Saint-Just
Mitglied
Bei den Wahlen und Abstimmungen fällt eines auf: es gab zwar in jeder der Teilrepublik Mehrparteienwahlen, nicht aber auf Bundesebene. Dadurch entstand (gerade in der Situation Osteuropas 1990) eine unhaltbare zwitterhafte Situation: nach dem neuen Wahlrecht gebildete Parlamente und gewählte Präsidenten in den Republiken, eine nach altem Wahlrecht gebildete Exekutive auf Bundesebene.
Grund dafür war der gescheiterte Parteitag des BdKJ im Januar 1990 (nota bene: die eigentliche Macht lag in Jugoslawien wie in Osteuropa üblich nicht bei der Regierung, sondern der Partei)- der serbisch-slowenische Gegensatz zwang zur "Vertagung"- de facto das Ende der Partei. Auf dem Parteitag sollte u.a. eine neue politische Struktur für Jugoslawien beschlossen werden. Effekt: Mehrparteienwahlen in den Republiken, aber nicht im Bund.
Der serbisch-slowenische Gegensatz (Der krotische Nationalismus spielt in diesem Zeitraum noch keine wesentliche Rolle) ergab sich aus dem nationalistischen Zündeln Milosevic´ im Süden und dem slowenischen Wohlstandschauvinismus im Norden (Jugoslawien hatte ein Art Länderfinanzausgleich. Slowenien- die slowenische Regierung- wollte als reichstes Land nichts mehr einzahlen. Milosevic suchte nach einer Möglichkeit, die Macht des Parteiapparats in Serbien zu erhalten. Der Effekt war in beiden Republiken wachsende nationalistische Propaganda.)
Weiterhin ist zu bedenken: jeder Austritt einer Republik aus Jugoslawien musste das serbische Element im restlichen Jugoslawien verstärken. D.h. mit dem Austritt Sloweniens kam eine Eigendynamik in Gang: bei den Republiken Kroatien, Bosnien und Makedonien und in diesen Republiken. Der Zerfall, einmal in Gang gekommen, wurde zum Selbstläufer.
Die Volksabstimmungen haben den Sezessionsprozess nicht eingeleitet, sondern längst erfolgte fait accompli- die ohnehin kaum mehr rückgängig zu machen waren- nur nachträglich abgesegnet.
Beispiel Slowenien: Abspaltung der slowenischen KP vom BdKJ (Jan. 1990), Streichung des Begriffs "sozialistisch" aus dem Staatnamen (Anf. März.), Souveränitätserklärung (2.7.)- d.h. eigene slowenische Außen-, Wirtschafts-, Rechts- und Informationspolitik (in der Substanz also bereits Unabhängigkeit). Alle Bundesgesetze werden für ungültig erklärt (Ende Sept.). Und erst danach, am 23. Dezember, findet eine Volksabstimmung statt. (Analog, etwas verzögert, in Kroatien).
Da Kroatien sich dem slowenischen Kurs bald anschloss, war Jugoslawien schnell in einem Zustand, der einen Austrit attraktiv erscheinen ließ. Nur: dieser miserable Endzustand war Folge ebenjener Nationalisten, der sich als dessen Lösung präsentierten*. Brandstifter und vorgebliches Löschkommando in einem! Dabei waren Milosevic und Tudjman Gegner- einerseits; andererseits war ihr Verhalten aber durchaus komplementär, zwei Seiten einer Medaille.**
[/quote=Scarlett]Denn den Minderheiten blieb ja noch eine legitime Möglichkeit, sich politisch gegen etwaige Teilungen zu Wehr zu setzen, dies ist nicht geschehen, weder in Kroatien, noch in Bosnien. Einer der Anführer des serbischen Aufstandes, Milan Babic, beschuldigte Milosevic, das serbische Volk in den Krieg getrieben zu haben.
Man hat die Serben dort unter Einsatz massivster Medienpropaganda gegen ihre Nachbarn aufgehetzt, was letztlich bitter gerächt hat.[/quote]
Aber umgekehrt lässt sich genauso sagen, Kroatien hatte legitime Möglichkeiten, seinen Standpunkt innerhalb Jugoslawien zu vertreten, ohne es zum Bruch kommen zu lassen. Natürlich waren die Kroaten eine Minderheit in Jugoslawien- ebenso wie die Serben in Kroatien. Wenn man aus diesem Status ein Sezessionsrecht ableitet, dann ebenso für die Serben. (Der Verweis auf Milosevic ist natürlich vorzüglich geeignet, von den eigenen Fehlentscheidungen abzulenken. U.a. bei einem serbisch-bosnischen Politiker, der damit seine eigene Verantwortung relativiert(e)).
Die nationale Verhetzung durch Medien ist genau das, wovon ich ausgehe (aber eben nicht nur bei den Serben), und was eindeutig gegen einen "naturwüchsigen" Nationalismus, gegen eine spontane "freie" Entscheidung der jugoslawischen Völker spricht. Entscheidend ist hier die Rolle von Multiplikatoren (Intellektuelle, Politiker, Küsntler, Journalisten usw.)- Menschen können nur eine Wahl zwischen dem treffen, was ihnen geboten wird, wovon sie Kenntnis haben.
*natürlich bestreitet kein Mensch die Wirtschaftskrise, die vorher bestand.
** siehe etwa die Absprache zwischen Milosevic und Tudjman über eine Aufteilung Bosniens im April 1991, s. "Guardian" 30.6.1993 oder seine Ansichten in "Nationalism in Contemporary Europe" 1981
Grund dafür war der gescheiterte Parteitag des BdKJ im Januar 1990 (nota bene: die eigentliche Macht lag in Jugoslawien wie in Osteuropa üblich nicht bei der Regierung, sondern der Partei)- der serbisch-slowenische Gegensatz zwang zur "Vertagung"- de facto das Ende der Partei. Auf dem Parteitag sollte u.a. eine neue politische Struktur für Jugoslawien beschlossen werden. Effekt: Mehrparteienwahlen in den Republiken, aber nicht im Bund.
Der serbisch-slowenische Gegensatz (Der krotische Nationalismus spielt in diesem Zeitraum noch keine wesentliche Rolle) ergab sich aus dem nationalistischen Zündeln Milosevic´ im Süden und dem slowenischen Wohlstandschauvinismus im Norden (Jugoslawien hatte ein Art Länderfinanzausgleich. Slowenien- die slowenische Regierung- wollte als reichstes Land nichts mehr einzahlen. Milosevic suchte nach einer Möglichkeit, die Macht des Parteiapparats in Serbien zu erhalten. Der Effekt war in beiden Republiken wachsende nationalistische Propaganda.)
Weiterhin ist zu bedenken: jeder Austritt einer Republik aus Jugoslawien musste das serbische Element im restlichen Jugoslawien verstärken. D.h. mit dem Austritt Sloweniens kam eine Eigendynamik in Gang: bei den Republiken Kroatien, Bosnien und Makedonien und in diesen Republiken. Der Zerfall, einmal in Gang gekommen, wurde zum Selbstläufer.
Die Volksabstimmungen haben den Sezessionsprozess nicht eingeleitet, sondern längst erfolgte fait accompli- die ohnehin kaum mehr rückgängig zu machen waren- nur nachträglich abgesegnet.
Beispiel Slowenien: Abspaltung der slowenischen KP vom BdKJ (Jan. 1990), Streichung des Begriffs "sozialistisch" aus dem Staatnamen (Anf. März.), Souveränitätserklärung (2.7.)- d.h. eigene slowenische Außen-, Wirtschafts-, Rechts- und Informationspolitik (in der Substanz also bereits Unabhängigkeit). Alle Bundesgesetze werden für ungültig erklärt (Ende Sept.). Und erst danach, am 23. Dezember, findet eine Volksabstimmung statt. (Analog, etwas verzögert, in Kroatien).
Da Kroatien sich dem slowenischen Kurs bald anschloss, war Jugoslawien schnell in einem Zustand, der einen Austrit attraktiv erscheinen ließ. Nur: dieser miserable Endzustand war Folge ebenjener Nationalisten, der sich als dessen Lösung präsentierten*. Brandstifter und vorgebliches Löschkommando in einem! Dabei waren Milosevic und Tudjman Gegner- einerseits; andererseits war ihr Verhalten aber durchaus komplementär, zwei Seiten einer Medaille.**
[/quote=Scarlett]Denn den Minderheiten blieb ja noch eine legitime Möglichkeit, sich politisch gegen etwaige Teilungen zu Wehr zu setzen, dies ist nicht geschehen, weder in Kroatien, noch in Bosnien. Einer der Anführer des serbischen Aufstandes, Milan Babic, beschuldigte Milosevic, das serbische Volk in den Krieg getrieben zu haben.
Man hat die Serben dort unter Einsatz massivster Medienpropaganda gegen ihre Nachbarn aufgehetzt, was letztlich bitter gerächt hat.[/quote]
Aber umgekehrt lässt sich genauso sagen, Kroatien hatte legitime Möglichkeiten, seinen Standpunkt innerhalb Jugoslawien zu vertreten, ohne es zum Bruch kommen zu lassen. Natürlich waren die Kroaten eine Minderheit in Jugoslawien- ebenso wie die Serben in Kroatien. Wenn man aus diesem Status ein Sezessionsrecht ableitet, dann ebenso für die Serben. (Der Verweis auf Milosevic ist natürlich vorzüglich geeignet, von den eigenen Fehlentscheidungen abzulenken. U.a. bei einem serbisch-bosnischen Politiker, der damit seine eigene Verantwortung relativiert(e)).
Die nationale Verhetzung durch Medien ist genau das, wovon ich ausgehe (aber eben nicht nur bei den Serben), und was eindeutig gegen einen "naturwüchsigen" Nationalismus, gegen eine spontane "freie" Entscheidung der jugoslawischen Völker spricht. Entscheidend ist hier die Rolle von Multiplikatoren (Intellektuelle, Politiker, Küsntler, Journalisten usw.)- Menschen können nur eine Wahl zwischen dem treffen, was ihnen geboten wird, wovon sie Kenntnis haben.
*natürlich bestreitet kein Mensch die Wirtschaftskrise, die vorher bestand.
** siehe etwa die Absprache zwischen Milosevic und Tudjman über eine Aufteilung Bosniens im April 1991, s. "Guardian" 30.6.1993 oder seine Ansichten in "Nationalism in Contemporary Europe" 1981