jschmidt
Aktives Mitglied
Eine ebenso naheliegende wie berechtigte Frage! Zwei sicher unbefriedigende (und hinter Megatrend und rena8 zurückfallende) Antworten:Daher ein Einwurf: Lässt sich über diese Frage überhaupt rational sprechen? ...
1. Wenn ich eine wissenschaftliche Arbeit zu schreiben hätte, so wäre es nach den Regeln der Kunst notwendig, zentrale Begriffe zu definieren. In diesem Forum, so gut und spannend darin oft diskutiert wird (und so positiv es sich von anderen auch insoweit unterscheidet), ist das nicht durchzuhalten. Also nehme ich bis bis zu einer gewissen Grenze in Kauf, an anderen vorbeizuschreiben in der - oft sich erfüllenden - Hoffnung, dass ich trotzdem etwas dabei lerne. (Wird jene Grenze überschritten, hake ich das Thema halt ab.)
2. Die hier angedeutete, auch durch das Medium bedingte Problematik zeigt sich in religiös-weltanschaulichen bzw. ethischen Fragen besonders deutlich; siehe die Beispiele aus den letzten Tagen. Es gibt mehrere Möglichkeiten, mit dem Dilemma umzugehen; hier zwei davon:
a) "Radikale Subjektivität", d. h. ich stelle dar, wie ich persönlich einen bestimmten Sachverhalt sehe/erlebe, wobei ich keinen Anspruch erhebe, dass jemand anders das genau so sieht/erlebt;
b) Beschränkung auf die pure Beschreibung, d. h. ich versuche einen Sachverhalt mit den mir am neutralsten erscheinenden Begriffen wiederzugeben unter Verzicht auf jede Wertung und jegliche überschießende Bedeutung.
3. Das fände ich hochinteressant und einen eigenen Thread wert, wobei ich etwas skeptisch bin hinsichtlich der Erfolgschancen (siehe auch den - durchaus lehrreichen! - Thread http://www.geschichtsforum.de/f72/ist-wissenschaft-23959/).Leider bin ich zu wenig bewandert in Wittgenstein, aber ich meine, er hätte dieses Problem im tractatus behandelt: "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen." Ludwig Wittgenstein - Tractatus logico-philosophicus
Vielleicht gibt es hier jemanden, der diese Spur aufnehmen und detaillierter erörtern kann? Es würde mich freuen!
Ich versuche, das unter 2. Gesagte umzusetzen:Ich habe den Eindruck, dass Religion etwas mit dem Blick nach oben zu tun hat. Damals war der Himmel noch Rabenschwarz und man konnte die Sterne im wahrsten Sinne des Wortes funkeln sehen. ...
Ist aber nur so von mir angedacht. Liegt auch daran, dass ich schon als Kind immer gerne in die Sterne geschaut habe und bis heute von ihnen fasziniert bin.
4. Von dem, was Du hier schreibst, kann ich praktisch jedes Wort bestätigen! Das Gefühl, das sich dabei einstellte, war eigentlich gar nicht zu beschreiben, es war sozusagen ein "ozeanisches". Man muss zwar nicht religiös sein, um es zu empfinden, aber für sehr viele Menschen ist eine solche Verbindung gegeben.
5. Das entspricht auch den Erkenntnissen jenes Teil der Religionswissenschaft, der sich mit Hierophanien im weitesten Sinne beschäftigt, d. h. mit Gegenständen/Sachverhalten, in denen sich für Menschen Sakrales/Transzendentales manifestiert.
Ein Beispiel dafür ist Mircea Eliade mit seinem Buch Die Religionen und das Heilige. Elemente der Religionsgeschichte. Er untersucht darin grundlegende religiöse Phänomene, die sich auf verschiedenen kosmischen Ebenen offenbaren. Den "Himmel über uns" stellt Eliade ganz an den Anfang, weil eben "das einfache Anschauen des Himmelsgewölbes [...] im urtümlichen Bewußtsein ein religiöses Erlebnis" errege, und zwar auch "in allerprimitivsten Kulturen".
Aber - und jetzt wird es unübersichtlich - es gibt noch zahllose andere Phänomene, die zum Auslöser religiöser Gefühle werden können: Sonne und Mond, ein Baum, eine Quelle, ein Stein, ein Tier, ein Symbol, ein Mythos usw. Was zur Frage führt: Akzeptiere ich das so oder nehme ich, aus eigenen Antrieb oder im Auftrag einer anderen Instanz, eine Bewertung vor?