"Die Wiedergeburt Deutschlands muss eine Frucht des Meeres sein!"
Ich habe nach dem Flugblatt gesucht und gefunden, dass es sich wahrscheinlich um den Ausriß aus einem Buch handelt, welches 1845 unter dem Akronym "H. v. O." publiziert wurde [1]. Darin wird die Parole ausgegeben: "Die maritime Wiedergeburt des deutschen Volkes ist eine der wichtigsten Angelegenheiten des Jahrhunderts, nicht blos für Deutschland selbst, sondern auch für die Geschicke der ganzen Welt [sic]." Die Wiedergeburt aber werde "niemals von unsern Schulen und unserm Wissen ausgehn, sondern von unsrer Kraft, sie wird eine Frucht des Meeres sein, oder niemals erfolgen. Erst seit 2 Jahrhunderten haben wir den Ocean verlassen und sehen was seitdem aus uns geworden ist [...]".
Das mit den Schulen war natürlich "sammlungstaktisch" verfehlt, denn postwendend erschienen Repliken wie diese: Die Behauptung sei unhaltbar, sie "huldigt dem Materialismus völliig und versieht es an der absoluten Thatsache, dass die immateriellen Interessen das Übergewicht haben mussen..." [2]
Vorangegangen war, wie schon erwähnt, des schwäbischen Herweghs großes Flottengedicht mit Versen wie
Das Meer wird uns vom Herzen spülen
Den letzten Rost der Tyrannei.
Sein Hauch die Ketten wehn entzwei
Und unsere Wunden kühlen.
Oh laßt den Sturm in euren Locken wühlen,
Um frei wie Sturm und Wetter euch zu fühlen;
Das Meer, das Meer macht frei!" [3}
Vor 1840 freilich war "der Flottengedanke selbst in den Seestädten unpopulär", und "die Hamburger Zeitungen (hatten) fast nur Hohn und Spott dafür" [4].
Von den bewilligten Geldern für die Flotte, von 6 Millionen Thaler durch die Frankfurter Nationalversammlung, übernahm Preußen die 1. Rate von 1 Million.
Valentin gibt an, dass Preußen nach dem Hamburger "Marinekongreß" vom 31.7.1848 sechs Kanonenboote bestellte und 500000 Taler dafür auswarf. Eine genauere Vorstellung zu den Kosten für eine "richtige" Flotte hatte niemand. Gleichwohl wurde schon vorher überall Geld gesammelt; "an die Frauen und Jungfrauen wurden Aufrufe gerichtet, entbehrliches Gold und Silber zu opfern. ... Fast jede Sitzung der Nationalversammlung begann mit der Mitteilung der Eingänge für die deutsche Flotte." In Frankfurt selbst waren bis Ende Juli 1848 "nur 27751 Gulden zusammengekommen, 'also so viel, als die Mannschaft eines Linienschiffes in vier Wochen für Schiffszwieback und geräuchertes Fleisch braucht'", wie der Verfasser eines kritischen Pamphlets spottete.
Die Sache mit den 6 Millionen scheiterte im Übrigen an der unbeantworteten Frage: "wo aber war das Exekutivorgan an der Zentrale, das diese Gelder sachgemäß und verantwortlich verwaltete?"
[1] Die Nothwendigkeit deutscher Kolonien und Kriegsflotten. Leipzig 1845; Zitate S. 1 und S. 53.
[2] Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik 18 (1846), S. 55.
[3] zitiert aus Valentin, Geschichte der deutschen Revolution 1848-1849. Liz. Frankfurt 1977, Band 1, S. 268.
[4] aaO, Band 2, S. 25; die nächsten Zitate S. 26, 27