Dertosa, Entscheidungsschlacht des 2. Punische Kriegs

Warum sollten die Römer eine Armee gen Spanien in Marsch setzen? Ich sehe dafür keinen zwingenden Grund.

Vielleicht aus dem gleichen Grund, aus dem 218 Scipio trotz der Erkenntnis, dass Hannibal über die Alpen nach Italien geht, dennoch Truppen nach Spanien geschickt hat.
 
Antwort an Tela

Ja, es gibt einiges was für Deine These spricht, vor allem eben das die Römer historisch gewonnen haben und dass die Loyalität der römischen Verbündeten größer war als die der Völker in Karthagos Machtbereich.
Auch bin ich dankbar, dass Du Dich bemüht hast, ein Szenario zu entwerfen.
Ich habe trotzdem eine andere Meinung.
Du scheinst anzunehmen, dass die Karthager auch mit 2 zusätzlichen Armeen in Italien nichts anfangen können d.h. keine Belagerungen versucht hätten. Ich denke diese Ansicht ist falsch. Hannibal hat belagert, wenn er konnte. Kurz nachdem Capua auf seine Seiten trat hungerte er Nuceria aus. Dasselbe geschah mit der Stadt Canusium am Volturnus. Die zweite Kartagische Armee aus Überläufern stürmte Croton und Locri und belagerte einige kleinere Städte in Bruttium. Kurz nach Cannae konnten die Römer nicht viel dagegen tun. Aber im Jahr 215 ergab sich das strategische Bild, welches ich am Anfang dieser Diskussion dargestellt hatte. Der Wesentliche Unterschied ist, dass Hannibal nun wieder zahlenmäßig unterlegen war und die strategische Initiative verloren hatte. Er musste nun auf römische Bedrohungen seiner neuen Verbündeten reagieren und konnte nicht über mehrere Monate an einer Position verbleiben um eine Belagerung zu vollenden.
Zwei zusätzliche Karthagische Armeen in Italien würden dieses strategische Gleichgewicht wieder zugunsten Karthagos verschieben.

Es gab weitere Erschütterungen des römischen Bündnisystems auch zeitlich mehrere Jahre nach Cannae. Im Jahre 213 (andere Quellen sagen 212) eroberte der in Italien manövrierende Hannibal Tarent durch Verrat. Laut Livius waren die Tarentiner erschüttert, weil Rom einige tarentinische Geiseln hinrichten ließ, die versucht hatten zu fliehen.
Der Seitenwechsel Tarents löste den Wechsel weiterer Griechenstädte im Süden Italiens aus.
Im Jahre 209 verweigerte ein großer Teil der latinischen Städte Rom weitere Truppen und Abgaben und verlangte Friedensverhandlungen mit Karthago.
Laut Livius und Polybius betrachtete es Rom als notwendig ständig die Etruskern mit einer dort stationierten Legion zu überwachen. Wenn die Römer befürchteten die Etrusker könnten überlaufen, dann muss es wohl entsprechende Tendenzen gegeben haben.

Ich bin der Ansicht, die These, dass Karthago gar keine Chance hatte, ist falsch. Hannibal kam einem Sieg gegen Rom sehr nahe und zwei zusätzliche Karthagische Armeen in Italien kurz nach Cannae hätten das Gleichgewicht zugunsten Karthagos kippen können.
 
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Also anders gesagt: kann eine einzige Schlacht eine jahrzehntelange kriegerische Auseinandersetzung entscheiden, wenn wie in diesem Thema hier so eine Entscheidungsschlacht fiktiv vorverlegt wird?

Das kommt auf die Ressourcen an, auf die Sieger bzw. Verlieren zurückgreifen können. Auch wenn ich mich vehement gegen weitgehende "Was wäre wenn"-Szenarien wende und diesen allenfalls eine kurzfristige Aussagekraft zugestehe: Hätte Hasdrubal die Römer bei Dertosa besiegt, dann wäre die Situation schon eine andere gewesen: Die Iberischen Völker als Rekrutationspool der Karthager wären nicht bedroht gewesen und die karthagischen Edelmetallminen wären nicht bedroht gewesen, Finanzierung und Rekrutierung wäre also nicht durch die Römer gestört worden. Ob die Römer noch ein zweites Expeditionkorps nach Cannae und nach einer verlorenen Schlacht nach Dertosa geschickt hätten? Darüber kann man nur Spekulationen anstellen und die führen zu nichts.

Ein Stab des Pentagon könnte wohl in Zusammenarbeit mit Althistorikern eine realistische Simulation des 2. Punischen Krieges entwerfen. Das wäre allerdings aufwendig und teuer.
Könnte er das? Wie?

Warum sollten die Römer eine Armee gen Spanien in Marsch setzen? Ich sehe dafür keinen zwingenden Grund.
Weil mit den Edelmetallvorkommen, welche die Phönizier in Spanien ausbeuteten der Krieg finanziert wurde und weil sie in Spanien einen Großteil ihrer Kämpfer rekrutierten.

Du scheinst anzunehmen, dass die Karthager auch mit 2 zusätzlichen Armeen in Italien nichts anfangen können d.h. keine Belagerungen versucht hätten. Ich denke diese Ansicht ist falsch. Hannibal hat belagert, wenn er konnte. Kurz nachdem Capua auf seine Seiten trat hungerte er Nuceria aus. Dasselbe geschah mit der Stadt Canusium am Volturnus.

Nur Rom hat er in nicht angegriffen, wir erinnern uns an die großartige Szene mit Marhabal, die Titus Livius entworfen hat. Warum hat er Rom wohl nicht belagert? (Ja, die Frage ist suggestiv gemeint.)
 
Nur Rom hat er in nicht angegriffen, wir erinnern uns an die großartige Szene mit Marhabal, die Titus Livius entworfen hat. Warum hat er Rom wohl nicht belagert? (Ja, die Frage ist suggestiv gemeint.)

Das Thema ist hier im Forum ausführlich diskutiert worden. Die wichtigsten Gründe waren zahlenmäßige Überlegenheit der Römer, die massiven Befestigungen Roms und das Hannibal mit einer sofortigen Belagerung Roms nicht erfolgreich gewesen wäre, im Gegenzug die vielen Übertritte auf seine Seite nicht erfolgt wären, wenn er sein durch Cannae gewonnenes Prestige durch eine erfolglose Belagerung der Hauptstadt verspielt hätte. Ein weiteres Grundproblem sind die Versorgungsschwierigkeiten durch die Vielzahl der latinischen Festungsstädte, die Rom umgeben. Mit mehreren karthagischen Armeen könnte man eine Belagerung Roms versuchen, aber nicht ohne vorher einige der Latiner Städte einzunehmen um so einen (Versorgungs-)Korridor nach Capua zu schaffen.

Hannibals Strategie zielte aber in erster Linie auf die Verbündeten, daher schätze ich dass Hannibal nicht Rom sondern leichtere Ziele angreifen würde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Sorry, meine letzte Antwort war wohl etwas unhöflich.

Aber meine Aussage an sich ist nicht so fiktiv, wie es Dir scheint.
Historisch griff Hannibal nicht Rom an sondern Nola (3x), Neapolis (2x), Cumae, dann versuchte er noch Überrasschungsmärsche auf Rhegium und Brundisium. Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit zeigt aber dass Hannibals Angriffsziele alle in der Campania bzw. Süditalien lagen.
Hannibals Marsch auf Rom im Jahre 211 war ein Täuschungsmanöver zur Entlastung Capuas.
Daher ist auch die Annahme das Hannibal in dieser fiktiven "Alternate Dertosa" Zeitlinie mit verstärkten Truppen nicht Rom sondern andere Ziele angreift sehr wahrscheinlich.
 
@ElQ

"...Könnte er das? Wie?..."

Ich lese hier nur mit und beteilige mich nicht, und zwar mangels Fachwissens.

So kompliziert ist das gar nicht, es werden alle historischen, geographischen, wirtschaftlich und klimatisch/metereologischen bekannten Daten in ein Simulationsprogramm als Eckdaten eingegeben, die sind zwar eher dünn, aber das dürfte schon reichen. Dann entscheidungstheoretische Modelle gleichsam "darübergelegt", eventuell vllt. individuelle historisch eruierbare "Entscheidungsmuster" der Protagonisten bzw. von auch unbeteiligten "Zeitgenossen" sowie eventueller Vorbilder und dann können mögliche Entscheidungsszenarien ermittelt werden, die allerdings mit gewissen Unschärfen behaftet blieben.

Nur eine Fragestellung bliebe offen. Wem würde das was nutzen?

M. :winke:

P.S.: Das wäre ein Spiel, keine Wissenschaft.
 
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Ja, es gibt einiges was für Deine These spricht, vor allem eben das die Römer historisch gewonnen haben und dass die Loyalität der römischen Verbündeten größer war als die der Völker in Karthagos Machtbereich.
Auch bin ich dankbar, dass Du Dich bemüht hast, ein Szenario zu entwerfen.
Ich habe trotzdem eine andere Meinung.

Kannst du gerne sein.
Du scheinst anzunehmen, dass die Karthager auch mit 2 zusätzlichen Armeen in Italien nichts anfangen können d.h. keine Belagerungen versucht hätten.

Nein. So sicher nicht. Aber vorher noch: Woher wissen wir denn, dass die Karthager wirklich bis Italien gekommen wären? Oder nicht wie in der Realität bei Metauro vernichtet worden wären?
Ich denke diese Ansicht ist falsch. Hannibal hat belagert, wenn er konnte. Kurz nachdem Capua auf seine Seiten trat hungerte er Nuceria aus. Dasselbe geschah mit der Stadt Canusium am Volturnus. Die zweite Kartagische Armee aus Überläufern stürmte Croton und Locri und belagerte einige kleinere Städte in Bruttium. Kurz nach Cannae konnten die Römer nicht viel dagegen tun.

Ja. Aber geändert hat dies nichts.
Aber im Jahr 215 ergab sich das strategische Bild, welches ich am Anfang dieser Diskussion dargestellt hatte. Der Wesentliche Unterschied ist, dass Hannibal nun wieder zahlenmäßig unterlegen war und die strategische Initiative verloren hatte. Er musste nun auf römische Bedrohungen seiner neuen Verbündeten reagieren und konnte nicht über mehrere Monate an einer Position verbleiben um eine Belagerung zu vollenden.
Zwei zusätzliche Karthagische Armeen in Italien würden dieses strategische Gleichgewicht wieder zugunsten Karthagos verschieben.

Möglich.
Es gab weitere Erschütterungen des römischen Bündnisystems auch zeitlich mehrere Jahre nach Cannae. Im Jahre 213 (andere Quellen sagen 212) eroberte der in Italien manövrierende Hannibal Tarent durch Verrat. Laut Livius waren die Tarentiner erschüttert, weil Rom einige tarentinische Geiseln hinrichten ließ, die versucht hatten zu fliehen.

Die Römer konnten sich aber dennoch in Tarent halten. Und kontrollierten sie nicht weiterhin den Hafen, so dass der Fall von Tarent für Hannibal nicht den erhofften Vorteil brachte?
Der Seitenwechsel Tarents löste den Wechsel weiterer Griechenstädte im Süden Italiens aus.
Im Jahre 209 verweigerte ein großer Teil der latinischen Städte Rom weitere Truppen und Abgaben und verlangte Friedensverhandlungen mit Karthago.
Laut Livius und Polybius betrachtete es Rom als notwendig ständig die Etruskern mit einer dort stationierten Legion zu überwachen. Wenn die Römer befürchteten die Etrusker könnten überlaufen, dann muss es wohl entsprechende Tendenzen gegeben haben.

Kann gut sein. Wir können auch immer schön weiter spekulieren, ob 2 karthagische Armeen groß etwas verändert hätten. Es ist und bleibt aber eine Glaubensfrage, da weder du noch ich noch irgendjemand sonst (und auch keine Simulation) darauf eine absolute Antwort werden geben können.
Ich bin der Ansicht, die These, dass Karthago gar keine Chance hatte, ist falsch. Hannibal kam einem Sieg gegen Rom sehr nahe und zwei zusätzliche Karthagische Armeen in Italien kurz nach Cannae hätten das Gleichgewicht zugunsten Karthagos kippen können.

Vielleicht, vielleicht nicht. Und weiter? Was fangen wir mit dieser Erkenntnis an?
 
Hier mal ein interessanter Artikel zur kontrafaktischen Geschichte:

Was ist Kontrafaktische Geschichte

Der Autor ist der Meinung, daß kontrafaktische Diskussionen uns helfen, können, die wesentlichen, bestimmenden Elemente des historischen Geschehens besser zu verstehen, zu bewerten und einzuordnen.
 
Hier mal ein interessanter Artikel zur kontrafaktischen Geschichte:

Was ist Kontrafaktische Geschichte
dort findet sich das "Domino-Modell Nr.1". Dieses besagt, dass ein im realen Geschichtsverlauf entscheidendes Ereignis für den weiteren Verlauf bestimmend war; wenn man dieses entscheidende Ereignis austauscht, dann können die daraus folgenden Überlegungen einen alternativen/abweichenden und freilich fiktiven (also kontrafaktischen) Verlauf annehmen.

dazu wäre dreierlei zu sagen:
1. dass entscheidende Ereignisse relevant sind, ist nicht sonderlich originell
2. für unser Thema hier wäre vorab überhaupt zu untersuchen, ob Dertosa für den punischen Krieg ein entscheidendes Ereignis war
3. am interessantesten ist bei der verlinkten Präsentation, dass kontrafaktische Überlegungen eigentlich nur bei entscheidenden Ereignissen sinnvoll in dem Sinn sind, dass man vertieft über den realen Verlauf nachdenken kann
 
2. für unser Thema hier wäre vorab überhaupt zu untersuchen, ob Dertosa für den punischen Krieg ein entscheidendes Ereignis war

Eben :yes:

Wobei die Antwort für mich ist, daß strukturelle Elemente weit dominanter waren. Die Geschichte wäre kurzfristig anders verlaufen aber zum gleichen Ergebnis gelangt. Das ist aber auch ein Erkenntnisgewinn aus kontrafaktischen Diskussionen: eine eindeutigere Identifizierung, tiefergehendere Wertschätzung und Bestätigung der wirklich bestimmenden Elemente.
 
Die Geschichte wäre kurzfristig anders verlaufen aber zum gleichen Ergebnis gelangt. .
das wird in der verlinkten Präsentation im Dominomodell Nr.2 auch erläutert: die Möglichkeit, dass der alternative (kontrafaktische/simulierte) Verlauf nach zeitweiliger Abweichung in den "normalen" (realen bzw. bekannten) Verlauf zurückführt -- dann allerdings, so meine Meinung, hat man beim ersetzen kein wirklich entscheidendes Ereignis erwischt :):)

aber was sind wirklich entscheidende Ereignisse? ist es z.B. eher Konstantins Seg bei der milvischen Brücke oder seine religiöse Entscheidung?
 
Ob Dertosa ein entscheidendes Ereignis im 2. Punischen Krieg war ist wie wir sehen, nicht einfach zu bestimmen. Ich habe wohl alles aufgezählt, was ich weiß, was meiner Meinung nach dafür spricht, aber es wurden auch sehr fundierte Gründe dagegen genannt.
Das gilt auch gerade weil das römische Bündnissystem stabiler war.

Umgekehrt war die karthagische Seite wesentlich anfälliger für schwere Schläge. Die Eroberung Neukarthagos durch Scipio könnte man als entscheidendes Ereignis sehen. Danach war die Loyalität der spanischen Stämme zu Karthago entscheidend gebrochen.
Simulationen könnten hier Aufschluß bringen. Das Pentagon hat Simulationen zu Vergangenen Kriegen mit amerikanischer Beteiligung die sehr genau sind. Kurz gesagt liefern diese, wenn beide Seiten exakt das historische Verhalten wiederholen auch zu über 98% historische Resultate. Diese könnten auch zuverlässige Aussagen darüber erzielen wie das Ergebnis von Kontrahistorischem Verhalten gewesen wäre.
Natürlich sind die Pentagonspezialisten in erster Linie daran interessiert zuverlässige Simulationen möglicher künftiger Kriege zu bekommen.
Es ist für sie einfach wirtschaftlich nicht interessant eine Simulation des zweiten punischen Krieges zu fahren.
Bei Spielen ist das anders, die bringen Ihren Verlagen Geld. Die vorhandenen Brett- und Computerspiele zum zweiten Punische Krieg haben den Schwerpunkt auf dem spielerischen Element. Für wissenschaftliche Zwecke ist das zu ungenau.
Es bleibt meine Hoffnung das Simulationen künftig stärker in der Geschichtswissenschaft eingesetzt werden könnten, mit anderen Worten, das sich dafür Geldgeber finden.
 
Es bleibt meine Hoffnung das Simulationen künftig stärker in der Geschichtswissenschaft eingesetzt werden könnten, mit anderen Worten, das sich dafür Geldgeber finden.
ich glaube nicht, dass sich dafür viele spendable Geldgeber finden werden, denn die werden sich zurecht sagen, dass erstmal ordentlich festgestellt werden muss, was denn die wirklich entscheidenden Ereignisse waren, die man dann in einer Simulation experimentell ersetzt.
 
Natürlich sind die Pentagonspezialisten in erster Linie daran interessiert zuverlässige Simulationen möglicher künftiger Kriege zu bekommen.

Ich wiederhole mich. Eine realistische Simulation basiert zwingend auf einer Reihe von Aspekten. Sofern diese nicht aureichend gewährleistet sind, kann man durchaus etwas simulieren, allerdings hat das absolut nichts mit der Realität zu tun!

- Ausreichend empirischen Informationen über das System, das man simulieren möchte. Und diese Informationen, bzw. das Verhalten von abhängigen, unabhängigen und intervenierenden Variablen dieses statistischen Erklärungsmodells muss man erst einmal auf der Ebene des Modell verstehen. Und das Kriterium ist der "Goodness of fit" des Modell" bzw. der Umfang der erklärten Varianz des Ereignisses, dass man zunächst erklären möchte.

- Aus vielen einzelnen Analysen können Annahmen über ein komplexeres Modell gewonnen werden. Bereits bis zu diesem Punkt ist die Analyse durchaus nicht trivial und ich kenne keinen Ansatz, der diese Komplexität emprisch nachvollziehbar testen könnte (ein relativ komplexer Ansatz wurde dabei beispielsweise im Rahmen von LISREL / LV-PLS oder auch im Rahmen von ökonometrischen Modellen vorgenommen).

http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96konometrie

http://de.wikipedia.org/wiki/Strukturgleichungsmodell

- Ein weiteres Problem, das bisher in der Diskussion über diese Simulationsmodelle weitgehend ausgeblendet wurde, sind der gravierende Mangel theoretische Annahmen über die Handlungen von Individuen, Kollektiven oder noch höher aggregierten Einheiten. Wie deutlich an der Diskussion über "Strategic-" bzw. "Defence-Communities". So gibt es derzeit kein Paradigma, das umfassen die Logik der Außenpolitik von Ländern erklären könnte. Wie soll man dieses theoretische Chaos in eine Simulation integrieren.

Strategic power: USA/USSR - Carl G. Jacobsen, Ken Booth, David R. Jones - Google Books

Ergo: Es stehen weder die empirischen Daten, geschweige denn die notwendigen gesicherten theoretischen Erkenntnis zur Verfügung, die die Pentagon Planer bzw. Programmierer bräuchten, um zukünftige Kriege angemessen zu simulieren.

Nebenbei ist noch zu fragen, welche Szenarien man eigentlich voraussetzt. Und da ist man sich im Pentagon, soweit ich die unterschiedlichen Trends verfolge, selber nicht sicher (weil es rivalierende Schulen gibt), welche zukünftigen Kriege man eigentlich führen wird.

Ein Computerspiel auf der Basis von willkürlichen Annahmen zu programmieren hat absolut nichts mit der Simulation bzw. auch Prognose realer politischer, ökonomischer und sozialer Systeme zu tun!
 
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@Thane

"...Ergo: Es stehen weder die empirischen Daten, geschweige denn die notwendigen gesicherten theoretischen Erkenntnis zur Verfügung, die die Pentagon Planer bzw. Programmierer bräuchten, um zukünftige Kriege angemessen zu simulieren. ..."

Da hast Du recht, auch chaostheoretische Ansätze helfen da nicht wirklich weiter.

Nur, z.B. in der Finanzwirtschaft wird simuliert:

Vergl. z.B. für Versicherungsunternehmen:

BaFin - Stresstest

Der Spagat der dabei hinzunehmen ist, besteht m.E. in der Validität zukunftsorientierter Daten und der gerade noch akzeptablen Unschärfe der simulierten Ergebnisse, die dann letztlich entscheidungsrelevant sind. Zumal zukunftsorientierte Entscheidungen auf Basis einer Simulation, den ursprünglichen zukunftsorientierten Datenhaushalt beim Start der Simulation verändern.

M.
 
Das Pentagon verfährt meines Wissens nicht so eine alles umfassende Kriegssimulation zu entwickeln, sondern die haben mögliche Feindbilder im Auge etwa Nordkorea, den Iran usw. Früher war es der Warschauer Pakt. Dann werden alle Fakten die man durch Spionage Satelitenaufklärunge etc. über den möglichen Gegner hat in die Simulation integriert und dann begrenzte Auseinandersetzungen dieser Gegner mit US Truppen simuliert.
 
Das Problem der bisherigen Diskussion über "Simulationen" ist, dass nie eindeutig definiert wurde, über welche Ebene gerade diskutiert wurde, bzw. was nun präzise simuliert werden soll. Das ist ja auch bereits in anderen Beiträgen moniert worden.

Im Prinzip können m.E. grob drei Bereich definiert werden:

1. Die individuelle "Schlacht", beispielsweise "Waterloo" (1814)

2. Das übergeordnete "Theater", wie beispielsweise die "Ostfront" (1941-1945)

3. Die komplette Simulation von Staaten und ihre vielschichtigen Funktionen.

Eine einzelne Schlacht wird man noch relativ problemlos rekonstruieren können, wenngleich weiche Faktoren wie Moral, Disziplin, Know how oder Feldherrenkunst zwar abgebildet werden können, allerdings stellt sich die Frage, ob es realistische Werte sind.

Das Theater wäre dann "Spanien" und wäre schon deutlich komplexer, weil dann bereits kulturelle, wirtschaftliche militärische Faktoren eine Rolle für den Feldzug spielen. Und diese Daten liegen für den fraglichen Zeitraum sicherlich nicht in der Fülle vor, wie sie für eine Simulation benötigt werden würden.

Die komplette Simulation der damaligen Zeit, um die Frage realistisch beantworten zu können müßte dann die vielschichtigen Verflechtungen der damaligen Staaten im Mittelmeerraum erfassen und angemessen in ein mathematisches Modell übersetzen. Und das ist schlichtweg nicht möglich.

Und meine Kritik zielte im wesentlichen auf 2. und 3. ab und die Möglichkeit einer Modellierung auf der Basis von vorhandenen empirisch validierten Erkenntnissen.

Das man im Pentagon zu einer numerischen Betrachtung und Abschätzung eines Krieges gegen potentielle Gegner fähig ist, da besteht aus meiner Sicht absolut kein Widerspruch.
 
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