Widerstandskämpfer

Vielleicht mache ich es mir als Jurist zu einfach, aber wenn ich die Frage mit den Mitteln der hiesigen Rechtsordnung bzw. der ihr zugrunde liegenden Werte beantworten sollte, komme ich zu einer raschen Antwort: Die Schwere eines Unrechts bestimmt sich nicht nach dem Ergebnis der Tat, sondern nach dem Tatvorsatz.

Ich denke anngesichts Jahren planvoller Vorbereitung des Weltkriegs wird man den Vorsatz aber als gegeben betrachten dürfen.

Zugegeben, ich bin kein Experte für die Weltkriegszeit, aber ich war immer der Meinung, dass bis zur Blomberg-Fritsch-Krise im Offizierskorps der Glauben vorgeherrscht habe, es gehe Hitler in territorialer Hinsicht vor allem darum, die Folgen des ersten Weltkriegs zu revidieren. Selbstverständlich stellte auch dies das Verbrechen der Aggression dar, aber berücksichtigt man die vorherrschende Meinung nach 1918, wundert es mich nicht, dass gerade die Eliten z.B. die verlorenen Gebiete in der Zweiten Polnischen Republik als deutsches Eigentum betrachteten.

Ein Experte für die Zeit bin ich auch nicht, aber für das Militär interssiere ich mich ja nun doch etwa (wenn auch mehr für Kaiserliche, als für die Wehrmacht).

Aber bereits die Hoßbach-Niederschrift weist aus, dass Hitler intern nicht nur von einer Rückholung der im Versailler Vertrag verlorenen Gebiete sprach, sondern auch von, von Österreich, einer Agression gegen die Tschechoslowakei, deren vollständige Angliederung an Deutschland und sogar von der planmäßigen Vertreibung von Einwohnern dieses Gebietes.

Das ging offensichtlich über die Revision des Versailler Vertrags hinaus und auch über alles was man sich an Revisionsforderungen (Kolonien), evt. Angliederung Österreichs sonst noch so einbilden konnte.

Nun war von genannten Herren niemand persönlich anwesend, als Hitler diese Einlassungen ventilierte, oder jedenfalls wäre das nicht überliefert, Hoßbach scheint Beck allerdings über den Inhalt informiert zu haben und der Nachlass Becks, in dem sich eine Parallelüberlieferung der Niederschrift erhalten zu habe scheint, weißt jedenfalls aus, dass der Mann den Inhalt kannte.

Auch wenn das nicht explizit überliefert wäre, fiele es im Übrigen schwer zu glauben, dass der Generalstabschef des Heeres, der für die Organisation eines solchen Unternehmens unabdinglich war hierüber nicht informiert worden wäre, immerhin musste der Mann ja wissen gegen wen er den Krieg mit vorbereiten sollte.
Ähnliches wird man für v. Witzleben mindestens mutmaßen dürfen. Der Mann war Befehlshaber des Wehrkreises III. Berlin und man wird davon ausgehen dürfen, dass die Kommandanten der Wehrkreise und der Armeekorps wenigstens grob entweder aus dem Kriegsministerium oder über den Generalstab des Heeres in Kennntnis gesetzt wurden.

Da Hitler selbst Verwicklungen mit anderen Mächten, wie Polen, der Sowjetuinion oder den Westmächten als Möglichkeiten explizit angesprochen und erörtert hatte, musste es sich eigentlich von selbst verstehen, dass die Befehlshaber der jeweiligen, potentiell betroffenen Wehrkreise darüber informiert werden mussten, weil das für diesen Fall dann Vorkehrungen voraussetzte.

Zu v. Witzlebens Wehrkreis gehörte das Stadtgebiet von Berlin (Gefahr potentieller Luftangriffe, im Fall einer Auseinandersetzung mit den Westmächten) außerdem gehörte Ostbrandenburg und ein Teil der "Grenzmark-Posen Westpreußen" mit zu diesem Wehrkreis, mit der Folge, dass er östlich unmittelbar an polnisches Gebiet grenzte und somit vorbereitet sein musste, sollte ein Angriff auf die CSR zu feindlichem Verhalten Polens führen.
Den wird man, wie die anderen Befehlshaber der Wehrkreise in den relevanten Grenzgebieten sicherlich eingeweiht haben.

Nach dem Einmarsch in Österreich ließ Hitler den "Fall Grün" (Kriegsszenario gegen die CSR) ausarbeiten/überarbeiten und im Zuge der Sudetenkrise erhielt die Wehrmacht am 3. September Weisung sich gemäß der Instruktionen von "Fall Grün" für einen Überfall auf die CSR zum 27. September 1938 bereit zu halten.
Die konkrete Absicht die CSR militärisch zu zerschlagen, musste spätestens hier allen höheren Offizieren der Wehrmacht bekannt geworden sein, "Fall Grün" war ja nicht etwa ein Szenario, dass sich auf militärische Besetzung der Grenzgebiete beschränkte, die man als Schutz der Minderhheitenn oder gerechtfertigte Ansprüche hätte verkaufen können, sondern es ging klar darum in Prag einzumarschieren und dem tschechoslowakischen Staat ein Ende zu machen.

Und angesichts dessen, dass es im Zuge der Sudetenkrise und vor dem Hintergrund von Hitlers Weisung zur so genannten "Septemberverschwörung" unter Beteiligung von Halder, Brauchitsch, Beck, v. Witzleben und anderer Militärs, wie Stülpnagel und Adam ist diese Absicht und ihre möglichen Folgen wohl durchaus auch ziemlich genau verstanden worden.

Teilweise waren die höheren Offiziere seit Ende 1937/ Anfang 1938 in Hitlers Absichtenn bezüglich der CSR eingweiht, spätestens im September 1838, als Hitler Bereithalten für den Krieg gegen die Tschechoslowakei gemäß "Fall Grün" anordnete mussten alle höheren Offiziere, oder mindestend diejenigen, die Formationn führten, die für den Angriff auf die CSR vorgesehen waren, wissen, was die Stunde geschlagen hatte, ihre Stabschefs, die die koordinierende und organisatorische Arbeit zu erledigen hatten auch.

Das war nun deutlich vor dem September 1939. Auch die "Zerschlagung der "Resttschechei" war offensichtlich nichts mehr, was man als "Revisionspolitik" noch verkaufen konnte und wirlich allerspätestens hier, musste jeder noch so naive Charakter sehen, dass es nicht um die Revision von Versailles ging, sondern um darüber hinausgehendes mit verbrecherischem Charakter.
Spätestens wer hier noch mit machte, machte sich eindeutig schuldig.

Beck kommandierte zwar im 2. Weltkrieg nicht mehr, weil er Ende 1938 aus dem aktiven Dienst ausschied, er hatte aber in Kenntnis der Hoßbach Niederschrift und ihrer Implikationen auch im Hinblick auf die Tschechoslowakei als Generalstabschef des Heeres Hitler gehofen genau das vorzubereiten und als (Septemberverschwörung) die Einsicht gereift war, dass man Hitler aufhalten müsse, blieb er wie die anderen BEteiligen, letztendlich untätig.

Erwin v. Witzleben übernahm trotz allem als der 2. Weltkrig losbrach das Kommando über die 1. Armee im Westen, machte also jedenfalls den Westfeldzug mit und wurde 1941 noch für kurze Zeit (er schied März 1942 aus dem aktiven Dienst aus) zum Oberbefehlshaber West ernannt, heißt er trug auch in dieser Zeit ein erhebliches Maß an Mitverantwortung am deutschen Besatzungsresgie in Westeuropa und daran, was dieses so trieb.
Auch wenn der OB-West nicht für die Verwaltung der besetzten Gebiete zuständig und er gegenüber der Zivilverwaltung nicht weisungsbefugt war und somit nach meinem Verständnis jetzt nicht direkt für die Anordnung oder die direkte, aktive Mitwirkung an Dingen, wie der Internierung oder derDeportation der Juden aus dem deutschen Besatzungsbereich oder deren Vorbereitung, verantwortlich gemacht werden kann, aber das lief durchaus vor seiner Nase und als OB West schützte er diejenigen, die das vorbereiteten, organisierten und betrieben militärisch.

Erich Hoepner ´hat sowohl im Krieg gegen Polen, als auch gegen Belgien, als auch gegen Russland aktiv Truppen geführt, war mit der Weisung Barbarossa anscheinend sehr einverstanden und machte sich auch persönlich schuldig, indem er zu denjenigen Kommandeuren gehörte, die sich bei der Anordnung des "Kommissarbefehls" sehr hervortaten.


Diese Männer waren auf die eine oder andere Weise recht ordentlich mit Schuld beladen, würde ich meinen.


Das habe ich auch nicht behauptet. Mein Kommentar bezog sich auf die gesellschaftliche Rezeption (siehe auch der vorangegangene Kommentar von mir), nicht die hiesige.
Dann habe ich den Teil missverstanden.
In diesem Fall bitte ich darum meine Einlassung, was das betrifft einfach als gegenstandslos zu betrachten, ich wollte dir damit scherlich nicht auf die Füße treten oder irgendwas unterstellen.
Mag auch sein, dass das Verschulden des Missverständnisses hier bei mir liegt.
 
Ich bin der Ansicht, dass der Begriff Widerstandskämpfer tatsächlich nur auf den Zeitraum der NS-Diktatur angewendet Sinn macht, dass er völlig farblos, beliebig, schwammig und banal wird, wenn er wahllos auf antike oder gar vor-geschichtliche Gesellschaften angewendet wird.
Widerstandskämpfer wird man dann womöglich, weil einer mit Fred Feuerstein in der Steinschleuderkompanie einen Flüsterwitz gerissen hat.

Bis in die Antike zurück zu gehen ist eine Sache, aber die Einschränkung auf nur und ausschließlich den NS kanns auch nicht sein. Kann man gegen andere Diktaturen und Unrechtsregime der Moderne keinen Widerstand leisten? Für mich hörtt sich das nach einer Tendenz an, die ich schon in anderem Zusammenhang kennengelernt habe, und problematisch finde: Das eigentlich alles unterhalb der NS-Verbrechen kaum der Rede wert, und ein Kampf dagegen verdächtig ist.

Würde man ihn zum „Widerstandskämpfer“ stilisieren, wäre auch jeder Häftling, der ausbricht und sich auf der Flucht Schießereien mit der Polizei (die ihn wieder einzufangen versucht) liefert, ein „Widerstandskämpfer“ gegen den Staat.

Der Vergleich zwischen einem unschuldig in Sklaverei geratenem Menschen, und einem verurteilten Verbrecher, ist vielleicht doch etwas daneben...
 
Spartacus soll Deserteur und Räuber gewesen sein. Falls das stimmt, wäre er auch nach heutigen Maßstäben nicht ganz so unschuldig. Nach römischen erst recht nicht. Obendrein war nach römischen Maßstäben die Versklavung von Menschen in bestimmten Situationen legal und legitim. Durch sein Handeln vor und nach seiner Versklavung brach er so und so mit den römischen Rechtsvorstellungen.

Aber darum geht es mir eigentlich gar nicht, sondern darum, dass jemand, der aus persönlichen Gründen aus Gefangenschaft flieht (mag er nun zu Recht oder zu Unrecht gefangen gewesen sein), um sein Überleben kämpft und dafür notfalls auch Gewalt gegen die ihn verfolgende Staatsmacht anwendet, deswegen nicht zum "Widerstandskämpfer" wird, wenn es ihm nur um sein persönliches Entkommen und Überleben (sowie das seiner Gefährten) geht, er aber nicht das "System" oder die "Regierung" an sich bekämpfen und ändern will.
 
Spartacus war kein „Widerstandskämpfer“. Er kämpfte weder gegen die Sklaverei als solche noch gegen das Römische Reich als solches, sondern floh lediglich selbst mit anderen aus der Sklaverei. Andere Sklaven schlossen sich ihm zwar an, aber er kämpfte nicht, um die Befreiung aller Sklaven im Reich zu erzwingen, sondern um zu überleben. Er selbst wollte Italien verlassen, seine Gefährten zum Teil lieber bleiben und plündern (was keine sonderlich zukunftsträchtige Option war).
Würde man ihn zum „Widerstandskämpfer“ stilisieren, wäre auch jeder Häftling, der ausbricht und sich auf der Flucht Schießereien mit der Polizei (die ihn wieder einzufangen versucht) liefert, ein „Widerstandskämpfer“ gegen den Staat.

Die frühen Christen leisteten keinen aktiven Widerstand, sondern weigerten sich fallweise lediglich, obrigkeitlichen Anordnungen Folge zu leisten. Das Römische Reich als solches und sein System stellten die meisten nicht infrage, auch nicht das Kaisertum als solches, nur seinen Anspruch auf kultische Verehrung. (Siehe schon das Matthäusevangelium: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört.“)

Das Problem ist, dass wir sehr wenige Quellen zu Spartacus haben, was seine Motivation war wissen wir nicht. Nach dem Rechtsverständnis Roms hatte Spartacus nicht das Recht, aus der Gladiatorenschule von Capua auszubrechen und noch weniger, einen Sklavenauufstand zu entfesseln. Nach unserem Rechtsverständnis seit der Aufklärung würde man doch Spartacus ein Natürrecht zubilligen, und wenn man sich anschaut, unter welchen Bedingungen teilweise gehalten wurden, wird man auch dem ein oder anderen Sklaven zubilligen können, da mit den Füßen abzustimmen, und eingedenk der Tatsache, dass Mahnwachen und Gebete wenig ausrichten, wird man auch den Akteuren von Sklavenaufständen ein gewisses Maß an Legitimität nicht völlig absprechen können, wenn auch zweifellos illegal . Spartacus und seine Leute haben nicht die Abschaffung der Sklaverei auf der Agenda gehabt. Es ging ihnen vor allem um die Verbesserung des eigenen Loses, und die Sklaven waren eine sehr heterogene Gruppe.

Als "Freiheitskämpfer" könnte man Spartacus aber schon bezeichnen, und Charisma wird er wohl auch besessen haben, einige antike Autoren wie Plutarch schildern ihn nicht ohne eine gewisse Anerkennung.
Des einen Freiheitskämpfer ist des anderen Terrorist, Rebell, Usurpator. Flavius Josephus beschreibt einen Rivalen Johannes von Gischala als einen Räuber und Banditen.

Wäre von Johannes eine Schrift über den jüdischen Krieg hinterlassen, er hätte wohl über den Verräter, Überläufer, Kolloborateur Joseph bar Mathias aka Flavius Josephus ein paar unfreundliche Worte gefunden. Elias Canetti widmet in Masse und Macht ein Kapitel Josephus dem großen Überlebenden.

Freiheitskämpfer oder Bandit, das hängt zuweilen doch sehr von der Optik, obwohl antike Autoren sicher Recht hatten, wenn sie sagten, dass die Übergänge fließend waren. Spartacus werden sich eine Menge Hirten angeschlossen haben, und bei keiner anderen sozialen Gruppe Hirten und Soldaten finden sich in der Antike so viele Banditen.

Ich hatte darauf schon mal hingewiesen, aber immer noch stark:
Thomas Grünewald, Räuber, Rebellen, Rivalen und Rächer- Studien zu Latrones im Römischen Reich.
 
Aber darum geht es mir eigentlich gar nicht, sondern darum, dass jemand, der aus persönlichen Gründen aus Gefangenschaft flieht (mag er nun zu Recht oder zu Unrecht gefangen gewesen sein), um sein Überleben kämpft und dafür notfalls auch Gewalt gegen die ihn verfolgende Staatsmacht anwendet, deswegen nicht zum "Widerstandskämpfer" wird, wenn es ihm nur um sein persönliches Entkommen und Überleben (sowie das seiner Gefährten) geht, er aber nicht das "System" oder die "Regierung" an sich bekämpfen und ändern will.

Da stimm ich zu, dennoch gibt es einen Unterschied, ob jemand aus einem Gefängnis flieht, in das ihn ein rechtsstaatliches Urteil gebracaht hat, oder bspw aus einem KZ...
 
Spartacus soll Deserteur und Räuber gewesen sein. Falls das stimmt, wäre er auch nach heutigen Maßstäben nicht ganz so unschuldig. Nach römischen erst recht nicht. Obendrein war nach römischen Maßstäben die Versklavung von Menschen in bestimmten Situationen legal und legitim. Durch sein Handeln vor und nach seiner Versklavung brach er so und so mit den römischen Rechtsvorstellungen.

Aber darum geht es mir eigentlich gar nicht, sondern darum, dass jemand, der aus persönlichen Gründen aus Gefangenschaft flieht (mag er nun zu Recht oder zu Unrecht gefangen gewesen sein), um sein Überleben kämpft und dafür notfalls auch Gewalt gegen die ihn verfolgende Staatsmacht anwendet, deswegen nicht zum "Widerstandskämpfer" wird, wenn es ihm nur um sein persönliches Entkommen und Überleben (sowie das seiner Gefährten) geht, er aber nicht das "System" oder die "Regierung" an sich bekämpfen und ändern will.
Rom konnte man damals nicht bekämpfen und ändern, dafür war das römische Reich zu gewaltig und zu mächtig. Aber du hast wohl Recht, Widerstandskämpfer ist jemand wohl nur, wenn er gegen eine ungerechte Herrschaft kämpft, mit dem Ziel diese zu beenden. Ich habe auch eher den Eindruck, dass der Begriff vor allem für das Dritte Reich benutzt wird und nicht für andere geschichtliche Epochen. Der Begriff ist irgendwie immer mit dem Unrechtsregime der Nazis verknüpft.
Auf Spartakus trifft wohl eher der Begriff Freiheitskämpfer zu.
Als Widerstandskämpfer würde ich da eher Andreas Hofer einschätzen, der sich damals gegen das Regime von Napoleon stellte und deswegen hingerichtet wurde.
 
Rom konnte man damals nicht bekämpfen und ändern, dafür war das römische Reich zu gewaltig und zu mächtig. Aber du hast wohl Recht, Widerstandskämpfer ist jemand wohl nur, wenn er gegen eine ungerechte Herrschaft kämpft, mit dem Ziel diese zu beenden. Ich habe auch eher den Eindruck, dass der Begriff vor allem für das Dritte Reich benutzt wird und nicht für andere geschichtliche Epochen. Der Begriff ist irgendwie immer mit dem Unrechtsregime der Nazis verknüpft.
Auf Spartakus trifft wohl eher der Begriff Freiheitskämpfer zu.
Als Widerstandskämpfer würde ich da eher Andreas Hofer einschätzen, der sich damals gegen das Regime von Napoleon stellte und deswegen hingerichtet wurde.

Freiheitskämpfer okay, Hofer vertrat aber durchaus auch rückwärtsgewandte, reaktionäre und antiaufklärerische Ziele. So bekämpfte er die Pockenschutzimpfung als bayrische Gehirnwäsche. Kurz nach der ersten Schlacht am Bergisel 1809 kam es danach unmittelbar zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung.
 
Als Widerstandskämpfer würde ich da eher Andreas Hofer einschätzen, der sich damals gegen das Regime von Napoleon stellte und deswegen hingerichtet wurde.
Welches Régime Napoléons?
Tirol und Salzburg waren nach dem 3. Koalitionskrieg Bayern zugeschlagen worden, nicht Frankreich.
Ohne mich mit dem Aufstand genau auszukennen, erscheint mir das so, als wäre es den Tirolern in erster Linie darum gegangenen von den Wittelsbachern weg und wieder zurück zu den Habsburgern zu kommen, mehr aus Loyalität zu den angestammten Ladesherren, als wegen irgendeines besonderen Brasses auf Napoléon.
 
@Shinigami

I stand corrected, then.

@Reinecke

Womit wir wohl wieder bei der Frage nach der Auflehnung gegen eine legitime Ordnung wären. Aus heutiger Sicht ist sie leicht zu beantworten, aus Sicht der Zeitgenossen aber mag dies im Einzelfall erstaunlich schwerfallen. Frage an alle Antike-Spezialisten im Forum: Gibt die Quellenlage denn darüber Aufschluss, ob die römische Durchschnittsbevölkerung anders über die Sklaverei dachte als die Eliten, denen sie hauptsächlich nützte?
 
Wie ich hier verschiedentlich lese gibt es auch Freunde die >Widerstandskämpfer< nicht nur auf die Zeit der NS-Diktatur begrenzen möchten.
Ich jedenfalls gehöre auch dazu.
Freiheitskämpfer sind natürlich nicht automatisch Widerstandskämpfer.
Man muss da schon genau hinsehen, aber der Begriff >Freiheitskämpfer< ist oft Bedeutungsverwandt mit >Widerstandskämpfer< und umgekehrt.
 
Welches Régime Napoléons?
Tirol und Salzburg waren nach dem 3. Koalitionskrieg Bayern zugeschlagen worden, nicht Frankreich.
Ohne mich mit dem Aufstand genau auszukennen, erscheint mir das so, als wäre es den Tirolern in erster Linie darum gegangenen von den Wittelsbachern weg und wieder zurück zu den Habsburgern zu kommen, mehr aus Loyalität zu den angestammten Ladesherren, als wegen irgendeines besonderen Brasses auf Napoléon.
Das war schon etwas vielschichtiger.

Die Bayern begannen schon bald, die Tiroler Eigenheiten zu ignorieren. Manche Reformen mochten durchaus gut gemeint sein, kamen aber trotzdem nicht gut an. (Eine Erfahrung, die bereits Kaiser Joseph II. mit seinen Untertanen machen musste.) Schließlich wurde (das seit dem Mittelalter bestehende) Tirol sogar als territoriale Einheit zerschlagen.
Ein besonderer Knackpunkt war das „Landlibell“, in dem Kaiser Maximilian I. den Tirolern zugesichert hatte, nur zur Verteidigung Tirols zwangsrekrutiert zu werden. Unter bayrischer Herrschaft wurden hingegen sehr wohl Tiroler ausgehoben, um für Napoleon verheizt zu werden.

Dass Bayern faktisch ein Vasall Frankreichs war, war den Tirolern auch nicht entgangen.

Insofern richtete sich ihr Widerstand durchaus (auch) gegen Napoleon, zumal sie nicht nur gegen bayrische, sondern auch gegen französische Truppen zu kämpfen hatten.
 
Frage an alle Antike-Spezialisten im Forum: Gibt die Quellenlage denn darüber Aufschluss, ob die römische Durchschnittsbevölkerung anders über die Sklaverei dachte als die Eliten, denen sie hauptsächlich nützte?
Ich befürchte, dass die Ego-Zeugnisse des durchschnittlichen Plebejers kaum Traktate über Sinn und Nutzen der Sklaverei beinhalten. Seneca stellte die Position Herr und Sklave als glückliches bzw. unglückliches Schicksal heraus und leitete daraus die Forderung ab, Sklaven gut zu behandeln.
 
Das war schon etwas vielschichtiger.

Die Bayern begannen schon bald, die Tiroler Eigenheiten zu ignorieren. Manche Reformen mochten durchaus gut gemeint sein, kamen aber trotzdem nicht gut an. (Eine Erfahrung, die bereits Kaiser Joseph II. mit seinen Untertanen machen musste.) Schließlich wurde (das seit dem Mittelalter bestehende) Tirol sogar als territoriale Einheit zerschlagen.
Ein besonderer Knackpunkt war das „Landlibell“, in dem Kaiser Maximilian I. den Tirolern zugesichert hatte, nur zur Verteidigung Tirols zwangsrekrutiert zu werden. Unter bayrischer Herrschaft wurden hingegen sehr wohl Tiroler ausgehoben, um für Napoleon verheizt zu werden.

Dass Bayern faktisch ein Vasall Frankreichs war, war den Tirolern auch nicht entgangen.

Insofern richtete sich ihr Widerstand durchaus (auch) gegen Napoleon, zumal sie nicht nur gegen bayrische, sondern auch gegen französische Truppen zu kämpfen hatten.

Da Du >Tirol< ansprichst...

Also Andreas Hofer (1767-1810), Josef Speckbacher (1767-1820) und Pater Joachim Haspringer (1776-1858) würde ich nicht nur als Freiheitskämpfer verstehen.
Da war auch eine ganzschöne Portion Widerstand dabei.
Auch hier sieht man die Bedeutungsverwandtschaft.
 
Irgendwie werden mir in diesem Thema moralische Erwägungen zu sehr mit Definitionsfragen verknüpft.
Der Tenor scheint zu sein: Ein Widerstandskämpfer ist nur (oder aber auch: jeder), wer für seinen Widerstand (nach heutigen Maßstäben) berechtigte Motive hat und gegen ein System/Regime kämpft, das (ebenfalls nach heutigen Maßstäben) komplett verbrecherisch und verabscheuungswürdig ist.
Ich meine, dass man das trennen sollte: „Widerstandskämpfer“ ist für mich, wer aus prinzipiellen Erwägungen heraus (also nicht ausschließlich in eigenem Interesse) gegen ein System/Regime kämpft, das er ganz oder teilweise ablehnt und das er daher ganz oder teilweise beseitigen oder ändern will.
Ob man seinen Widerstand als berechtigt ansieht (also z.B. meint, dass das bekämpfte System/Regime tatsächlich bekämpfungswürdig ist), ist eine andere Frage.

Durchaus bewusst ist mir allerdings auch die Gefahr einer Trivialisierung des „Widerstands“. Ich habe das selbst im Jahr 2000 beobachtet, als es in Wien wochenlang Großdemonstrationen gegen die neue „rechte“ Regierung aus der konservativen ÖVP und der „rechtspopulistischen“ FPÖ gab. Da entblödeten sich viele Demonstranten nicht, sich in eine Reihe mit den Widerstandskämpfern gegen das NS-Regime zu stellen und zum Teil deren Bezeichnungen und Symbole zu verwenden. Praktisch erschöpfte sich der „Widerstand“ allerdings neben Demonstrationen in Aktionen wie „Saufen gegen Schwarz-Blau“ (!). Dass den Widerstandskämpfern gegen das NS-Regime der Tod drohte und den wackeren Widerstandskämpfern von 2000 nur ein Kater, wurde ausgeblendet. Auch bei den „Demos gegen rechts“ der letzten Wochen lässt sich eine derartige Gleichsetzung von „Widerstand“ gegen Regierungsbeteiligungen von AfD/FPÖ mit Widerstand gegen das NS-Regime beobachten. Für mich eine pure Verharmlosung des NS-Terrors. (Komplett daneben war es freilich auch, wenn sich Corona-Maßnahmen-Kritiker mit den verfolgten Juden verglichen und die Regierungen mit der NS-Diktatur.)

Vermeiden lässt sich eine derartige Trivialisierung vielleicht, wenn man als zusätzliches Kriterium für einen "Widerstandskämpfer" nimmt, dass ihm tatsächlich gravierende Konsequenzen für seinen Widerstand drohen und er keine realistische Möglichkeit hat, seinen "Widerstand" mit den Mitteln der Demokratie und des Rechtsstaates zu leisten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich meine, dass man das trennen sollte: „Widerstandskämpfer“ ist für mich, wer aus prinzipiellen Erwägungen heraus (also nicht ausschließlich in eigenem Interesse) gegen ein System/Regime kämpft, das er ganz oder teilweise ablehnt und das er daher ganz oder teilweise beseitigen oder ändern will.
Ob man seinen Widerstand als berechtigt ansieht (also z.B. meint, dass das bekämpfte System/Regime tatsächlich bekämpfungswürdig ist), ist eine andere Frage.
Dem würde ich mich anschließen wollen.
 
Wie ist das denn mit Friedrich Spee, der ja gegen die Ermordung von Menschen als vermeintliche Hexen und Hexer war? Den würde ich auch als Widerstandskämpfer betrachten, denn auch für ihn war das ja sehr riskant.
Oder ist das in diesem Fall kein Widerstandskämpfer, weil er ja nicht gegen eine Diktatur, sondern nur gegen eine sinnlose Tötung von Menschen kämpfte?

Und bei den Widerstandskämpfern gegen das NS Regime frage ich mich immer, wie die das durchgehalten haben, da gab es Menschen, die schon 1933 kurz nach der Machtergreifung 2 bis 3 Monate in der sogenannten Schutzhaft waren(der Begriff ist der reinste Hohn) und dort jeden Tag verprügelt und gefoltert wurden.
Trotzdem gingen viele nach ihrer Freilassung sofort wieder in den Wiederstand. Da frage ich mich schon, woher Menschen den Mut nehmen, nach zwei oder dreimonatiger Folterung mit dem Widerstand weiterzumachen, obwohl ihnen doch klar sein muss, dass sie irgendwann wieder in die Hände der Gestapo fallen werden?
Oder vertrauten diese Menschen darauf, nicht erneut erwischt zu werden?
Oder war ihre Wut auf die Nazis durch die Folter noch größer geworden, so dass sie sich sagten, dass sie nun erst recht gegen diese kämpfen müssten?
Also ich wäre nach zwei oder drei Monaten Folter psychisch so gebrochen, dass ich zu Widerstand nicht mehr in der Lage wäre.
Deswegen frage ich mich oft, was diese Menschen antrieb, trotzdem weiterzumachen.
Die Gefahr muss ihnen doch bewusst gewesen sein?
Oder waren das einfach nur Menschen, die mutiger sind als der Durchschnitt der Bevölkerung?
Da frage ich mich oft, woher sie den Mut und die Kraft nahmen, mit dem Widerstand weiterzumachen?
Taten sie es, weil sie an ihre eigene Ideologie, den Kommunismus glaubten, und bereit waren, dafür Opfer zu bringen und ihr Leben zu riskieren?
Oder taten sie es, weil sie sahen, wie gefährlich der Hitlerfaschismus war, und dass dieser unbedingt beseitigt werden mussten?
Oder war es eine Kombination aus beidem?
Wie lebten diese Menschen mit der Gewissheit, dass für sie der Tod schneller kommen könnte, als ihnen lieb sein konnte?
Warum gingen sie daran nicht psychisch zugrunde?
In meiner Heimatstadt waren die Widerstandskämpfer durch jahrelange Zusammenarbeit auch fast alle untereinander befreundet, manche auch verschwägert oder auf andere Weise verwandt.
War es vielleicht auch dieser Zusammenhalt, der ihnen die Kraft gab, immer weiterzumachen, auch nachdem sie schon brutal gefoltert worden waren?
Ich frage mich immer wieder, woher diese Menschen den Mut dazu nahmen, und wie viel sie zu opfern bereit waren.
Das ist schon außergewöhnlich, wenn man bedenkt, wie gemütlich sich viele andere im Regime damals eingerichtet haben.
 
Oder ist das in diesem Fall kein Widerstandskämpfer, weil er ja nicht gegen eine Diktatur, sondern nur gegen eine sinnlose Tötung von Menschen kämpfte?
Das Problem dürfte anders liegen. Man kann den Begriff des "Widerstandskämpfers" unterschiedlich definieren, aber jede Definition dürfte als Gegenpart des Widerstandskämpfers eine repressive Ordnung verlangen, d.h. z.B. eine Regierung, ein Regime, ein Besatzungsheer, eine Organisation wie ISIS – irgendeine Macht, die Menschen fortdauernd unterdrückt und auf andere Weise nicht kleinzukriegen scheint.

Dem frühneuzeitlichen Hexenwahn fehlt diese Komponente in vielen Fällen. Manchmal, wie in Würzburg, trat die Obrigkeit als Hexenverfolgerin auf, aber meist handelte es sich um spontane Gewaltausbrüche durch die Volksmasse, auch gegen den Willen der Obrigkeit.

Außerdem impliziert der Kämpfer in "Widerstandskämpfer", dass auch der oppositionellen Person mit Repression begegnet wird – die Person bekämpft die repressive Ordnung, und die Ordnung unterdrückt den Widerstand gegen sich selbst. Wen also die Person legale oder geduldete Mittel und Wege besitzt, ihre Opposition auszudrücken, bspw. in der Politik oder vor Gericht, wird man nicht von einem Widerstandskämpfer sprechen können.
 
Deswegen frage ich mich oft, was diese Menschen antrieb, trotzdem weiterzumachen.
Die Gefahr muss ihnen doch bewusst gewesen sein?

Und wäre die Gefahr verschwunden, wenn sie nicht weitergemacht hätten?
Die Nazis hatten sie einmal willkürlich verhaften und misshandeln können, ohne dass das für das Regime Folgen hatte. Wer garantierte, dass das nicht wieder passierte?
Wer aus der Haft entlassen war, war vielleicht für den Moment sicher, aber was garantierte ihm, dass man ihn bei der nächsten Verhaftungswelle nicht wieder einsperren und malträtieren würde?
 
Außerdem impliziert der Kämpfer in "Widerstandskämpfer", dass auch der oppositionellen Person mit Repression begegnet wird – die Person bekämpft die repressive Ordnung, und die Ordnung unterdrückt den Widerstand gegen sich selbst. Wen also die Person legale oder geduldete Mittel und Wege besitzt, ihre Opposition auszudrücken, bspw. in der Politik oder vor Gericht, wird man nicht von einem Widerstandskämpfer sprechen können.
Allerdings hat von Spee seine Cautio Criminalis zumindest in den ersten Ausgaben anonym herausgegeben.
 
Und wäre die Gefahr verschwunden, wenn sie nicht weitergemacht hätten?
Die Nazis hatten sie einmal willkürlich verhaften und misshandeln können, ohne dass das für das Regime Folgen hatte. Wer garantierte, dass das nicht wieder passierte?
Wer aus der Haft entlassen war, war vielleicht für den Moment sicher, aber was garantierte ihm, dass man ihn bei der nächsten Verhaftungswelle nicht wieder einsperren und malträtieren würde?
Nein, die Gefahr wäre natürlich nicht verschwunden, besonders nicht in einer Stadt die wie ein Dorf war und wo fast jeder jeden kannte.
Aber ich frage mich eben auch, ob sie noch einmal verhaftet worden wären, wenn sie nicht weiter im Widerstand aktiv gewesen wären.
Sie wurden drei Jahre später alle wieder verhaftet, nachdem ein von der Gestapo eingeschleuster Spitzel die Widerstandsgruppe verraten hatte.
Auch da frage ich mich: Wären sie auch wieder verhaftet worden, wenn sie nicht mehr im Widerstand aktiv gewesen wären?
Oder hätte man sie da in Ruhe gelassen?
Da stellt man sich schon die Frage, warum sie weiter im Widerstand blieben, obwohl das damals lebensgefährlich war.
Ich bewundere solchen Mut ja, aber es fällt mir schwer das nachzuvollziehen, wie sie diesen Mut aufbrachten.
Ständig in Lebensgefahr zu schweben muss doch psychisch extrem belastend sein.
 
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