Die Belastungen in Feldzügen der Antike mögen anders als in modernen Kriegen gewesen sein, aber es ist doch sehr wahrscheinlich, dass auch diese Ereignisse dauerhafte Spuren in den Seelen der Menschen hinterlassen haben.
Wenn ein noch wenig erfahrener Soldat das Leid seiner Freunde und Kameraden erlebte, die vielleicht nicht einmal einen „heldenhaften“ Tod in der Schlacht starben (die Anführungszeichen sind hier unverzichtbar), sondern an Seuchen zugrunde gingen oder an den Folgen von Verletzungen dahinsiechten, oder jemand durch Kriegsverletzungen zum Krüppel wurde, kann ich mir kaum vorstellen, dass so etwas nicht traumatisierend wirkte.
Und je größer die Diskrepanz zwischen den eigenen idealisierenden, heroisch verklärenden Vorstellungen und Erwartungen an den Krieg einerseits und den realen Erfahrungen andererseits war, desto größer mag der Schock gewesen sein. Die neuzeitliche Kriegs- und Nachkriegsliteratur erzählt von jungen Männern, die es kaum erwarten konnten, in den Krieg zu ziehen und die dann gebrochen zurückkehrten. Ich glaube kaum, dass das in der Antike wesentlich anders war. Nur der Umgang damit hat sich mit der Zeit etwas geändert. Selbst in der Neuzeit war/ ist Verdrängen das allgemein Übliche.
Ein durch Verletzungen dauerhaft kampfuntauglicher Römer wurde entlassen, bekam vermutlich noch seinen Sold ausgezahlt und musste dann sehen, wie er zurecht kam. Die Veteranenkolonien wurden unter anderem gegründet, damit man sich im zivilen Leben gegenseitig unterstützte; das mag öfter funktioniert haben. Wie viele aber von Betteln und Almosen leben mussten, vielleicht dauerhaft seelisch Schaden genommen hatten und an mangelnder Versorgung frühzeitig starben, sagen uns die Geschichtsbücher nicht.
Ich habe bei Flavius Josephus ein wenig reingelesen. Die „Geschichte des Jüdischen Krieges“ hält sich mit realitätsnahen Beschreibungen von Kämpfen, Schlachten, Belagerungen nicht zurück. Ich habe mich auf Szenen konzentriert, die mir in Erinnerung geblieben waren und kann auch etwas übersehen haben, aber dort, wo ich etwas vermutete, habe ich nichts gefunden.
Bei den Kämpfen um Jotapata riet Josephus seinen Landsleuten, die römischen Soldaten, welche die Mauern erstürmen wollten, mit siedendem Öl zu übergießen. Obwohl sie die Qualen ihrer Kameraden miterlebten, verloren die Römer, wie Josephus schreibt, nicht ihren Mut und versuchten, weiter vorzudringen.
(Drittes Buch, 7. Kapitel, 28)
Ein andermal wurden römische Soldaten von einem Brand eingeschlossen. Dramatische Szenen spielten sich ab, aber Josephus musste erwähnen, dass die dem Tode Geweihten durch den Anblick ihres Feldherrn getröstet wurden, der noch versuchte, Hilfe zu leisten.
(Sechstes Buch, 3. Kapitel, 1)
Es ist zwar bekannt, dass die Feldherrn der Antike viel für die Kampfmoral, für die Versorgung ihrer Soldaten taten und Wert auf persönlichen Umgang mit ihnen legten, aber hier geht der Personenkult doch ein wenig weit, und man spürt deutlich, zu wessen Ruhm und Ehren Josephus diesen Kriegsbericht verfasste.
Ich habe noch ein wenig bei Plinius dem Jüngeren nachgelesen. Es ging mir weniger um Helden- und Soldatentum, was ja in seiner Briefsammlung kaum behandelt wird, sondern um den Umgang mit Trauer und Tod im zivilen Leben.
Zwei Briefe fielen mir auf, 3. Buch, 10 (an Vestricius Spurinna und dessen Frau Cottia), und 5. Buch, 16 (an Aefulanus Marcellinus). Im ersten Brief geht es um eine Trauerrede für Spurinnas Sohn, die Plinius gehalten hatte und ausarbeiten wollte, im zweiten Brief um einen besonders tragischen Trauerfall, den Tod eines noch jungen Mädchens. Plinius schreibt sehr mitfühlend und verständnisvoll, geht aber in beiden Fällen davon aus, dass die Zeit alle Wunden heilt.
In vielen derartigen Fällen mag das auch eingetreten sein.