Heine:
Letztes Jahr war ich auf einem Kolloquium in Italien dazu, und die genetische Verwandschaft zwischen Süditalienern (Kalabrien und Apulien) und der Bevölkerung Kleinasiens ist noch größer! Und erklärt sich höchst einfach daraus, dass die Menschen in Kleinasien wie in Italien in der Abstammung her indoeuropäische Vorfahren haben, ebenso wie die Bewohner der heutigen Toskana auch.
Dasselbe bei den Sprachen: in der Verknüpfung die Sepiola zur Verfügung gestellt hat, wird erneut die These von gewissen Paralellen im Lydischen und Etruskischen aufgeworfen. Das Lydische ist aber eine eindeutig indoeuropäische Sprache, dass Etruskische nicht. Wie erklären sich also diese Paralellen? Im Gegensatz zu dem von Sepiola verknüpften Artikel ist die etruskische Sprache in Italien in erheblichem Umfang durch andere italische, indoeuropäische Sprachen beeinflusst worden (was der Artikel gemäß seiner Zielsetzung verneint), insbesondere durch das Latinische und Umbrische. Die Paralellen zwischen Latein und Lydisch sind nun ebenfalls wieder noch viel größer, weil beide indoeuropäisch sind. Trotzdem propagiert niemand eine Abstammung der Latiner von den Lydern.
Im weiteren ist die Übersetzung des Frauennamens in keiner Weise ein Lesefehler, sondern eine mögliche Interpretation. Und es bleibt immer noch der lateinische Gens-Name der in Südetrurien weit verbreitet war sowie der Umstand, dass die von mir in einer Verknüpfung gezeigten weiteren Schriftfunde des "Lemnischen" die Nähe zum Etruskischen weiter bewiesen hat und dass "Lemnische" durch diese neuen Schriftfunde näher und nähe an das reguläre Etruskische heran rückt.
Dieter:
Genau genommen gibt es drei Thesen zur Verbindung der Etrusker in die Ägäis, von denen eine inzwischen eigentlich wiederlegt ist, und dass ist die Einwanderungsthese:
Der archäologische Befund ist absolut klar: die etruskische Kultur entwickelte sich organisch aus der Villanovakultur, dann (chronologie beachten) verlagerten sich die Machtzentren an die Küste und es gab eine Migration aus dem Landesinneren an die Küste. Zuerst waren die Etrusker schon da, dann verlagerte sich ihr Schwerpunkt an die Küste.
Bei einer Einwanderung einer "Oberschicht" aus Kleinasien müsste diese aber zuerst an der Küste angekommen sein. Das ganze ist eigentlich so klar und eindeutig seit Jahren bewiesen, dass die Einwanderungsthese damit schlicht und einfach widerlegt ist.
Verbleibt noch die dritte These, die Giovanni Feo vertritt, und die gerade in Deutschland fast keine Beachtung findet:
Dass nämlich nicht ein Volk nach Italien einwanderte, sondern dass eine Religion die aus der Ägäis stammt nach Etrurien gelangte und dort sich verbreitete. Es kamen also keine Einwanderer, die dann eine "Oberschicht" bildeten, sondern es gelangte eine Mysterienreligion nach Etrurien und setzte sich bei den Etruskern durch. Und diese Mysterienreligion stammte aus der Ägäis und war vorgriechischem Ursprungs. Feo kam auf diese These aufgrund seiner langjährigen Forschungen über die Hohlwege der Etrusker.
Lemnos war nun keine Kolonie, keine Heimat eines mit den Etruskern verwandten Volkes, sondern ein zentraler Ort jener Mysterienkulte, zu denen sich die frühen Etrusker bekehrten und deshalb suchten sie diesen Ort (als Pilger, Priester usw) immer wieder auf. Diese Mysterienkulte hat es auf den Nord-Ägäischen Inseln tatsächlich gegeben, nur in Etrurien wiesen wird über gewisse Aspekte und Kulte der Etrusker leider nur sehr wenig.
Diese These einer Übernahme einer ägäischen Religion durch die Etrusker (durch etruskische Seeräuber) würde die ägäische Verbindung erklären, ohne dass dazu eine Einwanderung eines Volkes nach Italien notwendig ist.
Bekanntlich kam es in dieser Region nach dem Zusammenbruch der mykenischen Macht zu beträchtlichen politischen und demografischen Verschiebungen, die wir als Ägäische Wanderung bezeichnen. Im Verlauf dieser Ereignisse brach das Hethiterreich zusammen, wozu auch ein Bürgerkrieg und innenpolitische Probleme beigetragen haben. Griechenland, Kreta, Zypern und Vorderasien wurden von Migrationsströmen erfasst.
Wohl war, aber die Chronologie passt nicht: diese Migrationsströme waren längst versiegt, als die Etrusker als Volk entstanden. Zwischen dem Untergang des Hethiterreiches und der Ethnogenese der Etrusker klafft eine erhebliche Lücke.
wobei einige vermuten, dass diese die etruskische Führungsschicht gebildet haben könnten.
Warum eigentlich die Führungsschicht? Nur weil es oft genug voneinander abgeschrieben wurde, wird es nicht wahrer: wenn eine kleine Gruppe nach Etrurien in der späten Villanovazeit gelangt wäre, warum hätte diese Gruppe die Führungsschicht bilden sollen, bilden können?
Dazu hätten sie die bestehenden einheimischen und sehr kriegerischen Eliten verdrängen und besiegen müssen. Eine kleine Einwanderergruppe wäre dazu militärisch nicht in der Lage gewesen. Wie hätte sich eine kleine Einwanderergruppe gegen die Krieger der Villanovakultur durchsetzen sollen?
Sollte diese Annahme zutreffen, so wäre das Ergebnis der Genanalyse plausibler,
Diese Geneanalysen beziehen sich auf die Verwandschaften zwischen der heutigen italischen Bevölkerung und der heutigen kleinasiatischen Bevölkerung. Dazu ist noch zu bedenken, dass heute in Kleinasien ein großer Anteil der Menschen türkische Vorfahren hat. Und dass in Italien sich abgesehen von den Etruskern Indoeuropäer niederließen.
Diese Genanalsysen sind daher für die Frage der Abstammung der Etrusker fast wertlos.
denn in den repräsentativen Grabbauten ruhen vermutlich nur Vertreter der dünnen (orientalischen) Elite. Von der finden sich in der heutigen toskanischen Bevölkerung kaum noch Spuren.
Warst du überhaupt schon mal in Etruskischen Totenstädten? Und gerade die repräsentativen Grabbauten (insbesondere die im Tuffstein) waren zum größten Teil seit langer langer Zeit völlig leer.
Und wer sagt, dass von der Oberschicht der Etrusker heute keine Spuren mehr in der toskanischen Bevölkerung vorhanden sind? Woher diese Aussage? Die etruskische Oberschicht entwickelte sich aus dem Kriegeradel der Villanovakultur nachweislich fließend. Und es gab keine "Kasten" welche Oberschicht und das Volk in Etrurien klar getrennt hätten. Eine klare ethnische Trennung zwischen etruskischer Oberschicht und etruskischem Volk gab es so nicht.
Und dann beschließend noch zum kritischen Begriff: Orientalisch:
Ein wesentlicher Aspekt ist, dass die orientalisieriende Phase in der Etruskischen Kultur erst einige Zeit nachdem es die Etrusker schon gab auftrat. Die frühen Etrusker zeigen keinerlei orientalische Kultureinflüsse. Absolut keine.
Ein wesentliches Argument: die Etrusker als Volk entstanden. Und zeigen keinerlei kulturelle Einflüsse aus Kleinasien. Diese treten erst einige Zeit später auf, da gab es die Etrusker als Volk schon.
Die Einwanderungsthese ist schlicht und einfach widerlegt.
Selbst die letzten Verfechter diese These raunen nun nur noch von einer kleinen Gruppe von Einwanderern. Und erklären nicht, wie sich diese jemals militärisch gegen die dort bereits siedelnden Etruskischen Eliten hätte durchsetzen können. Und erklärt nicht mal im Ansatz, warum dann die Verlagerung der frühen etruskischen Kultur nicht von der Küste ins Landesinnere erfolgte, sondern umgekehrt aus dem Landesinneren an die Küste.
Die Etrusker waren zweifelsohne autochthon. Es verbleibt noch die These von Feo, dass die frühen Etrusker eine Religion aus der Ägäis übernahmen. Aber auch diese These geht davon aus, dass es die Etrusker als Volk schon gab, und sie dann erst diese Mysterienkulte übernahmen.