Ich muss der Schweigenden zustimmen, es gab in den Wissenschaften immer Bereiche, die nicht Fragen des Koran behandelten. Und vor allem, dass nicht der Wissensdurst erschöpft war, wenn denn eine Frage des Korans "beantwortet" wurde.
Nein, die Stagnation und der Niedergang der Wissenschaften haben andere Ursachen, die Antwort findet sich in diesem hervorragenden Artikel, auf den ich schon verwiesen habe:
Rainer Tetzlaff:
Europas islamisches Erbe Orient und Okzident zwischen Kooperation ...
Und das Bild des fatalistischen Arabers, ist bei uns entscheidender durch Karl Mays Werke, denn durch die Realitäten der Vergangenheit geprägt. Dieser postulierte Fatalismus gilt heute als veraltet und muss regional und temporal differenziert betrachtet werden.
Schließlich als Ergänzung zum Alkohol, ein Auszug aus dem empfehlenswerten Buch:
Bobzin, Hartmut: Der Koran: eine Einführung. München: Beck, 1999. ISBN 3 406 43309 X
"Schließlich soll hier noch ein weiterer, mit dem Gebet in Zusammenhang stehender Vers angeführt werden, der uns zugleich in einen anderen Bereich hinüberleitet, nämlich den der islamischen Speisegesetze. In Sure 4, 43 steht (Übersetzung Paret):
Ihr Gläubigen! Kommt nicht betrunken zum Gebet (salāt), ohne vorher
(wieder zu euch gekommen zu sein und) zu wissen, was ihr sagt!
Das Verbot, alkoholische Getränke zu genießen, ist ja – neben dem Verbot von Schweinefleisch – die bekannteste aus dem Koran begründete Vorschrift der Muslime. Die eben zitierte Stelle zeigt allerdings ganz klar, daß ein absolutes Alkoholverbot nicht von Anfang an bestanden haben kann. Dafür spricht auch, daß der Wein in anderem Zusammenhang (ebenso wie der Honig) als eine der guten Gaben der Schöpfung Gottes genannt ist (16, 67; Übersetzung nach Rückert):
Und von der Frucht der Palme,
Und von den Trauben nehmet ihr
Ein Rauschgetränk (sakar) und Nahrung schön.
Darin ist ja ein Zeichen
Für solche, die verständig sind.
Wie es schließlich zum Alkoholverbot kam, geht aus dem Korantext selbst nicht hervor; eine andere Stelle weist jedoch darauf hin, daß die Beurteilung des Weines in der Gemeinde der Klärung bedurfte (2, 219):
Sie fragen dich nach dem Wein (khamr) und dem Maisir-Spiel. Sprich ...
Mit der zweiteiligen Formel „Sie fragen dich nach ... – Sprich: ...“ wird häufig die Klärung wichtiger Rechts- und Glaubensfragen eingeleitet, wie z.B. die nach den Neumonden (2, 189), ob es erlaubt sei, im heiligen Monat zu kämpfen (2, 217), was man spenden (2, 215 u. 219) und wie man Waisen behandeln solle (2, 220), wie es mit der Menstruation zu halten sei (2, 222) oder wie man die Beute verteilen solle (8, 1). Doch zurück zum Wein: In der oben zitierten Stelle wird er in Verbindung mit einem im alten Arabien verbreiteten Losspiel genannt, bei dem Pfeile verwendet wurden und dessen Einsatz geschlachtete Tiere, meist Kamele, waren. Das könnte die Vermutung nahelegen, daß weniger der Wein an sich, als vielmehr die geselligen Umstände des Weingenusses gemeint waren. Die Antwort auf die entsprechende Anfrage könnte dafür ein Indiz sein (2, 219):
Sprich: In beidem liegt eine schwere Sünde, jedoch auch Nutzen für die
Menschen; die Sünde ist aber größer als der Nutzen.
Hier muß geklärt werden, worin denn der Nutzen des Weines und des Maisir-Spiels gesehen werden kann (wobei wir uns auf den Wein als ein heute noch sehr wichtiges Problem beschränken wollen). Der Kommentator Ibn 'Arabī (s.o. S. 73) unterscheidet drei Arten des möglichen Nutzens: Der
Gewinn für den Kaufmann, der Genuß für den Trinkenden und schließlich der Nutzen für die Erhaltung körperlicher Gesundheit. Letzteren weist Ibn 'Arabī aber zurück, indem er den Weingenuß insgesamt mißbilligt. Bis heute wird übrigens auf Grund dieser Koranstelle kontrovers darüber diskutiert,
inwieweit Alkohol als Arznei verwendet werden darf.
Wenn man also aus 2, 219 noch eine gewisse Nachgiebigkeit gegenüber dem Weingenuß herauslesen kann, so gilt das nicht für die beiden Verse, die den Ausgangspunkt für das strikte Alkoholverbot im Islam darstellen (5, 90 f.; Übersetzung Paret):
[90] Ihr Gläubigen! Wein (khamr), das Losspiel (maisir), Opfersteine (ansāb) und Lospfeile (azlām) sind Greuel und des Satans Werk. Meidet es! Vielleicht wird es euch Wohlergehen. [91] Der Satan will durch Wein und das Losspiel nur Feindschaft und Haß zwischen euch aufkommen lassen und euch vom Gedenken Gottes und vom Gebet (salāt) abhalten. Wollt ihr denn nicht aufhören?
Das Weinverbot erscheint hier nun, zusätzlich zu dem schon in 2, 219 erwähnten Maisir-Spiel, im Zusammenhang mit dem Verbot eindeutig heidnischer, religiös bedeutsamer Praktiken. Das verdeutlicht noch einmal, daß vor allem die Begleitumstände des Weingenusses gemeint waren; denn daß der Wein als ebenso kostbares wie köstliches Getränk galt, geht
daraus hervor, daß es im Paradies neben drei Strömen, die jeweils reines Wasser, Milch und Honig führen, einen vierten gibt, der aus Wein (khamr) besteht; der Vers, in dem das erwähnt wird (47, 15), stammt wie das Weinverbot in Sure 5, 90 f. aus medinensischer Zeit.
Zwei Probleme vor allem waren es, die die Koranausleger und Rechtsgelehrten im Zusammenhang mit den hier zitierten Koranstellen lösen mußten: Wie waren die Widersprüche zwischen den verschiedenen Aussagen zu erklären und vor allem praktisch zu lösen, d.h. welche Aussage galt verbindlich? Und was war eigentlich unter dem Wort „Wein“ (khamr) zu verstehen? Vor allem die letzte Frage wurde sehr verschieden beantwortet; bei enger Auslegung verstand man unter khamr einen aus Trauben ('inab) gegorenen Wein, während man bei etwas weiterer Auslegung khamr als Bezeichnung für jedes berauschende Getränk auffaßte. Im letzteren Fall traf das Verbot z. B. auch den aus Äthiopien stammenden Kaffee, dessen Genuß ab dem 15. Jahrhundert in den Zirkeln islamischer Mystiker nachweisbar ist und der sich danach vor allem im Osmanischen Reich rasch ausbreitete – und das, obwohl er zeitweise streng verboten war."
So, dass sollte es nun aber auch zum Alkohol gewesen sein, denn der spielt nun beim Aufstieg und Niedergang keine Rolle...
So long, bye & LG lynxxx