hatl
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Die wichtigste Manifestation gegen den WW1 war der Sozialisten Kongress 1912 in Basel. Gerade auch weil Jaures anwesend war und man sich unter den Teilnehmern der heraufziehenden Gefahr durchaus bewußt war,
weiterkämpfen oder unterschreiben ?
100 Jahre Friedenskongress // Der Kongress von 1912
Seine Ermordung war ein Rückschlag für die Chance einer pazifistischen Kooperation der französischen Sozialisten und den deutschen Sozialdemokraten.
Wiki: "Unmittelbar vor Beginn des Ersten Weltkrieges wurde Jean Jaurès am 31. Juli 1914 in einem Pariser Café bei einem Attentat von dem französischen Nationalisten Raoul Villain ermordet. Nach dem siegreichen Krieg und entsprechend langer Untersuchungshaft wurde der Mörder des Kriegsgegners Jaurès am 29. März 1919 von einer Cour d’assises (Geschworenengericht) freigesprochen. Zudem wurden die Kosten der Witwe Jaurès’ aufgebürdet."
Jean Jaurès – Wikipedia
Sofern wir über Pazifismus reden sollte auch das Wirken von Tolstoi genannt werden. Der einen Einfluss auf Gandhi und in der Folge auch auf M.L. King hatte.
Tolstojaner – Wikipedia
Aber noch zur Frage einer "Klassifikation" von Pazifisten. Ein Einblick in die vielfältigen Interessen und Motive bietet die Friedensbewegung im Rahmen der "Nachrüstungsbeschlüsse". In diesem breiten Bündnis finden sich nahezu alle Schattierungen wieder, in denen sich Pazifismus organisiert.
Es waren die Kirchen mit einer ethisch, religiösen Ablehnung, die auf Kirchentagen breit diskutiert wurde. Es waren eine Gruppe von europäischen Generälen, die sich dagegen ausgesprochen haben, Bastian war einer von ihnen. In diesem Kontext waren auch national-konservative Kreise wie - Oberst - Mechterheimer, die auch aus militärischen Überlegungen diese neuen Mittelstreckenwaffen ablehnten.
Jede dieser Gruppen hatte eine spezifische Motivation, die auf eine fundamentale Ablehnung basierte, oder alternative militärische Konzepte (Techno-Kommandos etc.) zur Kriegsführung ohne atomaren Suizid berührten.
Gemeinsam war alle die Ablehnung der absurden Logik der militärischen Hochrüstung, die auf eine Destabilisierung der Lage abzielte und die Gefahr eines finalen Krieges mit einem globalen atomaren Genozid wahrscheinlicher machte.
Und an diesem Punkt kann man durchaus eine Reihe von wiederkehrenden Argumentationsfiguren zur Situation vor dem WW1 erkennen.
Danke.
Dazu ein paar Anmerkungen.
Es kehren ja nicht nur „Argumentationsfiguren“ wieder, auch hat die Lage des Kalten Kriegs Ähnlichkeiten mit der vor dem Ersten Weltkrieg.
Und es gibt auch Unterschiede.
Der wichtigste besteht vielleicht in dem Umstand, dass ein Atomkrieg auch die Entscheidungsträger vernichten würde.
Man versuche sich mal vorzustellen, die ca. 50 Entscheidungsträger am Vorabend des Ersten Weltkriegs hätten tatsächlich damit rechnen müssen physisch vernichtet zu werden.
Es bedarf wenig Fantasie anzunehmen, dass sie vorsichtiger agiert hätten.
(selbst der Conrad von Hötzendorf, sorry @Turgot, das kann ich mir nicht verkneifen, hätte ja nicht seine Gina und sich selbst nicht in jene Hölle schicken wollen, die er mit wenig Mitgefühl für seine Soldaten vorsah.)
Zu den Ähnlichkeiten:
Es entstehen mit fortschreitender Geschwindigkeit bisher ungekannte und unerprobte Mittel der Zerstörung, von denen man weiß, dass sie die bisherigen in der Wirkung in Zehnerpotenzen übertreffen müssten, sofern ein großer Krieg ausbräche.
Das wissen sehr viele, wenn nicht fast alle. Es weiß das der Alte Moltke, und der Jüngere, der von der Goltz weiß es. Der Bethmann weiß es, und der Nikolaus II.
Und der Kennedy weiß es, und der Nixon und der Reagan. Der Chruschtschow, der Breschnew, der Antropov, und der Gorbatschow.
Und die Friedensbewegung versteht das auch.
In den Jahren vor der Urkatastrophe des Großen Kriegs, und auch im kalten Krieg.
Was man in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts „Kalter Krieg“ nannte, hieß vor dem Ersten Weltkrieg „bewaffneter Frieden“.
„Brinkmanship“ war Diplomatie mit militärischen Mitteln.
Auch wurde in beiden Fällen gesehen, welche Risiken der Eskalation eine geschichtlich einmalig schnelle Bereitstellung der Vernichtungspotenz bergen müsste.
Es gibt noch eine weitere interessante Parallele.
Das ist die Einsicht der Pazifisten, dass der Frieden nur auf internationaler Ebene verhandelt und erreicht werden kann.
Das ist der Gegenentwurf zum Nationalismus.
Tolstoi geht so weit zu sagen, dass es keine patriotische Kriegsgegnerschaft geben könne, da der Patriotismus Kriegsursache sei.