Dertosa, Entscheidungsschlacht des 2. Punische Kriegs

"Das antike Heer xy konnte nicht auf dem angenommenen Weg von A nach B kommen, weil die überlieferte Zahl der Soldaten unmöglich in der zur Verfügung stehenden Zeit eine Engstelle auf der Route passieren konnte"


Dazu müssen wir natürlich genau wissen, welchen Weg die Soldaten genommen haben und ob die naturräumlichen Bedingungen noch die gleichen sind wie im zu untersuchenden Zeitraum.

Ob wir beides immer so genau anhand der Quellen sagen können, halte ich doch für arg zweifelhaft.

Dein Beispiel Germanien:
Wie bewaldet war Germanien vor 2000 Jahren wirklich? Wie versumpft? Damit die Simulation Sinn macht, braucht man da wirklich genaue Ergebnisse. Wie genau wissen wir das?
 
Also "x + 2 = y. Errechne x und y!"? Wie soll das gehen?

Na das ist doch schon mal mehr als nix :yes:

Wir wissen jetzt zumindest schonmal, daß y-x=2 ist. Jetzt simulieren wir verschiedene Paare von x und y und beobachten wie sich das Gesamtsystem verhält. Anhand der Ergebnisse können wir sinnvolle Grenzen für x und y bestimmen. Und schon ist unsere Formel einen Schritt besser geworden.

Simulationen machen schon Sinn. Die Meisten haben nur falsche Erwartungen an Simulationssysteme für wirtschaftliche oder soziale Systeme. Je schlechter die Eingangsdaten, desto weniger kann Simulation allerdings leisten. Mit Computerspielen hat das aber auch herzlich wenig zu tun.
 
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Dazu müssen wir natürlich genau wissen, welchen Weg die Soldaten genommen haben und ob die naturräumlichen Bedingungen noch die gleichen sind wie im zu untersuchenden Zeitraum.

Ob wir beides immer so genau anhand der Quellen sagen können, halte ich doch für arg zweifelhaft.

Dein Beispiel Germanien:
Wie bewaldet war Germanien vor 2000 Jahren wirklich? Wie versumpft? Damit die Simulation Sinn macht, braucht man da wirklich genaue Ergebnisse. Wie genau wissen wir das?

Das ist richtig. Es kann aber ebenso sein, dass die Simulation selbst für günstigste topographische Verhältnisse ein negatives Ergebnis liefert.
Dann kann ich ziemlich verlässlich sagen, dass Teile der Überlieferung definitiv falsch sind, sofern ich der Berechnung vertraue.
Wenn ich der Überlieferung aber mehr vertraue, dann stimmt möglicherweise etwas an der Berechnung nicht, also an unserem bisherigen Verständnis der Dinge. So oder so besteht die Möglichkeit neuer Schlussfolgerungen. Es ist also das selbe Spiel wie zwischen den archäologischen Funden und dem historischen Befund.
Letztendlich kann es unser Verständnis vergangener Abläufe erweitern.

Die Stärke Computer gestützter Simulationen ist aber definitiv das Abbilden komplexer Strukturen. Das darf man nicht unterschätzen. Kein noch so intelligenter Mensch schafft es ein fiktives römisches Wirtschaftssystem durchzurechnen.

Gruss
jchatt
 
Mit Computerspielen hat das aber auch herzlich wenig zu tun.

Das ist es aber letztlich, worauf die Idee von Udo zu basieren scheint: Jede Waffengattung bekommt Angriffs- und Verteidigungswerte und auf dieser Basis lassen "wir" das System laufen. Das entspricht in etwa der Idee von strategischen Computerspielen und zwar sowohl rundenbasierten, als auch Echtzeit (obgleich schon der Amiga-Klassiker North and South das Zufallsmoment kannte, das sehr viel kompliziertere Age of Empires dagegen kannte es nicht, bei aktuellen Spielen habe ich keine Kenntnisse). Wie gesagt, die Faktoren Mensch, Schicksal (Zufall, Glück, Pech), Wetter etc. werden dabei ausgeklammmert und sie entziehen sich auch jeder mathematischen Beschreibarkeit. Vgl. Chaostheorie.

Warum plötzlich einige argumentativ bei Wirtschaftssimulationen sind (was wieder was völlig anderes ist, als den "Kampfwert" der verschiedenen punischen und römischen (deren jeweilige Verbündete immer mit eingedenk) Waffengattungen berechnen zu wollen) ist nur schwer nachvollziehbar.
 
Warum plötzlich einige argumentativ bei Wirtschaftssimulationen sind ist nur schwer nachvollziehbar.

Ich hatte System Dynamics, was meist als Wirtschaftssimulation genutzt wird, nur als Beispiel genannt, daß Simulationen auch in schlecht operationaliserbaren Systemen durchaus zu einem Erkenntisgewinn führen können, auch wenn die Ergebnisse selbst unbrauchbar sind; also keine Spielerei sind.

Sorry, wenn ich hier vom Thema abgelenkt hatte. Mir war bis zu den letzten Posts nicht klar, daß man das Ganze rein militärisch betrachten will. Ich halte das für vergebene Liebesmüh, weil der punische Krieg eher nicht mit Legionen gewonnen wurde. :nono:

Oder umgekehrt gesagt: Wenn die Schlacht von Dertosa entscheidend gewesen wäre, dann hätte sie nie stattgefunden, weil dann nach Cannae schon Alles vorbei gewesen wäre. Zumindest würde ein gutes Simulationsmodell wohl genau das ausspucken ;)
 
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Ich halte militärische Simulationen für sinnvoll, aber hier nicht für tragfähig. Ich glaube nicht, daß der Mangel an Input das einzige Problem einer solchen Simulation wäre. Selbst wenn man viele/alle militärischen Daten hätte, bliebe hier in besonderem Maße das Problem der menschlichen Psyche.

Nehmen wir mal ein unendlich viel besser dokumentiertes, ausgiebig diskutiertes und untersuchtes, wichtiges, dabei überschaubares Ereignis, die Schlacht am Little Bighorn 1876, General Custers berühmte Niederlage. Man hat Schilderungen der Ereignisse beider Seiten, tonnenweise Schriftverkehr aller Art, Vernehmungen, Grabmarkierungen, archäologische Untersuchungen, die teilweise die Bewegungen von Individuen auf dem Schlachtfeld nachzuvollziehen erlauben. Trotzdem bliebe die Schlacht irgendwie ein Mysterium, wenn man nicht unvorhersehbare menschliche Einflüsse einberechnete, die hier fundamental wirkten. Für einen Kampf in den Plains-Indianerkriegen war die Schlacht ungewöhnlich wegen der Entschlossenheit, mit der die Lakota und Cheyenne kämpften. Kaum jemand hätte bei einer Simulation anhand bisheriger Daten zum Ergebnis der Schlacht kommen können. Selbst wenn man die Entschlossenheit irgendwie mathematisierte, wäre das Ergebnis einer Berechnung so zufällig, daß man auch gleich sagen könnte: es könnte so ausgehen oder so.

Auf Dertosa gewendet, deren Folgen vor allem psychologisch wichtig gewesen wären: es hätte so oder so auf die Bundesgenossen wirken können. Das hat keinen besonders großen Erkenntniswert.
 
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Komplexität von Simulationen

Simulationen des Pentagon versuchen auch menschliche Faktoren und chaotisches Verhalten in ihre Berechnungen mit einzubeziehen. Das ist hochkomplex und erfordert mathematische Spezialisten. In Brett- und Computerspielen vereinfacht man zugunsten der Spielbarkeit und weist einer Truppe (nicht einem einzelnen Soldaten) einen Moralwert zu. In bestimmten Situationen wird dann eine Truppe einem Moralcheck unterworfen. Besteht diese den Check nicht wird ihr Verhalten chaotisch oder sie läuft davon.
Auch Topographie von Schlachtfeldern wird in Simulationen berücksichtigt. Beispielsweise verringert unebenes Gelände die Effektivität von Kavallerie, eine Phalanx Formation hat in unebenem Gelände eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Formation nicht einhalten kann usw.

Im Falle von Dertosa habe ich es mir mangels ausreichender Daten einfacher gemacht. Ich habe einfach angenommen, das Hasdrubals Plan funktioniert und danach auf den Erfahrungswerten der Schlacht von Cannae einen ähnlichen Verlauf der Schlacht angenommen, die dann zur einer vollständigen Eliminierung der Römischen Armee führt. Wenn die Schlacht immer wieder mathematisch durch simuliert würde bekäme man einen Prozentsatz von Schlachten, welche die Römer gewinnen, und einen solchen für die Karthagische Seite. Nur ein geringer Prozentsatz hätte wohl eine totale Vernichtung zur Folge.
Ich wollte aber gerade die Folgen einer solchen totalen Vernichtung diskutieren bzw. dass Dertosa eben nicht zur Vernichtung der Römer führte, hat womöglich den Krieg zugunsten der Römer entschieden.

Danach habe ich nur eine wesentliche Annahme gemacht: Die Römer müssen jetzt Hasdrubals Armee irgendwie kontern, ob in Spanien oder in Italien. Dazu muss eine Armee genommen werden, welche dieser Aufgabe gewachsen ist. Aber deren Abzug reißt eine Lücke, welche andere negative Folgen für die Römer hat. Das halte ich ohne Berechnungen anzustellen für ein sehr wahrscheinliches Modell.

Ob das aber reicht, um das römische Bündnissystem entscheidend zu schwächen, kann man mit unserem vorhandenen Wissen nicht bestimmen.

Eine Aussage kann man aber machen: Es gibt eine Folge für die römische Seite schlechter Ereignisse, die zu einem solchen Bruch führen würde. Nur wieviel dazu nötig wäre, entzieht sich unseren Wissen.
Eine Simulation würde hierfür ebenfalls ein mathematisches Verfahren entwickeln. Die Frage ist aber ob wir genug wissen, um hier verlässliche Parameter zu bekommen.
 
Ich wollte aber gerade die Folgen einer solchen totalen Vernichtung diskutieren bzw. dass Dertosa eben nicht zur Vernichtung der Römer führte, hat womöglich den Krieg zugunsten der Römer entschieden.
abgesehen davon, dass gründliche "totale Vernichtungen" nun wirklich recht wenig Spielraum für Diskussionen lassen, ist dieser Satz in sich schon unlogisch: dass die Schlacht bei Hastings nicht zur Vernichtung der Normannen führte, hat womöglich zum Erfolg Wilhelms des Eroberers beigetragen :winke::D - an diesem Beispiel (eine Art Ersetzungsprobe) dürfte das deutlich werden.
 
Was aber wäre gewesen, wenn Hasdrubal in Dertosa ein zweites Cannae gelungen wäre und die Armee der Scipio Brüder kurz nach Cannae vernichtet worden wären?

Ich nehme jetzt einfach noch mal Bezug auf diese Frage aus dem ersten Beitrag ohne die ganzen Streitfragen um den möglichen oder auch nur vermeintlichen Wert von Simulationen weiter zu verfolgen.

Was wäre gewesen?
Die Karthager wären bis zur Ankunft der nächsten römischen Armee einigermaßen sicher in Spanien gewesen und hätten Spanien eben einige Jahre später an die Römer verloren.

Am grundlegenden Verlauf hätte sich meiner Meinung nach nicht wesentlich etwas geändert.

Beweisen kann ich das natürlich nicht.
 
Was wäre gewesen?
Die Karthager wären bis zur Ankunft der nächsten römischen Armee einigermaßen sicher in Spanien gewesen und hätten Spanien eben einige Jahre später an die Römer verloren.

Am grundlegenden Verlauf hätte sich meiner Meinung nach nicht wesentlich etwas geändert.

Beweisen kann ich das natürlich nicht.

Das hört sich für mich aber mindestens so wahrscheinlich an, wie Udos Annahmen, daß sich entweder eine römische Armee nach Spanien auf den Weg gemacht hätte, oder eine karthagische gen Italien marschiert wäre.
 
Stimmt. Es ist ziemlich allgemein gehalten. Aber was dafür sprechen könnte, sind die offenkundig größeren Ressourcen der Römer (was sich an der Vielzahl der Fronten zeigt), die eher höhere Kampfkraft der Legionen gegenüber Söldnertruppen (wenn sie nicht von einem Genie wie Hannibal kommandiert wurden), die große Leidensfähigkeit der Römer einen auch anstrengenden Krieg durchzustehen, die offenkundige Stabilität des Bundesgenossensystems.

Ist es jetzt ein wenig besser begründet?
 
Ist es jetzt ein wenig besser begründet?
ich nehme an, dass deine Überlegungen ohne kompliziert-verspielte Simulationstheorien oder gar Berechnungen zustande kamen :)

angenommen, König Totila hättein der Schlacht bei den Busta gesiegt, Narses hätte verloren: wäre damit der lange Gotenkrieg beendet gewesen? Also anders gesagt: kann eine einzige Schlacht eine jahrzehntelange kriegerische Auseinandersetzung entscheiden, wenn wie in diesem Thema hier so eine Entscheidungsschlacht fiktiv vorverlegt wird?
 
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Das ist richtig. Es kann aber ebenso sein, dass die Simulation selbst für günstigste topographische Verhältnisse ein negatives Ergebnis liefert.

Keine Simulation berücksichtigt menschliche Fehleinschätzungen von Feldherren und Militärs. Und gerade daran scheiterten oftmals Schlachten, die nach jeder Simulation eigentlich niemals hätten verloren werden können.

Daher kann eine Simulation niemals endgültige Antworten geben und bleibt damit ein Sandkastenspiel.
 
Sorry das meine Fomulierungen in meinem letzten Beitrag missverständlich waren. Ein Stab des Pentagon könnte wohl in Zusammenarbeit mit Althistorikern eine realistische Simulation des 2. Punischen Krieges entwerfen. Das wäre allerdings aufwendig und teuer.
Wir hier im Forum können nur beschränkte Aussagen machen.
 
Was wäre gewesen?
Die Karthager wären bis zur Ankunft der nächsten römischen Armee einigermaßen sicher in Spanien gewesen und hätten Spanien eben einige Jahre später an die Römer verloren.
Am grundlegenden Verlauf hätte sich meiner Meinung nach nicht wesentlich etwas geändert.
Das hätte durchaus ebenfalls am Ende herauskommen können. Darf ich Dich nach etwas mehr Details fragen? Wenn ich Dich recht verstehe geht in Deinem Szenario erst mal keine römische Armee nach Spanien. Was aber machen Hasdrubal und Mago? Bleiben die passiv?
 
Ein Stab des Pentagon könnte wohl in Zusammenarbeit mit Althistorikern eine realistische Simulation des 2. Punischen Krieges entwerfen. Das wäre allerdings aufwendig und teuer.
aber warum sollten die das tun? (freilich kann ich mir schon als amüsant vorstellen, wenn Althistoriker, Lateinprofessoren, Marines und GIs ein gemeinsames Manöver dieser Art veranstalten :)) ...die Punier werden NY sicher nicht in nächster Zeit angreifen, und die US-Army wird keine Schildkrötenpanzerformationen einüben...
 
Ist es jetzt ein wenig besser begründet?

Da haben wir uns wohl misverstanden. Ich habe dir zugestimmt! Deine Option ist genau so gut, wie die von Udo, wenn nicht sogar wahrscheinlicher.
Warum sollten die Römer eine Armee gen Spanien in Marsch setzen? Ich sehe dafür keinen zwingenden Grund.
Und wer sagt denn, das Hasdrubal die Erlaubnis bekommen hätte, in Italien einzumarschieren. Und wie hätte er das machen wollen? Nochmal über die Alpen, dieses Mal ohne Überraschungseffekt? Wurde nicht eine andere karthagische Entsatzarmee auf Sizilien geschlagen? Warum hätte es Hasdrubal in Norditalien anders ergehen sollen?

Diese naheliegenden Fragen müssten erst mal diskutiert werden, bevor Hasdrubal und Hannibal vor Rom stehen und Karthago den Krieg dadurch vielleicht gewinnen könnte.
 
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Das hätte durchaus ebenfalls am Ende herauskommen können. Darf ich Dich nach etwas mehr Details fragen? Wenn ich Dich recht verstehe geht in Deinem Szenario erst mal keine römische Armee nach Spanien. Was aber machen Hasdrubal und Mago? Bleiben die passiv?

Die nächste römische Armee wäre wieder nach Spanien gegangen. Es hätte nur vielleicht einige Jahre gedauert, bis sie dann die Punier besiegt hätten. Hannibal hätte noch einige Jahre länger die Möglichkeit gehabt, in Italien zwischen Stiefelspitze und Absatz hin- und herzutigern. Und das Ergebnis wäre das gleiche gewesen, nur vielleicht einige Jahre später.

Und selbst wenn Hasdrubal oder Mago nach Italien durchgekommen wären zu Hannibal, glaube ich nicht, dass sich etwas geändert hätte.

Zwingend notwendig für einen Erfolg Hannibals wäre ein Ende des römischen Bundesgenossensystems gewesen. Und wenn die schon nach Cannae nicht in Scharen abgefallen sind, warum dann später. Und die Römer hätten auch ein vereinigtes karthagisches Heer genauso gut isolieren können, wie sie es gegenüber Hannibal alleine geschafft haben. Ein größeres Heer hätte Hannibal auch wenig genutzt, wenn die Römer weiterhin jede Schlacht vermieden hätten. Und das immerhin haben sie ja aus Cannae gelernt.

Alles, was ein Sieg Karthagos in Spanien bei Dertosa gebracht hätte, ist eine Verlängerung des Krieges. Die Karthager hatten meiner Meinung nach fast nie eine Chance zu gewinnen und die Römer im Zweifelsfall den längeren Atem.

Deswegen gibt es im 2. Punischen Krieg keine Entscheidungsschlacht. Die Entscheidung fiel, als sich das römische Bundesgenossensystem trotz aller römischen Katastrophen als stabil erwies.
 
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