Das mit der "gewaltsamen Christianisierung" ist ein schiefes Bild.
Ich habe überlegt, wie man es gerade rücken könnte und bin fündig geworden bei Lutz E. von Padberg, Christianisierung im Mittelalter, Darmstadt 2006, darin zu Norwegen S. 106-110.
... dass die Christianisierung unter der Hand bereits viel früher eingesetzt hatte, als die Schriftquellen glauben machen wollen, und zwar durchaus friedlich...
Sicher gab es Menschen, die sich früh aus freien Stücken der neuen Religion zuwandten. Mit der Religions
politik kann man auch bei Harald Schönhaar ansetzen, der "seinen Sohn Hákon nach England an den Hof König Æthelstans (schickte), um ihm eine christliche Erziehung angedeihen zu lassen" (S. 107), und eben bei Harald Aðalsteinfóstri, der sich als erster "um die Durchsetzung des Christentums in Norwegen bemühte, dieses Ziel aber nicht erreichte" (ebd.)
Die Christianisierung setzte bei den Häuptlingen an; denn deren Gefolgschaft wurde mit ihnen automatisch Christen und folgten dem Häuptling auch beim Empfang der Taufe. Auch das war friedlich.
Das mag durchaus vorgekommen sein, gibt dem Vorgang insgesamt aber nicht das Gepräge. Padberg beschreibt die Sache vielmehr "als eine lange sich hinziehende Konfrontation von Heidentum und Christentum" und stellt das in einen krassen Gegensatz zum "friedlichen Religionswechsel" in Island etwa. - Das Stichwort "automatisch" hat seinen eigenen Reiz, dem nachzugehen hier aber nicht der Platz ist.
Hinzu kommt, dass der Staat im Mittelalter Gefolgschaftsstaat war. Die Macht des Königs beruhte auf seiner Gefolgschaft, die durch einen Treueid an den König gebunden war. Ein Heide konnte aber keinen rechtlich wirksamen Treueid (auf die Bibel) schwören. Kurzum, der Heide wurde somit zu einer Art potentieller Hochverräter.
Ein sehr gutes Beispiel! In moderne Terminologie übersetzt: Den Heiden wurden bestimmte (staats-)bürgerliche Rechte aberkannt, sie wurden in einen minderen rechtlichen Status zurückgeworfen und politisch unter Generalverdacht gestellt. Insoweit besteht eine hohe Affinität zur Behandlung der Juden.
Zur Christianisierung gehörte insbesondere die weitverbreitete Praxis, die heidnischen Kulte nicht nur zu behindern, sondern buchstäblich zu zerschlagen, wie auch Padberg (S. 109) berichtet: Vernichtung der Kultgegenstände, Verwüstung von Kultstätten usw.
Es ist schlicht Unsinn, zu glauben, zur damaligen Zeit habe man die Menschen mit Feuer und Schwert in den Himmel treiben wollen. Auf die Idee kam man erst in der Inquisition.
König Olafs Missionsmethode bestand darin, dass er die Führer des Landes neben der Predigt durch mancherlei Versprechungen zum Religionswechsel zu bewegen versuchte oder aber, wenn er damit nicht zum Ziel kam, Zwang auf sie ausübte. ... [Dem Eyvind Backenspalter] wurden Geschenke und reiche Lehen angeboten. Eyvind blieb standhaft bei seinem Glauben, selbst als der König die Gangart verschärfte und zur Folterung überging. Er befahl "ein Handbecken mit glühenden Kohlen zu füllen und es auf Eyvinds Bauch zu setzen, der bald auseinander platzte". Sterbend verweigerte Eyvind erneut die Taufe ... (S. 108)
Damit hatte er seinen Platz im Himmel wohl endgültig verwirkt.