Als erster Gedankeneinstieg: Worin liegt der Unterschied zwischen L’État, c’est moi und dem Selbstbildnis als erstem Diener des Staates?
Diese Frage ist ein Lieblingsprojekt ganzer Lehrergenerationen.
Ich würde die Unterschiede zwischen dem Aufgeklärten Absolutismus a`´la Prusse und dem Louis XIV. nicht überbewerten. Vor alllem sollte man bedenken, dass der Preußenkönig im Alter etwa dem von Louis XV., dem Urenkel des Sonnenkönigs stand. Louis Ausspruch L´etat ce mois" ist historisch nicht verbürgt. Vor allem hatte Louis auch gute Gründe, den zu seiner Jugendzeit noch frondierenden Adel an die Kandare zu legen. In Frankreich war der Hof das Medium der Sozialdisziplinierung, in Preußen das Offizierskorps. Die Mechanismen von Macht und Herrschaft aber, sind ziemlich genau die gleichen. Ein erster Diener des Staates zu sein, diesen Anspruch hätte auch der Sonnenkönig geltend machen können, denn auch er war ein fleißiger Arbeiter in Regierungsangelegenheiten. Louis wäre nicht auf die Idee gekommen, die Folter abzuschaffen, doch gegen Banditen konnte sie weiterhin angewendet werden, und die brutale Militärgerichtsbarkeit wurde vom Üreußenkönig niemals angetastet. Die Vorstellung, dass auch ein König sich an die Gesetze halten müsse, war eher theoretisch. Beide Monarchen haben herzlich oft Recht und Gesetz gebeugt.
Vom Preußenkönig gibt es eine schöne Legende, die Geschichte vom Müller Arnold, der dank dem Kammergericht in Berlin seine Mühle behaupten durfte. Tatsächlich war der Müller im Unrecht, und als der Preußenkönig hinnüber war, hat das Gericht den Fall schleunigst ad acta gelegt. Preußen war durchaus ein Rechtsstaat, das war aber auch Frankreich. Apologeten von Preußens großem Friedrich, von Joseph II. und Katherina II. mögen einwenden, dass der aufgeklärte Absolutismus diesen Territorien die Notwendigkeit einer Revolution erspart habe, und in Preußen/ Deutschland Revolutionen immer scheiterten und Reformen von oben durchgeführt wurden. Spätestens mit Napoleon zeigte sich, dass das nicht ganz stimmte.
Die Reformen des aufgeklärten Absolutismus nach dem Motto "alles für das Volk, nichts durch das Volk" fielen im Grunde genommen, zumal auf dem Land äußerst spärlich aus, und Friedrich II. oder Katherina II. aus der Ferne zu bewundern, war bedeutend leichter, als unter ihrer Fuchtel leben zu müssen. Was die beiden irgendwie sympathisch macht, dass sie beide sich absolut keine Ilusionen machten. Der Preußenkönig gab unumwunden zu, dass er den 1. Schlesischen Krieg nur vom Zaun gebrochen habe, um der "Gloire" willen. Katherina schrieb zynisch an Diderot, dass die Intellektuellen trefflich auf Papier streiten könnten, ihre Gesetze aber seien auf menschliche Haut geschrieben. In ihrem späteren Alter ließ sie rigoros die Pressezensur verschärfen, und den Leibeigenen ging es unter Katherina ebenso schlecht wie unter Peter I. Dieser Monarch und Autokrat war jähzornig und brutal, doch sein Ideal waren mündige, selbstbewusste Mitarbeiter und Untertanen. Er schätzte gelegentlich offenen Widerspruch und beförderte fähige Leute unabhängig von Herkommen oder Rasse, was durchaus sehr modern anmutete.
Grüße aus dem Exil sendet der User Scorpio!
Viel Spaß übrigens noch bei dem Projekt.