Bei aller Differenz zwischen Stilicho und mir: Die Regierung Rajoy hat viel zu überzogen reagiert.
Ich denke das ist insgessamt durchaus konsensfähig oder?
Auch wenn ich mich oben einigen Auffassungen von
@Stilicho nicht angeschlossen habte, möchte ich meine Äußerungen zu dem Thema durchaus nicht als Päldoyer für das Handeln der Zentralregierung und der Polizei- und Sicherheitskräfte verstanden wissen, ich sehe nur den postulierten Vorsatz von ausufernder Polizeigewalt als explizit antikatalanische Unterdrückungsmaßnahme nicht hinreichend belegt.
Das hat hat zur Polarisierung in der ganze Sache erheblich beigetragen und zu dieser toxischen links-rechts-Dichothomie, die selbst unsere Diskussion hier vergiftet beigetragen: wer gegen die Separation Kataloniens ist oder die Argumente der Separatisten in Zweifel zieht, ist rechts. Auch das ist ein Narrativ, der Leute verstummen lassen soll, die nicht ins rechte Lager gehören.
Wobei es natürlich außerhalb eines Landes in dem es separatistische Bewegungen gibt, leicht skurril erscheint, jemandem, der eine nationalistische Agenda
nicht unterstützt dem Vorwurf zu machen in irgendeinem rechten Lager zu stehen.
Weswegen mich im Übrigen das hineinziehen dieses Narrativs in die Diskussion hier im Form irritiert.
Dieser Diskurs mag ja innerhalb der katalanischen (und ggf. Teilen der Spanischen) Gesellschaft funktionieren, außerhalb davon dürfte die Vorstellung dass zentrifugaler Nationalismus, wie der in Katalonien eine linke Agenda vertrete, das Modell eines multinationalen spanischen Staates unter Einschluss von Basken und Katalanen demgegenüber, in irgendeiner Form rechtsgerichtet sei, eher für Irritationen sorgen.
Was nun die Separatisten und Minderheiten in Katalonien anbelangt, so muss man ganz klar sagen, dass auch viele inner- wie extranationale Migrantennachkommen (also Kinder andalusischer oder kastilischer oder lateinamerikanischer Eltern) die Segregation unterstützen, auch Leute, die kein Català sprechen.
Es würde mich im Übrigen nicht mal wundern, wenn es in Katalonien auch größere Gruppen von Personen gäbe, die sich keinesfalls als Katalanen, sondern dezidiert als Spanier verstehen und die Unabhängigkeitsbewegung aus taktischen Gründen unterstützen, um größere Autonomierechte, von denen sie als Bewohner der Provinz auch profitieren würden, als Kompromissvorschlag salonfähig zu machen.
Das Problem, was ich im Verlauf der Diskussion hier bisher in diese Richtung wahrgenommen habe (nicht bei dir), ist vor allem der Umstand, dass Katalonien hier sehr oft mehr oder weniger als kulturell einheitliche, sich in ethnischer/sprachlicher Hinsicht von Spanien unterscheidende Region wahrgenommen wird.
So weit mir bekannt, spricht aber ein durchaus beachtlicher Teil der Bewohner Kataloniens selbst überhaupt kein Català, eine andere Gruppe spricht es wohl, aber nicht als Muttersprache und inwiefern, diejenigen, die es überhaupt nicht sprechen oder es zwar sprechen, im Alltag aber bevorzugt spanische Mundarten verwenden sich en gros selbst als Katalanen idntifizieren, wäre wohl durchaus zu hinterfragen.
Um da nicht falsch verstanden zu werden, ich möchte angehörigen der bezeichneten Gruppen diese Selbstidentifikation sicher nicht absprechen nur werden sich in Katalonien selbst, sehr wahrscheinlich durchaus nicht völlig marginale Anteile an der Bevölkerung finden, die sich gerade nicht als angehörige einer katalanischen Nation definieren.
Und wenn die Frage des Selbstbestimmungsrechts für die Katalanen in Spanien aufgemacht wird, kann man die sich gleichzeitig aufdrängende Frage des Selbstbestimmungsrechts der Spanier und anderer Gruppen in Katalonien natürlich nicht ausklammern.
Oder anders ausgedrückt, wenn jemand ein Recht auf Sezession beansprucht, müsst er ja konsequenter Weise auch Gruppen, die das nicht mittragen wollen das Recht auf Sezession von der Sezession zugestehen.
Insofern, denke ich, wenn man das Thema Autonomie und Selbstbestimmung ausschließlich aus katalanischer Sicht betrachtet und die Rechte der Nichtkatalanen in Katalonien aus der Diskussion aber ausklammert, nimmt man eine Position ein, die auf einem Auge blind ist, und Minderheitenschutz exklusiv für eine Gruppe reklamiert obwohl auch andere darauf Anspruch haben könnnten.
Daher der Hinweis in die Richtung der Frage, was denn die katalanischen Separatisten kataloniens Minderheiten bisher so an Minderheitenschutz anzubieten bereit waren, in ihren Agenden.