Andronikos schrieb:
Das hat doch primär mit den naturräumlichen Vorraussetzungen zu tun. Die Tropen sind einfach artenreicher als die gemäßigten Breiten. Letztlich basierte die Ernährung aber in beiden Regionen zum Hauptteil auf Getreide.
Das will ich gar nicht bestreiten. Allerdings gilt es auch für Nordamerika; auch dort war die pflanzliche Nahrung der indianischen Völker sehr viel artenreicher und variabler als die der Europäer.
Mais zb ist nach bisherigem Stand in Mittelamerika zuerst domestiziert worden. Er wurde jedoch an andere klimatische Bedingungen angepaßt und zum Zeitpunkt des Kontaktes wurde er bis nach Kanada hinein angebaut. Die dortige Wachstumsperiode ist aber sehr viel kürzer als in den Tropen; von daher steckt da einiges an Entwicklung dahinter. Andererseits wurde der Mais aber auch an extrem aride Klimabedingungen angepaßt und zb von den Hopi im Trockenfeldbau angebaut.
Da wir von Tropen sprechen: es ist hier ein gängiges Bild, daß dort ein Paradies vorliegt, in dem einem die Trauben halbwegs in den Mund wachsen. Das ist nicht so; die Böden im Regenwald sind nicht besonders fruchtbar und haben nur eine dünne Humusschicht, weswegen die gerodeten Böden innerhalb weniger Jahre keinen nennenswerten Ertrag mehr bringen.
Die indianischen Ethnien zb am Amazonas haben sich als Grundlage ihrer Ernährung den Maniok 'ausgesucht', der roh nicht genießbar ist und dem giftige Stoffe erst in einem längeren chemischen Prozeß entzogen werden müssen. Auch hier ist von Technologie zu sprechen. Das gleiche gilt zb für Kalifornien, wo Eicheln, das dortige Grundnahrungsmittel, in einem ähnlich aufwendigen Prozeß erst genießbar gemacht werden mußten.
Aber auch in den Anden war die Bandbreite der Pflanzen groß. Mehrere Getriedesorten wie Quinoa wurden angebaut, aber in größerem Umfang Kartoffeln. Nach Europa gelangten nur wenige der in Südamerika gängigen Sorten und nach wie vor werden nur einige wenige hier angebaut. Diese geringe Diversifizierung der Kartoffelsorten führte u.a. zur Kartoffelpest in Irland mit den bekannten disaströsen Folgen.
Im Andenraum wurden mehrere hundert Sorten angebaut; zwar ist dies heute auch reduziert, aber es sind immer noch mehr. Außerdem gab (und gibt) es ein System, nach dem die indianischen Bauern sicherstellten, daß eine Mißernte bei einer Kartoffelsorte oder auch in einem Gebiet keine allzu gravierenden Auswirkungen hatte: die Dörfer tauschten Anbauflächen, dh daß jedes Dorf auf bestimmten Feldern für mehrere andere Dörfer andere Kartoffelsorten anbauten. Die Kartoffeln sind soweit spezialisiert gezüchtet, daß sie zb in bestimmten Höhenlagen, bei bestimmten Durchschnittstemperaturen, bestimmten Wachstumszeiten etc die jeweils günstigsten Anbaubedingungen haben. Daher war kein Dorf allein auf die Ernte auf den Feldern ums Dorf herum angewiesen; wenn die nichts wurde, kam trotzdem noch was auf den Tisch.
Gewisse Rückstände ließen sich einfach nicht in wenigen Jahrzehnten aufholen.
So generell formuliert ist diese Aussage natürlich richtig. Provokativ gesagt: Rein 'zivilisatorisch' gesehen (zb Agrartechnologie, zb Freiheit des Individuums) hätte dieser Satz aber eher für die Europäer gegolten.
Wenn man bedenkt, dass in einem weitgehend von indigener Bevölkerung geprägter Staat wie Bolivien erst seit kurzem einen Präsidenten hat, der aus dieser Mehrheit stammt, ist das schon irgendwie bezeichnend für die Situation der Gesellschaften in Südamerika.
Wie bitte? Soll das jetzt bedeuten, die Indianer seien an 500 Jahren Unterdrückung selbst schuld?
Die Vorherrschaft der "Europäer" dauert auch heute noch an, obwohl sie immer eine verschwindende Minderheit waren. Ich finde das extrem bedaulich, weil gerade das die Entstehung einer wirklichen Zivilgesellschaft bis heute verhindert. Aber die Gründe die dazu geführt haben, müssen doch auf mehr beruhen als Pech.
Das tun sie auch! Wenn du eine Menschengruppe systematisch ausbeutest, sie ökonomisch unterdrückst, ihnen Bildung weitgehend (wir reden von 500 Jahren) vorenthältst, sie als nicht lernfähig abqualifizierst, diejenigen systematisch vorziehst, die ein wenig "weißes Blut" abbekommen haben, den mestizos (teile und herrsche) ökonomische/politische Vorteile einräumst, indigene Kulturen und Sprachen als minderwertig und auf Tierniveau abtust, indigene Menschen mit ähnlicher Leichtigkeit ums Leben bringst wie Fliegen und ansonsten sorgfältig darauf achtest, daß Geld, politische/ökonomische Macht etc schön in den Händen der Minorität bleiben - dann ist das wohl ein ganz bißchen mehr als "Pech" für die Indianer!