Schade, dass dieses Jubiläum in der öffentlichen Debatte etwas ins Hintertreffen geriet (auch hier), gegenüber den natürlich auch politisch bedeutsameren beiden Weltkriegsjubiläen.
Am Wochenende habe ich auf jeden Fall die große Ausstellung "Karl der Große - Macht - Kunst - Vergessene Schätze" besucht, die in Aachen gezeigt wird. Wie es Mode ist in den letzten Jahren, sind es eigentlich drei Ausstellungen in einer, "Macht" im Aachener Rathaus, "Kunst" im Centre Charlemagne (quasi Stadtmuseum von Aachen) und "Vergessene Schätze" im Domschatz.
Rein ausstellungsdidaktisch bzw. -gestalterisch fällt mein Fazit etwas verhalten aus, aber dazu gleich mehr. Der Schwerpunkt liegt hier deutlich auf den diversen Einzelkunstwerken, mit denen sich zwei der drei Ausstellungen befassen ("Kunst" und "Vergessene Schätze"). Hier sind etliche spektakuläre und weltberühmte Gegenstände zu sehen, z.B. der Tassilokelch, zahlreiche Bibeln und andere Werke der Literatur und Buchkunst, mehrere Reichskleinodien, darunter die Stephansburse.
Etwas breiter ist die Ausstellung "Macht" angelegt, die sich im Rathaussaal befand, und die ich auch am gelungesten fand.
Im Grunde geht es hier um Karls Hofhaltung und seine Herrschaftsrepräsentation von den Zeiten als junger König bis zu seinem Tod. Es war die einzige der drei Ausstellungen, die viel erläuterndes Material, ein paar Filmchen (z.B. wie der Hofstaat umher reist) etc. beinhaltete. Am nettesten fand ich eine Ecke, wo wichtige Figuren des Hofes wie Comicfiguren gezeichnet wurden, mit (teils postmodernen) charakterisierenden Sprüchen. Auch das Fundmaterial ist hier etwas breiter, umfasst Waffen, Architekturteile etc.
Die beiden anderen Ausstellungen fand ich aber nicht so gelungen, davon abgesehen, dass es eben spektakuläre Funde gab.
Im Centre Charlemagne waren die Begleittexte nur äußerst knapp (muss dazu allerdings sagen, dass der Audio Guide vielleicht mehr bot, aber darauf verzichte ich grundsätzlich). Die Präsentation war äußerst trocken, wenn man mal von der Darstellung der Pfalz u.a. mit schönen CAD-Filmchen absieht. Dies gehört aber ohnehin zur Dauerausstellung.
Bei der Ausstellung im Domschatz ging aus meiner Sicht das ganze Konzept schief. "Vergessene Schätze" sollte eigentlich darstellen, wie schon in Mittelalter und Neuzeit etliche Personen und Kreise, darunter z.B. Napoleon plus Günstlinge, gierig nach Karlsdevotionalia waren und so echte oder vermeintliche Hinterlassenschaften Karls im ganzen Reich verteilt wurden.
Die Ausstellung ging sogar regelrecht unter, weil die verschiedenen Leihexponate innerhalb der Dauerausstellung verteilt waren und sie nur durch unterschiedliche Erläuterungstafeln sich von den regulären Stücken unterschieden. Auch inhatlich scheiterte das Konzept, weil dann bei vielen Stücken nur kryptisch erläutert wurde, welchen Weg sie aus Aachen in die Welt nahmen. Ein Extrembeispiel ist hier etwa eine Urkunde, die im Stadtarchiv Aachen landete - und man sich nun fragen kann, was gerade diese als "Vergessenen Schatz" qualifiziert. Auch der Domschatz weist freilich nun spektakuläre und weltberühmte Kunstgegenstände wie z.B. die Karlsbüste aus dem 14. Jahrhundert auf:
Karlsbüste ? Wikipedia
Aber die kann man natürlich auch so dort sehen. Trotz des Ausstellungsteils "Macht" hätte ich mir gewünscht, dass an einer Stelle das Reich der Karolinger noch etwas ausführlicher dargestellt werden würde.
Ich denke, dass die Schwächen durch die Wahl der Ausstellungsorte begünstigt wurden: zwar bietet die Lage den Vorteil, dass alle drei Ausstellungsteile fußläufig beieinader liegen, doch sind eventuell das Centre Charlemagne und der Domschatz etwas beengt für Sonderausstellungen dieses Kalibers. Im Rathaus war genug Platz, aber selbst hier wirkte alles etwas vollgestopft.
Die Ausstellungen ziehen übrigens reichlich Publikum, so dass man ab und an mal in einer Warteschlange steht. Ich war bisher nie auf einer historischen Ausstellung, die ein derart internationales Publikum anzog; natürlich zahlreiche Franzosen und Beneluxianer, aber auch Italiener, Spanier, Engländer...
Die geballte Menge an karolingischer Pracht und Kunst macht den Besuch (Schluss ist am 21.09.) natürlich lohnenswert, aber es gibt so einige Schwächen.