Der Gott Osiris war König von Ägypten
- Nach seinem gewaltsamen Tod durch seinen Bruder Seth kam laut assmann der tod in die welt und konfrontiert die götter mit einem großen problem?
Die Herrschaft über Ägypten war immer eine Herrschaft über ein Doppelreich, über Unter- und Oberägypten, symbolisiert durch die pharaonische Doppelkrone Pschent. Horus steht zunächst für das separate Unter- und Seth für das separate Oberägypten. Durch Horus´ Sieg über Seth wird Horus zum Herrschergott über beide Reiche (= das geeinte Ägypten) und Seth zum Herrscher des Outbacks (Wüste). Der mythische Kampf zwischen beiden um die Nachfolge des osirischen Königtums hat ganz profane Gründe: Die Pharaonen brauchten eine Legitimation für eine patrilineare Erbfolge, denn ursprünglich fiel das Erbe eines Mannes nicht an seinen Sohn, sondern an seinen Bruder, weil dieser das Erb-Vorrecht hatte. Man benötigte, um das pharaonische Amt an einem Bruder vorbei auf einen Sohn übertragen zu können, also eine neue Legitimation, d.h. einen Mythos, der den neuen Erbfolgemodus theologisch absegnete. Der Konflikt zwischen dem alten Modus und dem neuen Modus wird durch Seth (Bruder des Toten) und Horus (Sohn des Toten) ausgetragen. Mit Horus siegt der neue Erbfolgemodus, d.h. der Pharao hat nun das Recht, sein Amt an seinen Sohn weiterzugeben.
Das ist sicher die tiefere Ursache für die Erschaffung des Horus-Seth-Mythos. Alle anderen Deutungen, wie z.B. die von Assmann, sind zu psychologisch oder philosophisch. Mythen haben immer eine handfeste irdische Bezugsgröße, sie sind keine freischwebenden Phantasien.
- er kommt in die unterwelt und musste sich der seelenwägung unterziehen
Osiris war ursprünglich ein chtonischer Fruchtbarkeits- und Vegetationsgott nicht anders als Dumuzi in Sumer. Wie alle Fruchtbarkeitsgötter unterliegt er in dieser Phase dem Tod, analog zur Vergänglichkeit der irdischen Vegetation, die im Herbst erstirbt und im Frühling wieder aufblüht. Ähnlich wie Dumuzi führte sein Weg ursprünglich periodisch ins Totenreich und nach einem halben Jahr wieder zurück ins Leben. Ab der 4. oder 5. Dynastie wird er ein regulärer Totengott, d.h. permanenter Gott über das Totenreich. Aber erst ab dem Mittleren Reich wird der Pharao mit ihm identifiziert, wenn er stirbt, d.h. der tote Pharao wird zu Osiris, während der neue Pharao mit Horus verschmilzt (siehe obigen Erbfolgemodus).
Das Verhältnis von Isis zu Osiris entsprach ursprünglich sicher dem von Inanna zu Dumuzi. Beide Mythen haben starke Parallelen.
Wie aber stieß Horus zur ursprünglichen Zweiheit Osiris-Isis?
Als erster ägyptischer Gott erlangt der Falkengott Hor (= der Hohe, Ferne) eine überregionale Bedeutung. Welche Rolle er und sein Widersacher Seth im Kontext der vorgeschichtlichen Reichseinigungskämpfe spielen, ist in der Ägyptologie strittig; die wichtigsten Erklärungsansätze stammen von Kurt Sethe und Hermann Kees. Sethe hält Horus für den Hauptgott eines Delta-Reichs, das den mit dem Hauptgott Seth verbundenen Süden im Zuge der Reichseinigung unterworfen habe. Horus´ Verbindung mit dem unterägyptischen Gott Osiris sei, der Reichseinigung vorausgehend, dem Zusammenschluss zweier rivalisierender Delta-Reiche (mit den Zentren Behdet und Busiris) zu verdanken. Kees wiederum vermutet, dass beide, Horus und Seth, ursprünglich die Hauptgötter zweier rivalisierender Delta-Staaten waren, deren Streit mit der Einigung auf das Primat des Horus beigelegt wurde.
Wie dem auch sei: Horus´ Sohnschaft zum Hauptgott von Busiris, dem Stier- und Fruchtbarkeitsgott Osiris, ist eine nachträgliche Konstruktion der Priesterschaft von Busiris. Im Bemühen, an der Macht des Horus teilzuhaben, gliedern ihn die Priester in ihren von Osiris und Isis dominierten Lokalkult ein. Ähnlich wie später in Heliopolis muss Horus in verwandtschaftliche Beziehung zu mindestens einem Lokalgott treten. Die Priester lösen das Problem, indem sie Horus als Sohn von Osiris und Isis interpretieren, der nach dem gewaltsamen Tod Osiris´, mythologisch der erste die geschichtliche Welt regierende Gott, dessen herrschaftliche Nachfolge antritt. Horus gewinnt dadurch neue Aspekte (Kind der Isis, Rächer seines ermordeten Vaters), die seine Beliebtheit im Volk und damit seine ideologische Verwertbarkeit durch das Königtum noch erheblich steigern.