Hallo brigont, zu deiner Ausgangsfrage, richtig gute Frage! Warum? Erst dadurch ist mir aufgefallen, dass die römischen Quellen (Ravenik hat richtig eingeschränkt, dass viele verloren gegangen sind), die uns bekannt sind, an einer genaue gesellschaftlichen Beschreibung der italischen keltischen Gesellschaft desinteressiert (z.B. Polybios) sind. Polybios ist recht sparsam mit Personennamen, nicht einmal Brennos erwähnt er, einmal erzählt er, dass die Boier ihre eigenen Doppelkönige Atis und Galatos töteten (2,21,5). Sonst erwähnt er die anonymen Häupter (Prinzeps) der Kelten, im Vergleich zur Beschreibung der gallischen Gesellschaft durch Cäsar (und sicher auch Poseidonios) bleiben seine Informationen jedoch kursorisch und ankedotenhaft - Polybios erwähnt (2,17,10), dass die Kelten keine anderen Künste als Landbau und Krieg kennen und ein einfaches Leben führen würden - direkt danach spricht er jedoch vom Gold, dass die Kelten wie das Vieh zu ihrem Besitzstand zählen würden (auch die cisalpinen Kelten prägten Münzen). Eine priesterliche Kaste wie die Druiden beschreibt er nicht, spricht aber von Tempeln: die Insubrer holen ihre unbeweglichen Feldzeichen aus dem Tempel der Athena (2,32,6): selbst das keltische Pantheon ist keiner Erwähnung wert. Polybios enschuldigt sich fast, wenn er abschließend seinen Exkurs zu den römischen Keltenkriegen begründet (2,35,4):
"meinerseits glaube ich in Ansehung ihrer bald erfolgten Austreibung aus der ganzen Ebene des Padus, mit Ausnahme weniger am Fuß der Alpen gelegenen Gegenden, weder ihren ersten Einfall, noch die später von ihnen vollführten Taten, noch die letzte Erhebung mit Stillschweigen übergehen zu dürfen, indem ich es für Pflicht des Geschichtsschreibers halte, solche Zwischenspiele des Schicksals dem Gedächtnis der Nachwelt zu überliefern, damit nicht die kommenden Geschlechter, mit dergleichen Ereignissen völlig unbekannt, bei plötzlichen und unerwarteten Einfällen der Barbaren den Mut verlieren..." Seine Beschreibung der Kelten ist stark klischeebehaftet, es ist kein ethnographischer Exkurs, ähnlich auch bei Livius (im 5.Buch 33,4-35.3), es gibt nur magere Informationen zum politischen und sozialen Leben, zur Religion, Gebräuchen, Feste, Wohnorten oder dem Wirtschaftsleben. Städte wie Mediolanum werden während der Kriegsereignisse erwähnt, in der Beschreibung der Wohnorte (2,17,9) schreibt Polybios jedoch, dass sie Dörfer ohne Mauern bewohnen und keinen Hausrat besitzen. Auch in sich ist die Schilderung der italischen Kelten nicht kohärent. Dies ist vielleicht dadurch verursacht, dass die Kelten als militärischer Kriegsgegner beurteilt werden, alle Charakterisierungen mit ihrer Kriegstüchtigkeit in Beziehung stehen, wie Bernhard Kremer über Livius urteilt (Das Bild der Kelten bis in augusteische Zeit, S.17-19). So soll das primitive planlose Wohnen vielleicht eine Mentalität der keltischen Kriegsgegner bebildern, die wie Polybios (2,35,2-3) urteilt, von Planlosigkeit, fehlender Klugheit und Mangel an Überlegung gekennzeichnet ist (dem stellt er ihre verzweifelte Kühnheit und Leidenschaft entgegen). Wer jedoch Livius Beschreibung der Schlacht an der Allia liest, stellt fest, dass ausnahmsweise der senonische Fürst berechnend und überlegt handelt (und klug die Besatzung eines Hügels zuerst angreift (Liv.5,38,3), und ganz untypisch die römischen Feldherren "unrömisch" unüberlegt agierten (kein Aufschlagen eines Lagers, keine Befragung der Götter, keine Anlage einer Verschanzung, Schwächung des Mitteltreffens, Liv. 5,38,1).
Zu deiner Frage der Tempel und Heilgtümer: sie werden bei Polybios eben nur im Zusammenhang mit den Kriegshandlungen herangezogen, sind für ihn von keinem eigenständigen ethnographischen Interesse. Schade für uns, weil wir dadurch aus den überlieferten schriftlichen Quellen recht wenig über die italischen Kelten erfahren.
Zu deiner Frage nach archäologischen Funden werde ich hoffentlich bald etwas schreiben. Unten doch eine andere Kunst als Landbau und Krieg, der Helm von Canosa di Puglia, 4.Jahrhundert BC