekulationen eingrenzen. Die uns bekannten Fundorte wie z.B. der der Reitermaske oder des Maultiers und der Knochengruben lassen nur wenige Rückschlüsse auf die damaligen Geschehnisse zu. Von Bedeutung sind die einzelnen Fundzusammenhänge, d.h. z.B. wo und wie viele Schleuderbleie wurden gefunden? In wie weit wurden die Hänge des Kalkrieser-Bergs prospektiert und was wurde dort als Kleinteile gefunden? Wie sieht die genaue Befundlage westlich, wie östlich von Kalkriese aus?
Nur in Zusammenhang dieser Einzelbefunde, die sich uns als Außenstehende nicht erschließt, ergibt sich in der Gesamtheit nach und nach ein Bild, das Rückschlüsse zulässt.
Ein großes Manko der Archäologie ist, dass man eben als Außenstehender nur einen groben und nicht aktuellen Überblick über die vor Ort vorhandene Befundlage bekommt. Veröffentlichungen hinken oft Jahre hinterher.
Gruß Jörg


Hallo Lojoer,

diesen Vorwurf an die Kalkrieser Forscher kann man nur bedingt richten. Ich wohne nicht allzu weit entfernt von Kalkriese bzw. Osnabrück und habe seit Schlüters Zeiten (1992) die meisten Vorträge zu dem Thema besucht. Auf diesen Veranstaltungen werden nicht nur aktuelle Erkenntnisse wiedergegeben, sondern auch Fragen aus dem Publikum beantwortet, lange bevor die sehr teuren Veröffentlichungen (bislang drei) erscheinen. Meine Zweifel an der Theorie traten recht spät auf, in den Jahren 2001 bis 2002, als die Grabungsbefunde, die in den Vorträgen genannt wurden, immer widersprüchlicher wurden und immer neue Fragen aufwarfen. Übrigens: Es gibt dort auch Wissenschaftler, die im Anschluss an den offiziellen Teil, im kleinen Kreis, weniger dogmatisch über die Sache sprechen.
 
In der Niewedder-Senke, unmittelbar am Wall, d.h. dort wo der Fundniederschlag am größten ist, wurden zahlreiche Objekte entdeckt, die einem Tross zugerechnet werden können (Beschläge von Wagen, Truhen, Kisten, sogar Teile eines Bettgestells).
Derartige Gegenstände dürften allerdings im fortgeschrittenen Stadium der Varusschlacht nur von geringer Bedeutung gewesen sein (ich stelle mir gerade vor, wie die römischen Reenctors in Kalkriese den germanischen Wall mit Bettgestellen attackieren….)

Gänzlich außerhalb meines Vorstellungsvermögens liegt es jedoch, falls die Filmsequenz auf youtube annähernd der Realität entsprechen sollte, wie der Wall in Richtung der Römer einstürzen und ein Maultier begraben konnte.

Fragen über Fragen…
Gruß Cato
 
Hallo Leute,

es sollte keineswegs der Eindruck entstehen, dass ausschließlich Varus und Caecina als Kandidaten für das Schlachtfeld von Kalkriese in Frage kommen.

Unter anderem kann diese Möglichkeit in Betracht kommen:

Als im Jahre 9 n.Chr. der Aufstand im rechtsrheinischen Germanien ausbrach („bello variano“), befand sich auch L.Asprenas mit zwei Legionen in dieser Region. Es ist zwar überliefert, dass er seine Truppen aus der Katastrophe retten konnte, doch wer kann mit Sicherheit ausschließen, dass er nicht ebenfalls in Kampfhandlungen verstrickt wurde, z.B. in Kalkriese. Die Überreste seiner wenigen Gefallenen könnten später durch Germanicus recht unspektakulär in Knochengruben vergraben worden sein, ohne dass Tacitus dieses für erwähnenswert hielt.
Denn dass ein römisches Heer die Kalkriese-Niewedder-Senke passierte und keineswegs darin vernichtet wurde, bestätigt auch der „Kalkrieser“ Dr. Moosbauer.
Vielleicht ist Asprenas, nach der Kunde von der Niederlage des Varus, mit seinen zwei Legionen Richtung Rhein geflüchtet und im Engpass von Kalkriese kräftig „durchgebürstet“ worden.

Vell. Paterculus (II,120,2):
„Hier soll nun auch L. Asprenas mit Fug und Recht Erwähnung finden. Er war Legat unter seinem Onkel Varus gewesen und hatte durch sein tapferes, mannhaftes Verhalten das aus zwei Legionen bestehende Heer, das er befehligte, unversehrt aus der großen Katastrophe gerettet. Und in dem er in Eilmärschen in die Winterquartiere Germaniens zog, bestärkte er die diesseits des Rheines wohnenden Völker, die schon schwankend geworden waren, in ihrer Treue.“

Gruß
Cato
 
PS: Es gibt natürlich noch weitere Möglichkeiten. Vielleicht sollte man dafür aber einen eigenen thread eröffnen.

Salvete Cato
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Vielleicht ist Asprenas, nach der Kunde von der Niederlage des Varus, mit seinen zwei Legionen Richtung Rhein geflüchtet und im Engpass von Kalkriese kräftig „durchgebürstet“ worden.

Das ist aber auch kaum mit dem Quellenwortlaut in Einklang zu bringen:

Vell. Paterculus (II,120,2):
„Hier soll nun auch L. Asprenas mit Fug und Recht Erwähnung finden. Er war Legat unter seinem Onkel Varus gewesen und hatte durch sein tapferes, mannhaftes Verhalten das aus zwei Legionen bestehende Heer, das er befehligte, unversehrt aus der großen Katastrophe gerettet. Und in dem er in Eilmärschen in die Winterquartiere Germaniens zog, bestärkte er die diesseits des Rheines wohnenden Völker, die schon schwankend geworden waren, in ihrer Treue.“
 
Hallo Cato
In der Niewedder-Senke, unmittelbar am Wall, d.h. dort wo der Fundniederschlag am größten ist, wurden zahlreiche Objekte entdeckt, die einem Tross zugerechnet werden können (Beschläge von Wagen, Truhen, Kisten, sogar Teile eines Bettgestells).
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Gruß Cato
Das dort der bisherige Fundniederschlag am größten ist kann man nicht bestreiten, jedoch wurde dort auch am intensivsten gegraben.
Wenn der Wall wirklich angegriffen wurde, müssten sich hinter dem Wall jedoch auch Schleuderbleie oder ähnliche Bestandteile von Fernwaffen auffinden lassen. Und davon habe ich bisher nichts gehört.
Wo wurden die 3 Schleuderbleie des Tony Clunn überhaupt konkret gefunden. Lagen sie zusammen (Verlust) oder verstreut?
In wie weit wurden die Hänge des Bergs überhaupt prospektiert?
Das Cato meinte ich mit Interpretation von Fundzusammenhängen.

Nennung von Einzelfunden ist ja ganz lustig, bringt jedoch effektiv garnichts.
Meine Frage: Gibt es entsprechende Veröffentlichungen von Kalkriese bei denen Angaben über Fundorte von Fundstücken gemacht wurden, die man in entsprechenden Bezug setzen kann?
Gruß Jörg
 
Das ist aber auch kaum mit dem Quellenwortlaut in Einklang zu bringen:


Aus quellenkritischer Sicht ist anzumerken, dass die eigenen Verluste von römischen Chronisten gerne geschönt werden. So schreibt Tacitus zur Schlacht von Idistaviso: Uns hat der Kampf kein Blut gekostet. Dieses wörtlich zu nehmen, würde bedeuten, dass kein Römer in dem Gefecht starb. Du wirst zugeben, dass das sehr unwahrscheinlich ist. Propaganda funktionierte auch damals schon. Siege, die wir heute als unentschieden bewerten würden, wurden als Siege gefeiert. Die Zahl der gefallenenen Feinde wurde erhöht, die eigenen Verluste verringert bzw. negiert.
Gruß Cato
 
Hallo Cato

Das dort der bisherige Fundniederschlag am größten ist kann man nicht bestreiten, jedoch wurde dort auch am intensivsten gegraben.
Wenn der Wall wirklich angegriffen wurde, müssten sich hinter dem Wall jedoch auch Schleuderbleie oder ähnliche Bestandteile von Fernwaffen auffinden lassen. Und davon habe ich bisher nichts gehört.
Wo wurden die 3 Schleuderbleie des Tony Clunn überhaupt konkret gefunden. Lagen sie zusammen (Verlust) oder verstreut?
In wie weit wurden die Hänge des Bergs überhaupt prospektiert?
Das Cato meinte ich mit Interpretation von Fundzusammenhängen.

Nennung von Einzelfunden ist ja ganz lustig, bringt jedoch effektiv garnichts.
Meine Frage: Gibt es entsprechende Veröffentlichungen von Kalkriese bei denen Angaben über Fundorte von Fundstücken gemacht wurden, die man in entsprechenden Bezug setzen kann?
Gruß Jörg

Wie erwähnt, es gab und gibt zahlreiche Vorträge in und um Kalkriese, auf denen ausführlich informiert wird. Außerdem gibt es eine ganze Flut an Veröffentlichungen, auch mit Fundangaben aus den jeweiligen Jahren (schicke ich Dir als PN).
Es ist keineswegs so, dass nur am Wall gesucht wurde. Die Prospektionen richteten sich in den neunziger Jahren vorwiegend nach Osten. Als man dort nur unwesentlich fündig wurde, richtete man das Interesse nach Westen. Aber nirgends ist ein auch nur ähnlicher Fundniederschlag aufgetreten, wie in der Kalkrieser-Niewedder-Senke. Das gesamte Gebiet (10 km in beide Richtungen) ist das am intensivsten mit Metallsonden abgesuchte Terrain in Deutschland. Man hat wirklich jedes Sandkorn umgedreht. Auch der Luftbildarchäologe Braasch hat Unmengen an Kerosin über Kaklkriese verbrannt, ohne irgendeine auffällige Spur zu entdecken.
Tut mir Leid, aber auf etwas Neues zu warten, dürfte mittlerweile hoffnungslos sein.
Gruß Cato

PS: Zum Thema kann man sich auch auf der Seite des "Freundeskreis Archäologie in Niedersachsen" informieren.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Aus quellenkritischer Sicht ist anzumerken, dass die eigenen Verluste von römischen Chronisten gerne geschönt werden.

Gleichwohl läßt sich ein "unversehrt" nicht ohne weitere Anhaltspunkte zu einem "kräftig durchgebürstet" umkehren. Einem Kalkriese=Varusschlacht-Verfechter würdest Du eine solche Interpretation nicht unwidersprochen durchgehen lassen, stimmt's?
 
Gleichwohl läßt sich ein "unversehrt" nicht ohne weitere Anhaltspunkte zu einem "kräftig durchgebürstet" umkehren. Einem Kalkriese=Varusschlacht-Verfechter würdest Du eine solche Interpretation nicht unwidersprochen durchgehen lassen, stimmt's?

Selbstverständlich nicht! :)
Vielleicht war "kräftig durchgebürstet" zu salopp formuliert.
Der Durchbruch eines römischen Heeres durch den Engpass von Kalkriese, unter eigenen geringen Verlusten, könnte als Erfolg gewertet worden sein. In Relation zum Varusdesaster träfe es auch zu. "Unversehrt" würde ich allerdings nicht wörtlich nehmen.

Als Varus und 3/5 des germanischen Heeres vernichtet wurden, brach im ganzen Land ein Aufstand aus. In dessen Verlauf wurden sämtliche militärischen und zivilen römischen Standorte rechts des Rheins fluchtartig geräumt oder von den Germanen erstürmt (mit Ausnahme von Aliso). In ihrer Flucht zum Rhein werden zahlreiche Römer in Kampfhandlungen verwickelt worden sein. Ich halte es für möglich, dass auch Asprenas mit den zwei verbliebenen Legionen in Bedrängnis geriet, sich jedoch erfolgreich durchsetzen konnte.



Aber auch hier gilt leider: Für Varus ein Museum, für Asprenas eine Hinweistafel!
 
"Unversehrt" würde ich allerdings nicht wörtlich nehmen.

Mit gleichem Recht könnte man auch das Gerede vom "tapferen, mannhaften Verhalten" nicht wörtlich nehmen. Dann wäre Asprenas lediglich schlau genug gewesen, riskanten Zusammenstößen aus dem Weg zu gehen.

Deiner Argumentation entnehme ich bislang lediglich, daß Du genau das "nicht wörtlich nimmst", was nicht in die von Dir vorgeschlagene These paßt. Was ich vermisse, sind Anhaltspunkte, die für Deine Interpretation sprechen.
 
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