Ich muss jetzt doch etwas grundsätzliches zum Diskussionsverlauf um die archäologischen Analysen sagen.
So sehr ich die Infragestellung und Befragung von Hypothesen schätze, fällt mir jedoch auf, dass der Fundzusammenhang vernachlässigt wird, die Infragestellung nicht auf die Synthese der unterschiedlichen Analysen (Vergleich, Chronologie, Hinzuziehung von Schriftquellen) eingeht bzw. vernachlässigt.
1.Beispiel:
@Stilicho fragt, ob ein einzelne reiternomadische Grabbeigabe etwas über die Bestattete oder die Bestatteten aussagt: im Prinzip ein sehr guter Einwand, wäre es
nur der zerbrochene Bronzespiegel gewesen - wahrscheinlicher ist es jedoch, dass es über beide, Bestattete und die Bestattenden etwas aussagt - es ist ihr persönlicher Schmuck, darunter eine nierenförmige Gürtelschnalle, der Kamm, und auch ein
besonderer Bronzespiegel (Typ II nach Anke), der auf das Karpatenbecken verweist. Wenn wir hier diese spezifische Genauigkeit nicht berücksichtigen, werden wir am Ende zum Ergebnis kommen, dass es keine Ergebnis gibt.
Deswegen schrieb ich oben auch eine Annäherung, die sollte so genau wie möglich sein.
2.Beispiel:
@Maglor wies auf die Möglichkeit hin, dass es eine Alanin gewesen sein könnte, und erwähnte den Zug eines Teils der Alanen 406 über den Rhein, zusammen mit Vandalen. Eine andere Gruppe der Alanen hatte sich den
Terwingen angeschlossen, die zusammen mit diesen 378 das oströmische Heer bei Adrianopel geschlagen hatten, als oströmische Föderaten zuerst in Thrakien angesiedelt waren und später möglicherweise unter Alarich im Illyricum.
Die Schädelverformung alleine, oder die Grabsitte des zerbrochenen Spiegels lassen diese Alanen-Hypothese zu: gibt es jedoch
Hinweise auf einen byzantinischen Einfluss auf Tracht und Schmuck bei den Alanen, der sich in der Adlerfibel zeigt, und das Bedürfnis sich "der Selbstdarstellung der höchsten Führungsschichten im Imperium anzugleichen" (Bemmann) ? Ich hatte nicht zufällig den Fund von Domagnano zum Vergleich daneben gestellt, es gäbe weitere Adlerfibelfunde, die eindeutiger dem "gotischen Herrschaftsbereich" zugeordnet werden können.
3.Beispiel:
@Stilicho sagt, dass man nicht vielmehr aussagen könne, als dass es sich um eine Frau aus den Gruppen, die unter "Hunnen" subsumiert werden, handeln könne. Der Fundort in Thüringen ist einzigartig (Forschungstand heute), auch in dieser reichen Ausstattung -
es handelt sich nicht um ein typisches "Reiternomadisches- hunnisches" Grab, es sticht selbst aus anderen reichen Frauengräbern heraus.
Anzeige von Das langobardenzeitliche Gräberfeld von Wien-Mariahilfer Gürtel. Mit einem Beitrag zur künstlichen Schädeldeformation im westlichen Karpatenbecken
Nach dem Zusammenbruch des Attila-Reichs verschwindet die Sitte der Schädeldeformierung langsam (siehe link).
Welche hohe Adelige, die in ihrer Kindheit noch unter hunnischer Oberhoheit aufgewachsen ist (erste Hälfte des 5.Jahrhunderts?) begab sich mit Gefolge (dass sie mit ihren Grabsitten bestatten konnte) zu den Thüringern?
Ich verweise auf den oben von
@Sepiola verlinkten Tagungsband:
"
Wesentlich besser bezeugt sind dagegen die Beziehungen der Thüringer zu den Goten und Langobarden. Ausgehend von dem bekannten Brief Theoderichs des Großen an den Thüringerkönig Herminafrid anlässlich der Übersendung von Theoderichs Nichte Amalaberga nach Thüringen analysierte GERD KAMPERS (Bonn) die politischen Hintergründe des ostgotisch-thüringischen Ehebündnisses, das vor dem Zusammenbruch des außenpolitischen Sicherungssystems des Ostgotenkönigs in den Jahren 506/08 zu sehen sei. Die von Theoderich überlieferten Schreiben ließen erkennen, dass die Ehe Herminafrids mit Amalaberga frühestens im Jahr 507 geschlossen worden sei. Dies mache das politische Gewicht dieses Bündnisses erst richtig einsichtig. Allerdings sei zu beachten, dass die gotisch-thüringischen Beziehungen schon weiter zurückreichten, wobei das teilweise identische Namensgut von Angehörigen gotischer und thüringischer Herrscherfamilien auch auf genealogische Verbindungen hindeute."
Die Frühzeit der Thüringer. Archäologie, Sprache, Geschichte | H-Soz-Kult. Kommunikation und Fachinformation für die Geschichtswissenschaften | Geschichte im Netz | History in the web
Meiner Ansicht nach ist es politisch richtig, erst nach dem Ende der Oberhoheit der Hunnen nach der Schlacht am Nedao
Schlacht am Nedao – Wikipedia von einer "Ethnogenese" der Ostgoten zu sprechen, als Zu und Unterordnung zu einem greutungischen Traditionskern und Kampfverband. Möglicherweise waren "die Ostgoten" erst da in der Lage eine eigenständige dynastische und diplomatische Politik zu führen - wie es sich im Versuch Theoderichs zeigt, eine antifränkische Allianz zwischen Thüringern, Langobarden und Ostgoten zu schmieden.
Das Herausgreifen einzelner Artefakte und Informationen führen meiner Ansicht nicht weiter, erst in der Gesamtschau des Grabfundes, seiner Stellung, Datierung lassen sich tragfähige und belastbare Aussagen treffen.
P.S. Das hat sich zu einem spannenden Thema weg von der Ausgangsfrage entwickelt, sollte es möglicherweise in den Germanen-Ordner verschoben werden?