Liebe Mitdiskutanten,
habt ihr eigentlich gemerkt, dass hier vom Zeitraum
1848 bis 1989 die Rede ist? Das Nebeneinanderbestehen von BRD und DDR ist also nur ein kurzer Zeitraum innerhalb des Themas. Vielleicht sollte man den Fragesteller doch erst einmal aufklären, was so die gaaanz grobe Abfolge der Ereignisse war. Die angegebenen Jahreszahlen haben dann zwar mit Deutschland zu tun; der verheerende Nationalismus des 19. Jhd. ist aber kein isoliert deutsches Phänomen gewesen, sondern eher europäischer mainstream.
Lieber Fragesteller,
ich würde mich insofern erstmal mit der Situation Europas nach Napoleon, der
Paulskirche und was in den Jahrzehnten danach in Deutschland geschehen ist, befassen. Bei den Geschehnissen um die Paulskirche ging es gerade um das gemeinsame Finden eines deutschen Nationalgefühls, wobei das Konzept des "Deutschen" primär ein sprachliches war. Dieses Nationalgefühl wendete sich gegen Kleinstaaterei und Fremdherrschaft. Das Staatsempfinden hat sich von dem Konzept der Zusammengehörigkeit der Untertanen eines Herrschers hin zur Zusammengehörigkeit von Menschen auf Grund ihrer kulturellen und sprachlichen Identität verändert, wodurch die Herrscher von legitimen Herren zu Funktionsträgern wurden.
Diese Entwicklung fand eine staatliche Form durch die Gründung des II. Deutschen Reiches 1871. Hier hatte sich nicht eine vom Volk ausgehende republikanische Denkweise durchgesetzt, sondern die militärische Vormacht Preußens, das seinen König als Deutschen Kaiser in der Reichsverfassung verankerte und seinen Militarismus auf das ganze Deutsche Reich erstreckte (Kaiser Wilhelm, Bismarck als Reichskanzler "der eiserne Kanzler" und Moltke als militärischer Anführer).
In Folge des unter Kaiser Wilhelm II. verlorenen I. Weltkrieges wurde das Deutsche Reich 1919 zur Republik, hieß zwar noch Deutsches Reich, wird aber gemeinhin nur als "Weimarer Republik" bezeichnet. In der nun beginnenden Zeit (ab 1919) funktionierte das Regieren nicht allzu gut. Das Deutsche Reich wurde durch unbezahlbare Reparationsforderungen und dann auch noch die Weltwirtschaftskrise von 1923 zermürbt. Die Menschen erlebten so das erste Jahrzehnt in der Demokratie als wirtschaftlich katastrophal und den Staat als ziemlich machtlos.
Darauf folgte dann das III. Reich (Adolf Hitler), der das pluralistische System der Weimarer Republik durch eine Diktatur ersetzte, dann der II. Weltkrieg unter Hitler. Auch dieser Krieg wurde verloren (1945).
Danach kam die Besatzungszeit mit Besatzung in zunächst vier Zonen, aus denen dann BRD (hervorgegangen aus den drei West-Zonen (Besatzung durch GB, USA, F)) und DDR (sowjetisch besetzte Zone) wurde und damit die Deutsche Teilung.
BRD und DDR sind also nach 1945 aus den Besatzungszonen hervorgegangen. Dies war ein Abbild der Aufteilung der europäisch geprägten Teile der Welt in einen von den USA abhängigen Westen (kapitalistisch oder marktwirtschaftlich) und einen von der Sowjetunion abhängigen Osten (sozialistisch oder planwirtschaftlich). Die DDR brach 1989 weitgehend zusammen, während in der Sowjetuion Michail Gorbatschow grundlegende Freiheiten einführte und das Ende der brutalen Diktatur der Kommunistischen Partei der Sowjetuion einläutete. Deshalb war es 1989/1990 möglich, dass die DDR die Diktatur der SED beseitigte und der BRD beitrat, womit die deutsche Teilung endete. Dies erforderte aber auch die Zustimmung der vier Allierten des II. Weltkrieges (GB, F, USA, UdSSR), da diese bisdahin die Oberhoheit über Deutschland für sich beanspruchten.
Unter den Besatzungs-Regimes wurde in Deutschland eine Umerziehung der Bevölkerung eingeleitet, in der deutsch-nationale Vorstellungen geächtet wurden. Wie einer der Vorredner schon angemerkt hat, ist die extreme Form der Ablehnung eines eigenen Nationalgefühls nach der Wende und womöglich besonders durch die Fußball-WM der Herren 2006 in Deutschland abgemildert worden.
Interessant für Deine Aufgabenstellung wird sicherlich sein, welche unterschiedlichen Arten/Motive von Nationalgefühl sich in diesem Ablauf finden, Z.B.
- Einigkeit der Deutschsprachler und Befreiung von Willkürherrschaft und französischer Vorherrschaft,
- Treue zum Kaiser, Gehorsam, Hackenschlagen
- Auflehnung gegen unbezahlbare Reparationsforderungen, Ruhrbesetzung
- Treue zum "Führer", Glaube an die von der NSDAP vorgegebenen Feindbilder,
- Auflehnung gegen die Besatzungsmächte
- Umerziehung zu Pazifismus und Ablehnung des Nationalismus
- Frontstellung BRD-DDR, Treue zum jeweiligen Bündnis
-- in der DDR, Wunsch nach Anschluss an die Freiheiten und den Wohlstand in der BRD
-- in der BRD gemischte Gefühle über den Anschluss der DDR, Unsicherheit über die wirtschaftlichen Folgen für den Einzelnen durch neue Konkurrenten auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt
- Wiederfinden einer sprachlich und kulturell begründeten Identität
- Schulterschluss beim Fussball während der WM 2006
Ich denke, hier kann man schon von einem Wechselbad der Gefühle sprechen, sowie von legitimen und weniger legitimen Komponenten eines Nationalgefühls.