Alter römischer Adel

petronius

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Ich weiß natürlich nicht, ob es einen solchen Thread schon hier gegeben hat. Mich würde mal interessieren, was denn aus den antiken, römischen Großfamilien geworden ist. Die Julier, die Claudier, die Flavier usw. Gibt es Hinweise darauf, das eventuell heute noch Nachkommen dieser Familien leben oder läßt sich von der Antike bis heute kein Faden mehr spinnen?

Wenn man in Rom ist, kommt man überall an pompösen Grabmälern antiker Familien vorbei, z.B. an der Via Appia, aber es findet sich da kein Hinweis auf ein Weiterbestehen dieser traditionsreichen Dynastien. Schaut man sich jedoch die Stammbäume dieser Großfamilien an, die aus der Antike, so sind sie häufig so weit verzweigt, daß ich mir nicht vorstellen kann, daß diese einfach so sang-und klanglos in der Geschichte verschwunden sind.
 
Es war im Mittelalter und in der Renaissance unter Adligen sehr populär, sich von prominenten antiken Ahnen herzuleiten. So mancher Fürst beauftragte einen Gelehrten, ihm einen Stammbaum zu basteln, der ihn als direkten Nachfahren eines berühmten Römers auswies. So manche italienische Familie stützte sich auch auf eine Ähnlichkeit ihres Familiennamens mit dem einer ehrwürdigen altrömischen Familie. Aber: Wissenschaftlich haltbar waren diese Herleitungen nicht. Das Problem ist die miserable Quellenlage im Frühmittelalter, die einfach keine zuverlässige Rekonstruktion der Genealogie ermöglicht. Das bedeutet natürlich nicht, dass all die antiken Geschlechter ausgestorben sind, nur verlieren sich ihre Spuren irgendwann.
Die julisch-claudische Dynastie, der die ersten fünf römischen Kaiser angehörten, ist allerdings zumindest im Mannesstamm tatsächlich ausgestorben. (Allerdings besteht natürlich immer die Möglichkeit, dass irgendein Angehöriger bei einem vor- oder außerehelichen erotischen Erlebnis ein Kind zeugte, von dem nie jemand erfuhr...) Es gab aber noch andere Familien der Julier und der Claudier. Die flavische Dynastie hingegen könnte in einer Nebenlinie (den Nachfahren von Titus Flavius Sabinus, dem Bruder Vespasians) weiterexistiert haben.
 
Die alten Patrizierfamilien (wie die Cornelier oder die Meteller) haben ihre Bedeutung zum Ende der Republik eingebüßt. Ihre Familiennamen werden in der frühen Kaiserzeit verschwunden sein.
 
Wenn man es salopp formuliert, könnte man sagen, daß die Menschen ja von Irgendjemanden abstammen müssen und das daher auch römische Familien weiter existiert haben. Die Probleme tauchen da auf, wenn man sich fragt, welche familien das waren, und wie man das Weiterleben einer Familie definieren will, wenn der Stammbaum sich vornehmlich an der männlichen Abstammung orientiert, Töchter also "verloren gehen", wenn sie anderso einheiraten, obwohl sich damit ja trotzdem das Erbgut weiterträgt.
Ravenik hat richtig auf die Engstelle des Mittelalters verwiesen, wo uns viele Informationen verloren gehen. Ich würde gern noch auf zwei andere Aspekte hinweisen.
Zunächst sind römische Familien, gerade die Adelsgeschlechter, Großverbände mit teilweise mehreren hundert Mitgliedern. Als Beispiel: die RE listet 540 Julier auf und 58 Frauen dieses Namens, die ihn in der regel nach ihrem Vater, also einem Julier, erhalten haben dürften. Wenn wir von der julischen Kaiserfamilie reden, sind diese nur ein Zweig der Julier, die Familie gab es natürlich auch noch nach Nero.
Dazu kommt aber auch noch eine zweite Schwierigkeit, und das ist die der Namensübertragung. So wie es bei Adoptionen üblich war, daß der Adoptierte den Namen seines neuen Elternteils annahm: Gaius Octavius wird zu Gaius Iulius Caesar und damit erst zu einem Mtglied der julischen Familie, der allerdings seine Großmutter schon entstammte, so war es auch üblich, daß bei Freilassungen der ehemalige Sklave das Nomen Gentile seines ehemaligen Herrn und weiteren Patrons annahm, bei Bürgerrechtsverleihungen bekommt der Neubürger in der Regel auch das Nomen Gentile des jeweils Zuständigen, in der Kaiserzeit dann den des jeweiligen Kaisers. Wer also im 3 Jh. ein Julier war, mußte demzufolge gar nichts mit der Familie zu tun haben, sondern konnte den Namen auch anderweitig erhalten haben. Insofern ist es nach vielen Jahrhunderten in der Regel kaum noch möglich, eine exakte Abstammung genau zu rekonstruieren.

@Menelik:

Auch Cornelier gab es weiterhin, der Zweig der Scipionen verschwindet meines Wissens in der frühen Kaiserzeit. So ist ja unser aller Freund Tacitus auch ein Cornelier.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die alten Patrizierfamilien (wie die Cornelier oder die Meteller) haben ihre Bedeutung zum Ende der Republik eingebüßt. Ihre Familiennamen werden in der frühen Kaiserzeit verschwunden sein.

Aus der Verschmelzung der alten Patrizierfamilien mit angesehenen und mächtigen Plebejerfamilien ging die römische Nobilität hervor.

Das war das Resultat eines langen Prozesses nach den Ständekämpfen und der Aufhebung des Heiratsverbots, sodass sich nunmehr ein patrizisch-plebejischer Beamtenadel bildete - die Nobilität.
 
Die alten Patrizierfamilien (wie die Cornelier oder die Meteller) haben ihre Bedeutung zum Ende der Republik eingebüßt. Ihre Familiennamen werden in der frühen Kaiserzeit verschwunden sein.
Die Meteller waren Plebejer, da sie zum plebejischen Geschlecht der Caecilier gehörten.

Aus der Verschmelzung der alten Patrizierfamilien mit angesehenen und mächtigen Plebejerfamilien ging die römische Nobilität hervor.

Das war das Resultat eines langen Prozesses nach den Ständekämpfen und der Aufhebung des Heiratsverbots, sodass sich nunmehr ein patrizisch-plebejischer Beamtenadel bildete - die Nobilität.
Die Unterscheidung in Patrizier und Plebejer bestand aber trotzdem weiter und blieb auch von Relevanz, zum Beispiel hinsichtlich des Zugangs zu bestimmten Priesterfunktionen und natürlich den Ämtern des Volkstribunats, der plebejischen und der kurulischen Aedilität. Auch eine bestimmte Heiratsform, die Confarreatio, war vermutlich Patriziern vorbehalten. Dass man auf das Patriziat weiterhin Wert legte, erkennt man auch daran, dass in der späten Republik und der Kaiserzeit einzelne plebejische Familien patrizisch gemacht wurden, z. B. die Ahenobarbi (der gens Domitia), die Tamphili (der gens Baebia), die Lamiae (der gens Aelia) und die Nervae (der gens Silia).
Bei der Nobilität hingegen handelte es sich um eine informelle, keine rechtliche, Bezeichnung.
 
Die Unterscheidung in Patrizier und Plebejer bestand aber trotzdem weiter und blieb auch von Relevanz,

Zur Zeit des Augustus waren die alten Patrizierfamilien nahezu ausgestorben.

Bei der Nobilität hingegen handelte es sich um eine informelle, keine rechtliche, Bezeichnung.

Die zur Nobilität aufgestiegenen Plebejerfamilien hatten innerhalb der Volksversammlung nichts mehr mit der Plebejerversammlung oder den Volkstribunen zu tun. Sie spielten in einer ganz anderen Liga, denn sie waren Teil einer neue Aristokratie.

Die Mitglieder der Nobilität folgten einem eigenen aristokratischen Verhaltenscodex, der unter anderem durch das Bemühen, Ruhm und Ehre der eigenen gens durch den Dienst an der res publica zu mehren, geprägt war. Für einen jungen nobilis war es fast selbstverständlich, eine Karriere als Senator anzustreben (bis zum Eintritt in den Senat waren auch die jungen nobiles formal nur Ritter - equites -, dies änderte erst Augustus).

Es ist letztlich die gleiche Geschichte wie mit der Ministerialität im Heiligen Römischen Reich, die aus Unfreiheit allmählich emporstieg und schließlich mit dem Adel verschmolz.
 
Die zur Nobilität aufgestiegenen Plebejerfamilien hatten innerhalb der Volksversammlung nichts mehr mit der Plebejerversammlung oder den Volkstribunen zu tun. Sie spielten in einer ganz anderen Liga, denn sie waren Teil einer neue Aristokratie.
Einige Beispiele für plebejische Angehörige der Nobilität, die trotzdem das Volkstribunat bekleideten:
Quintus Caecilius Metellus Celer - 90 v. Chr. (Sohn eines Konsuls)
Marcus Iunius Brutus - 83 v. Chr.
Quintus Caecilius Metellus - 68 v. Chr.
Quintus Caecilius Metellus Nepos - 62 v. Chr. (57 Konsul)
Marcus Porcius Cato - 62 v. Chr. (aka Cato der Jüngere!)
Quintus Caecilius Metellus Pius Cornelianus Scipio Nasica - 59 v. Chr. (52 Konsul)
Gnaeus Domitius Calvinus - 59 v. Chr. (53 und 40 Konsul)
Gaius Porcius Cato - 56 v. Chr.
Quintus Mucius Scaevola - 54 v. Chr.
Publius Licinius Crassus Iunianus - 53 v. Chr.
Lucius Caecilius Metellus - 49 v. Chr.
Lucius Marcius Philippus - 49 v. Chr. (38 Suffektkonsul)
Marcus Antonius - 49 v. Chr. (der spätere Triumvir!)
Lucius Caecilius Metellus - 42 v. Chr. (Sohn eines Konsuls)
Publius Aelius Hadrianus - 105 n. Chr. (der spätere Kaiser!)
Ehrgeizige Jungpolitiker hätten sich auch selbst das Leben schwer gemacht, wenn sie aus Standesdünkel das Volkstribunat verschmäht hätten. Immerhin wurden jährlich 10 Volkstribunen gewählt, aber nur 2 kurulische Aedilen und 2 plebejische Aedilen. Für Politiker, die zu den Popularen gehörten, war das Volkstribunat ohnehin geradezu ideal, um auf sich aufmerksam zu machen. Nicht umsonst ließ sich sogar der Patrizier Publius Clodius Pulcher von einem Plebejer adoptieren, um Volkstribun werden zu können.

Auch Cornelier gab es weiterhin, der Zweig der Scipionen verschwindet meines Wissens in der frühen Kaiserzeit.
Allerdings hatte eine Familie Cornelius Scipio Salvidienus Orfitus einige Bedeutung: 51 n. Chr. war Servius Cornelius Scipio Salvidienus Orfitus Konsul, 110 n. Chr. sein gleichnamiger Enkel, 149 dessen gleichnamiger Sohn und 178 dessen gleichnamiger Sohn. Wie diese Familie mit den übrigen Cornelii Scipiones verwandt ist, ist unbekannt.
 
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Es war im Mittelalter und in der Renaissance unter Adligen sehr populär, sich von prominenten antiken Ahnen herzuleiten. So mancher Fürst beauftragte einen Gelehrten, ihm einen Stammbaum zu basteln, der ihn als direkten Nachfahren eines berühmten Römers auswies.

Es gibt in den Dritten Programmen im TV eine wunderbare Quizshow 'Ich trage einen großen Namen', da war tatsächlich mal ein Mensch da, der behauptete, vom großen Gegenspieler Hannibals, dem Cunctator, abzustammen. Wie er das bewiesen hat, entzieht sich aber meiner Erinnerung.
So manche italienische Familie stützte sich auch auf eine Ähnlichkeit ihres Familiennamens mit dem einer ehrwürdigen altrömischen Familie.

Nicht nur italienische Familien. Die Welfen führten sich auf Catalina zurück.
 
Einige Beispiele für plebejische Angehörige der Nobilität, die trotzdem das Volkstribunat bekleideten.

Das mag ja alles sein, Ravenik. Worum es hier aber in erster Linie ging war die Tatsache, dass vornehme plebejische Familien nach den Ständekämpfen mit dem alten patrizischen Adel zu einer neuen Aristokratie - der Nobilität - verschmolzen.
 
Anscheinend hat man sich im Kloster Weingarten im 12. Jh. bemüht den Namen Welf irgendwie zu erklären. Dabei existiert offenbar eine Geschichte eines frühen Welfen, bei der man auf die Idee kommen konnte, den Namen auf Welpe und damit auf catulus zurückzuführen. Von da war der Weg dann nicht mehr weit zu Catilina. Warum man aber Catilina als erstrebenswerten Urahnen sah, kann ich nicht mehr sagen.

vgl. aber: B. Schneidmüller, Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung, Stuttgart 2000. Dort das Kapitel: Welfenbilder
 
Das mag ja alles sein, Ravenik. Worum es hier aber in erster Linie ging war die Tatsache, dass vornehme plebejische Familien nach den Ständekämpfen mit dem alten patrizischen Adel zu einer neuen Aristokratie - der Nobilität - verschmolzen.

Wobei ich Ravenik Recht geben möchte, mit Verschmelzen ist nicht die Zusammenlegung der Familien gemeint, sondern daß sich eine informelle Schicht bildete aus den alteingesessenen Familien und den aufgestiegenen plebejischen Familien. Das heißt nicht, daß diese dann zu einer gemeinsamen Familie wurden.
 
Danke für eure Antworten. Auch wenn es naiv klingt, aber viele der alten Familiengräber in Rom waren bis ins 18te Jahrhundert in gutem Zustand. Das bedeutet, irgendjemand muß sich um die Pflege dieser Gebäude gekümmert haben. Wie auch immer, ich finde es irgendwie faszinierend, daß theoretisch immer noch Nachkommen der antiken, römischen Aristokratie herumlaufen, vielleicht ohne es zu wissen.
Was mich zu einem anderen Themenkomplex bringt, darüber muß ich aber noch nachdenken :detektiv:
 
Moment, nun hast Du eine archäologische Tür geöffnet. Welche Familiengräber waren denn bis ins 18. Jh noch in gutem, nach Deinen Worten gepflegtem Zustand?
Die Frage ist doch eher, ab welchem Moment das Wachstum der Stadt Rom immer mehr antike Denkmäler in Mitleidenschaft gezogen hat.
 
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