Das gilt im Übrigen für die lateinamerikanische Kolonien genauso, auch wenn die Revolutionen dort ca. dreieinhalb Jahrzehnte später stattfanden. Um das mal an einer fiktiven spanischen Familie zu skizzieren: Die Generation A heiratete in, sagen wir mal, Salamanca und setzte auch dort das erste Kind der Generation B in die Welt. Dieses Kind war vollwertiger Spanier. Dann ließ die Familie sich in Sevilla oder nach 1714 in Cádiz registrieren, um in die Kolonien zu gehen. In Santiago de Cuba oder Havanna zeugte Generation A dann das zweite Kind der Generation B, das vielleicht in Vera Cruz (Mx) geboren wurde. Dieses zweite Kind, obwohl von denselben Eltern gezeugt, war gesellschaftlich kein vollwertiger Europaspanier mehr sondern „nur“ ein Amerikaspanier. Nun stellt die Familie aber fest, dass sie in den amerikanischen Kolonien keinen Erfolg hat und kehrt nach Europa zurück, wieder in Havanna oder Santiago zeugen die Eltern ein drittes Kind, das in Córdoba geboren wird. Dieses ist wiederum, wie sein ältestes Geschwisterkind, ein Europaspanier. Der Begriff, den wir für die Hindus verwenden,
Kasten, stammt eigentlich aus dem Portugiesischen und ist identisch mit dem spanischen Begriff:
castas. Diese
castas waren ein System von Hierarchisierungen, die nach ethnischer Herkunft und Geburtsort unterschieden. Ganz oben standen Europaspanier, dicht gefolgt von den Amerikaspaniern, die sich ethnisch überhaupt nicht unterschieden, sondern lediglich durch den Kontinent ihrer Geburt. Darunter standen Mestizen (Vermischungen von Europäern und Indigenen unterschiedlichen europäischen und indigenen Anteils), Indigene, Mulatten (Vermischung von Afrikanern und Indigenen), dazwischen standen im gesellschaftlichen Ranking noch die Vermischungen von Afrikanern und Europäern.... irgendwann war das nur noch ein kompliziertes und undurchschaubares System. Ob der rechtliche Status der Beziehung zwischen Vater und Mutter (also eheliche oder nichteheliche Geburt) auch noch eine Rolle spielte, weiß ich jetzt nicht sicher, ist aber wahrscheinlich.
Die Amerikaspanier, die ja letztlich an der Spitze des Systems standen, wenn man von den Europaspaniern absieht, waren letztlich die Träger der Revolution. Weil sie diejenigen waren, die obwohl am Privilegiertesten, auch diejenigen waren, die am Stärksten die Ungerechtigkeit des Systems durchschauten, was natürlich am Zugang zu Geld, Bildung und gesellschaftlicher Partzipation lag, aber eben nur reduziert an politischer Partizipation. Und so wie in den späteren USA waren es auch ökonomische Gründe, die zur Revolution führten.
Nehmen wir mal an, ein Händler aus Perú wollte mit einem Händler aus Kalifornien handeln. In Lima wurde die Handelsware verladen. Aber sie ging nicht ins Pueblo de la Virgen de los Angeles de Porciúncula (L.A.), sondern wurde in Acapulco an Land gebracht, auf Maultiere verladen und nach Veracruz gebracht, auf Schiffe verladen, nach Spanien verschifft, in Sevilla/Cádiz registriert, wieder nach Veracruz verschifft, auf Maultiere verladen, in Acapulco wieder verladen und nach Kalifornien verschickt.
Also, wenn man sich legal verhielt, absolut unökonomisch. Und so war es billiger, spanische Waren zu kaufen, als solche aus der Nachbarprovinz. Oder man betrieb Contrabando (Schmuggel), was natürlich illegal war. In den dreizehn Kolonien Neuenglands waren die Probleme ähnlich: politische Partizipation (also volle Bürgerrechte) wurden bei völligen Bürgerpflichten (Steuer, Dienst in der Armee) verwehrt und die Ökonomie durch den von Río schon angesprochenen Merkantilismus beschränkt.
Edit: Sepiola hat mich auf Tippfehler, Flüchtigkeitsfehler und Fehler bedingt duch die automatische Rechtschreibkorrektur aufmerksam gemacht. Einen Fehler hat er aber übersehen