Na ja. Dafür, dass das "Gesamtkunstwerk" "systemimmanente Mängel" gehabt habe, hatte sie doch immerhin mehr als 200 Jahre die Kriegsführung der östlichen Mittelmeerwelt beherrscht.
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Die makedonische Phalanx war das non plus ultra der Kriegsführung in der hellenistischen Staatenwelt. Jede größere Regional- oder Weltmacht (Alexander, Antigoniden, Seleukiden, Ptolemäer, Attaliden) hatte ihr Fundament auf dieser Phalanx aufgebaut.
Stimmt. Und wo widerspricht das meinen Aussagen? Auch wenn es unfein sein mag, zitiere ich mal mich selbst:
Trotz all dieser Mängel war die Phalanx aber ein unglaublich machtvolles Instrument. Deshalb hat man an dem Konzept festgehalten und versucht, die Symptome zu "kurieren".
Es steht überhaupt nicht in Zweifel, dass die makedonische Phalanx den "Vorgängern" überlegen war. Sie war aber nicht überlegen, weil sie ein völlig neues Phalanx-Konzept gewesen wäre. Sie war nur eine Abwandlung des seit langem bekannten Phalanx-Konzepts. Und überlegen war sie nur wegen der geänderten Bewaffung. Lanzenlänge. Das galt aber nur, solange die Gegner kürzere Lanzen führten und trotzdem an der überlieferten Phalanx-Taktik festhielten. Das blieb in der Tat 200 Jahre oder länger so. Bis die Römer kamen. Die lieferten den Beweis, dass die Wirksamkeit einer Phalanx eben NICHT von der Lanzenlänge abhing.
Die römische Legion hatte in der Spätantike auch "Mängel" als sie auf neue Gegner mit neuer Art der Kriegsführung zusammenstieß, gegen die auch sie schließlich marginalisiert wurde.
Das stimmt nicht. Die römischen Legionen, die über die makedonische Phalanx obsiegt haben, hatten nur wenig Ähnlichkeit mit den Legionen, die Marius konzipiert hat. Die Legionen, die nach den Konzepten von Marius aufgebaut waren, hatten kaum Ähnlichkeit mit denen, die in der Völkerwanderungszeit operierten. Römische Legionen waren nicht 200 sondern 600 Jahre lang taktisch und strategisch das Maß aller militärischen Dinge.
Sie sind nicht "marginalisiert" worden! Sind sie deshalb nicht, weil die Römer Strategie und Taktik immer den Gegebenheiten - neue Gegner, neue Art der Kriegführung - angepasst und grundlegende Veränderungen der Militärdoktrin vollzogen haben. Eben das haben die Griechen nicht gemacht. Sie haben "stur" an einer Doktrin festgehalten, die ihnen 200 Jahre lang Siege beschert hat.
Das ist übrigens Teil des Problems. Feldherren, die siegreich sind, sehen selten die Notwendigkeit, Veränderungen der Doktrin vorzunehmen- frei nach dem Motto "never change a winning team".
Der "Systemfehler" der Phalanx lag nicht in der Bewaffnung (Lanzenlänge). Er lag in der Tatsache, dass eine Phalanx nur dann siegen konnte, wenn sie über die ganze Länge der Front hinweg die Formation geschlossen halten konnte. In dem Moment, da eine Phalanx durchbrochen war, war sie geschlagen. Egal wie lang ihre Lanzen waren! Die ständige Verlängerung der Lanzenschäfte war nur der Versuch, den Zeitpunkt des Durchbruchs durch die Front möglichst so lange hinauszuzögern, bis der Gegner nicht mehr die Kraft zum Durchbruch hatte. Wäre das Spiel damals so weitergegangen, hätte man vermutlich irgendwann Lanzen mit einer Länge von 20 Metern auf dem Schlachtfeld erlebt.
Das hätte aber das eigentliche Problem nicht gelöst. Und dieses eigentliche Problem ist der Umstand, dass die Phalanx geschlagen war, wenn sie durchbrochen wurde!
Die Römer sind einen anderen Weg gegangen. Sie haben nicht ihre Lanzen verlängert, sondern eine Formation ersonnen, die NICHT nur deshalb geschlagen war, weil sie durchbrochen wurde. Deshalb waren die Römer siegreich gegen die machtvolle Phalanx. Obwohl sie als Hauptwaffe nicht die 6 Meter lange Sarissa sondern ein 50 Zentimeter langes Gladius führten und trotzdem als "Phalanx" auftraten.
Jede Erfolgsgeschichte, auch militrärische, überschreitet irgendwan einmal ihren Zenit. Oder reitet die US-Army noch heute mit der Kavallerie ins Feld?
Genau das ist der entscheidende Punkt! Was die Griechen mit ihrem Festhalten am Phalanx-Konzept gemacht haben, gleicht dem Versuch, mit der Kavallerie gegen einen Panzerverband vorzugehen.
MfG
P.S.: Mit mittelalterlichen Pikenieren hat das alles überhaupt nichts zu tun.