Da bereits einige Hilfestellungen gegeben wurden, möchte ich mich an der Stelle darauf beschränken, einige zusätzliche Anmerkungen loszuwerden.
Guter Punkt, der vielleicht noch etwas ausgebaut werden könnte, indem man sich die Art und Weise anschaut wie Armut im Mittelalter im betrachtet wurde, und die Verbindung zwischen Armehilfe und Seelenheil. So weit ich weiß, wurde die Armut im Mittelalter nicht als "verächtlich" betrachtet, sondern war ein Übel, welches durch die generelle existenzielle Unsicherheit der Lebensbedingungen der breiteren Bevölkerung eigentlich jeden befallen konnte. Eine solche Armut, ohne eigenes Verschulden, wurde mit dem Übelstand der Menschheit seit dem Sündenfall verglichen, und war einer der Aspekte des menschlichen Daseins. Anders als in späteren protestantischen Traditionen, die sehr salopp gesagt Armut mit Sünde gleichsetzen, ergäbe sich damit im Zusammenhang mit dem Gebot der Nächstenliebe ein Rahmen für die christliche Armenhilfe. Und bei den Franziskanern ist Armut auch eine der Grundbedingungen des Ordens, und eine Tugend die mit der Nächstenliebe verbunden wird.
Dem möchte ich grundsätzlich beipflichten, wiewohl ich doch die Sinne noch ein wenig dahingehend schärfen würde, zwischen der Armut bestimmter Schichten und dem Armutsideal in den christlichen Ordensgemeinschaften - hier wären neben den Franziskanern auch noch die Dominikaner (sie waren z.B. grundsätzlich zu Fuß unterwegs etc.; ihr striktes Armutsprinzip wurde 1218 ausdrücklich vom Papst bekräftigt) zu nennen, wiewohl das grundsätzliche Armutsideal bei nahezu allen Mönchsorden und sogar bei den Ritterorden galt (wenn auch nicht so strikt wie bspw. bei Franziskanern und Dominikanern) - zu differenzieren. Es macht nämlich schon einen Unterschied, ob man einfach - quasi per Geburt - zu "den Armen" gehört oder ob man durch den - nicht selten auch selbst gewählten - Eintritt in eine Ordensgemeinschaft das mit diesem Eintritt verbundene Armutsideal zu befolgen hat.
Hier kannst Du auch nachschauen:
ALMOSEN - Lexikon der christlichen Moral
NCHSTENLIEBE - Lexikon der christlichen Moral
Achtung! Es ist eine Verlinkung auf ein theologisches Lexikon; in dem Fall aber vllt. zulässig, da das europäische MA christlich geprägt war.
Zunächst grundsätzlich: Wenn mit Verlinkung ausdrücklich auf die weltanschauliche "Schlagseite" hingewiesen wird, ist es generell weniger bedenklich als wenn dies kommentarlos erfolgt oder gar noch ein derartiger verlinkter Text als "hochinteressante Sichtweise" o. dgl. angepriesen wird o.ä.
Im konkreten Fall störe ich mich auch weniger an der Verlinkung dieser theologischen Inhalte, sondern vielmehr daran, daß ich Bedenken hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit habe. Es handelt sich nämlich um theologische Sichtweisen und Inhalte des 20. Jh., mithin also der Moderne - und damit eben nicht unbedingt um solche, wie sie auf das europäische Mittelalter stets 1:1 anwendbar wären. Es ist nämlich - gerade auch auf dem Gebiet der Moraltheologie - keineswegs so, daß die Inhalte derart statisch wären, daß sie sich nicht im Laufe der Kirchengeschichte (die sich immerhin über einige Jahrhunderte erstreckt) geändert hätten.
ein Aspekt der Armut im Mittelalter ist auch die Pflege von Kranken: damals gab es noch keine Krankenversicherung; und Krankheit war ein Risiko, in Armut zu verfallen, wenn die Krankheit eine Erwerbstätigkeit verunmöglichte und dann noch zusätzlich Pflegekosten verursachte.
Ein Beispiel hierzu ist das Hôtel-Dieu in Beaune (Burgund, Frankreich). Es wurde im Spätmittelalter gegründet und war bis in die Neuzeit (1971) als Hospital in Betrieb. Seither ist ein Teil davon Museum, der andere Teil Altersheim:
Hôtel-Dieu de Beaune ? Wikipedia
Auch gab es damals damals kein Altersrentensystem wie heute: die Alten und gleichzeitig Gebrechlichen mussten von ihren Ersparnissen leben (insofern sie diese noch hatten, d.h. weder verprasst noch gestohlen) oder waren auf die Unterstützung ihrer Nachkommen (insofern sie solche hatten und diese Unterstützung boten) angewiesen. Wer im heutigen Rentenalter von ca. 65 noch arbeitsfähig war und keine oder zuwenig Ersparnisse hatte, arbeitete einfach weiter, so lange es ging oder nötig war.
Auch hier kein grundsätzlicher Widerspruch meinerseits, aber eine notwendige Ergänzung dazu...
Das Beispiel
Beaune darf nicht verallgemeinert werden und ist insofern gesondert zu betrachten, als daß dessen Entstehung eng mit den Nachwirkungen des Hundertjährigen Krieges (Armut und Verelendung als Kriegsfolge, und dies zudem infolge eines Krieges, der wiederum singulär zu betrachten ist) zusammenhängt.
Ebenso müssen wir dabei im Hinterkopf haben, daß das 15. Jh. (ausgehendes Spätmittelalter) keineswegs eine Zeit war, in welcher es mehr Hospitalsstiftungen gegeben hätte als in den Jahrhunderten zuvor: Hospitalsgründungen bzw. -stiftungen hatte es bereits seit dem Frühmittelalter gegeben, und im Hochmittelalter lag für das 11. bis 13. Jh. eine diesbezügliche Aufschwungphase in Verbindung mit den Orientkreuzzügen; als Beispiel sind hier die Hospitalsorden unter den Ritterorden zu nennen (allen voran die Johanniter). An diesen ist übrigens der genannte Aspekt der Krankenpflege und -versorgung in Wechselwirkung mit Absicherung gegen Armut auch weitaus deutlicher zu erkennen: die Finanzierung erfolgte gerade während des Mittelalters hauptsächlich über Eigenwirtschaft der Ordensgüter, v.a. aber auch über Spenden, Schenkungen u. dgl. sowie die Kommutation, so daß Krankenpflege und -versorgung
de facto ein "Geldverbrennungsgeschäft" war (was bspw. den Johanniterorden in den 1160er Jahren bereits auf Grund suboptimalen Wirtschaftens in Finanznot gebracht hatte), wiewohl man sich - quasi im Gegenzug - aus Dankbarkeit wiederum Spenden, Schenkungen u. dgl. erhoffte.