Weil Du das so betonst, muss ich was dagegen sagen: Ohne Hypothesen - selbst wenn sie zunächst auf ganz wackligen Füßen stehen -, käme die Wissenschaft kaum weiter. Nicht auf (weitere) zufällige Funde hoffen, sondern gezielt da weiter suchen, wo man was vermutet, das finde ich spannend. Klar gibt es dabei die Gefahr, dass man sich verrennt und/oder lächerlich macht, aber besser so als immer nur das wiederkauen, was als gesichertes Wissen gilt. Ein Ziel vor Augen zu haben und einen bestimmten Weg einzuschlagen und beharrlich dranbleiben, das kann einem beschwerlich, ja zeitweise sogar hoffnungslos erscheinen, aber bei Erfolg dürfte die Befriedigung über das Erreichte umso größer sein.
Wissenschaft bedeutet Kontroverse und auch Streit, und es sollte sich die akademische Geschichtswissenschaft nicht zu schade dafür sein, auf die Forschungsergebnisse von Laien zurückzugreifen. Gerade im Bereich der Lokal- und Heimatforschung sind die Beiträge von geschichtsinteressierten Laien von unschätzbarem Wert. Ohne den Fleiß und das Engagement von Geschichtsvereinen, Genealogen, Heimatkundlern u. a wäre vieles an Wissen unwiederbringlich verloren.
Als vor einigen Jahren nahe Hedemünden das Schlachtfeld am Harzhorn entdeckt wurde, sorgte der Fund innerhalb der Fachwelt für Erstaunen. An der Universität von Göttingen, aber nicht nur dort, hätte wohl keiner der dortigen Dozenten, darunter hervorragende Kenner der römischen Germanienpolitik der römischen Armee während der beginnenden Reichskrise eine Expedition so weit in der Germania libera zugetraut.
Ich glaube, niemand, der sich mit Geschichte, Archäologie, Ethnologie, Ur- und Frühgeschichte oder anderern Geisteswissenschaften beschäftigt, hat nicht einmal den Traum gehabt, wie Indiana Jones etwas Sensationelles, Verblüffendes, ungewöhnliches zu finden. Und vermutlich kennt jeder, der sich mit so etwas intensiver tiefgehender beschäftigt, das befriedigende "Heureka-Gefühl, wenn man nach langer Suche fündig wird. Mag der Fund eine Münze, ein Schriftstück, eine Tonscherbe oder etwas anderes sein.
Judas Phatre sagte einmal, die Stecknadel im Heuhaufen findet nur, wer danach sucht. Ein solcher Fund mag zufällig sein, aber den Fund als solchen überhaupt erkennen zu können, ihn auszuwerten, in den Kontext einzuordnen, kann nur dem gelingen, der sich dazu die nötigen Kenntnisse auf dem Gebiet der Paläographie, der Numismatik, der Papyrologie, kurz der historischen Hilfswissenschaften angeeignet hat.
Selbst wer eher eine Karriere als Raubgräber, Fälscher
oder in der Grauzone des Antiquitätenhandels anstrebt, wird dabei nur erfolgreich sein können, wenn er sich mit historischen Hilfswissenschaften auskennt.
Nach meiner Erfahrung wird letztlich jeder, der sich tiefer gehend mit Geschichte, Archäologie, Paläontologie oder anderen Geistes-, Natur- und Sozialwissenschaften beschäftigt und dabei nicht nur an der Oberfläche bleiben will, danach streben, das professionell zu tun.
Sicher, es werden viele Faktoide geschaffen, mancher schmückt sich mit fremden Federn, und es gibt Leichtgläubigkeit, aus der man Kapital schlagen kann. Wirklich befriedigend ist es aber nach meiner Erfahrung
nicht, wer anderen etwas vormacht betrügt sich am Ende nur selbst.
Professionell zu arbeiten,heißt methodisch korrekt zu arbeiten. Die Regeln der wissenschaftlichen Methodik sind nicht beliebig, es hat seine guten Gründe, weshalb sie so sind wie sie sind. Darüber kann man sich auslassen und schwadronieren, aber wer sie in Frage stellt, tut gut daran, sich wenigstens die Grundlagen anzueignen, wenn man sich nicht lächerlich machen will. Die Fragen der historischen Methodik sind nicht beliebig. Wer die Frage beantworten kann: was sind überhaupt historische Quellen und was versteht man unter literatur?
wird mit selbstgebastelten Hypothesen kaum zu beendrucken sein.