„Auge um Auge...“
Recht und Rechtsprechung in Mesopotamien - Teil 1
Zu den bedeutenden kulturellen und geistigen Vorstellungen der Sumerer gehören ihre Rechtsvorstellungen. Die Idee vom verbindlichen Recht für alle wurde im 3. vorchristlichen Jahrtausend in Mesopotamien geboren.
Archäologische Funde brachten mehrere Gesetzestexte aus dem 3. bis 1. Jahrtausend v. Ch. ans Tageslicht, darunter die Gesetzestexte Ur- Nammus, Lipit- Ischtars, Hammurabis ebenso wie Gesetzesvorschriften Urukaginas aus Lagasch (3. Jt. v. Ch.), aus Eschnunna (2. Jt. v. Ch.) oder neubabylonische Gesetzesergänzungen (Fragmente) aus dem 7. vorchristlichen Jahrhundert. Immer galt das eine als Vorlage für das nachfolgende Gesetzbuch. Selbst die Gesetze Moses (Exodus 21,1 bis 23,19) sind davon nicht frei, liegt doch allen diesen Kodifizierungen nah verwandtes semitisches Geistesgut zugrunde.
Die bisher ältesten überlieferten Gesetzesvorschriften der Welt stammen aus Mesopotamien des 3. vorchristlichen Jahrtausends. Als Reaktion auf die im Lande herrschenden Missstände nach der Regierungszeit Lugalandas, die von völliger Rechtlosigkeit, Korruption und Unterdrückung breiter Schichten der Bevölkerung gekennzeichnet war, erließ Urukagina von Lagasch (um 2355 v. Ch.) im Auftrag des Stadtgottes Ningirsu ein „Dekret zur Wiederherstellung des Rechts in Lagasch“. Von ihm stammt auch die Bestimmung, „Witwen und Waisen zu schützen“, die über Jahrtausende zum Inbegriff der Gerechtigkeit werden sollte.
Das erste Gesetzbuch der Menschheit trug der Sumerer Ur- Nammu (2111- 2094 v. Ch.), König von Ur, zusammen.Mit der Schaffung einer strafen, landesverbindlichen Gesetzgebung, zusammengefasst im so genannten „Kodex Ur- Nammu“, bündelte er die Rechtsauffassung der Sumerer, die im gesamten Alten Orient auf derselben Rechtstradition fußte. Aufgefundene Gerichtsurkunden zeigen stets das gleiche Schema – es gab Zeugen, Untersuchungsbehörden und Richter. Recht sprach im Namen der Stadtgottheit der König als oberste Rechtsinstanz, der in seiner Person Gesetzgebung und Rechtsprechung vereinigte.
Eines der letzten sumerischen Schriftdenkmäler, das sich auf die Praxis des täglichen Lebens bezieht, ist der „Kodex Lipit- Ischtar“. Lipit- Ischtar (1934- 1924v. Ch.) war König von Isin. In Sprache und Rechtsauffassung steht sein Gesetzbuch dem Kodex Ur- Nammu näher als dem bekanntesten und auch am besten bezeugten, weil vollständig überlieferten, „Kodex Hammurabi“. Die Gesetze wurden sowohl bei Ur- Nammu als auch bei Lipit-Ischtar mild und human gehandhabt, als Strafen waren meist Geldbußen vorgesehen.
Das änderte sich mit dem Gesetzbuch des babylonischen Königs Hammurabi(1792- 1750 v. Ch.). Lex talionis - „Auge um Auge...“, das semitische Prinzip der Vergeltung- eine im ganzen Alten Orient über Jahrtausende verbreitete Rechtsauffassung - hielt Einzug in die verbindliche Rechtsprechung: „Wenn ein Mann einem (anderen) Mann ein Auge geblendet hat, soll man ihm ein Auge blenden“ - §196 des Kodex Hammurabi. In Wahrheit waren auch Hammurabis Gesetzbücher eine Sammlung von Rechtsfällen mit den entsprechenden Urteilen (in Form eines kasuistischen Systems von Problemlösungen), die über Jahrhunderte in Listen zusammengetragen wurden und das vorderorientalische Rechtsempfinden wiedergaben. Diese Sammlung hat Hammurabi reformiert, ergänzt, kodifiziert und in 282 Paragraphen gefasst - in eine 2,25 Meter hohe, schwarze Dioritstele eingravieren lassen. Diese Gesetzesstele wurde im alten Babylon öffentlich aufgestellt, damit sich jeder Bürger den ihn interessierenden Paragraphen vorlesen lassen konnte, um sich im Fall eines Rechtsstreits auf den König berufen zu können. 1170 v. Ch. wurde sie von dem elamischen König Sutruk- Nahunte als Beutegut nach Susa (westliches Persien) verschleppt, heute steht sie im Louvre in Paris.
Es folgt Teil 2
Quellen:
H. Uhlig, „Die Sumerer“, Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach, 3. Aufl. 2002
M. Jursa, „Die Babylonier“, C. H. Beck Wissen, München 2004
E. Cancik- Kirschbaum, „Die Assyrer“ C. H. Beck Wissen, München 2003
B. Hrouda, „Der Alte Orient“, C.Bertelsmann, München 2003
A.Caubet, P. Pouyssegur, „Der Alte Orient“, Komet, Frechen 2001
M. Bau, „Der Fruchtbare Halbmond“, Glock u. Lutz, Nürnberg 1975
Recht und Rechtsprechung in Mesopotamien - Teil 1
Zu den bedeutenden kulturellen und geistigen Vorstellungen der Sumerer gehören ihre Rechtsvorstellungen. Die Idee vom verbindlichen Recht für alle wurde im 3. vorchristlichen Jahrtausend in Mesopotamien geboren.
Archäologische Funde brachten mehrere Gesetzestexte aus dem 3. bis 1. Jahrtausend v. Ch. ans Tageslicht, darunter die Gesetzestexte Ur- Nammus, Lipit- Ischtars, Hammurabis ebenso wie Gesetzesvorschriften Urukaginas aus Lagasch (3. Jt. v. Ch.), aus Eschnunna (2. Jt. v. Ch.) oder neubabylonische Gesetzesergänzungen (Fragmente) aus dem 7. vorchristlichen Jahrhundert. Immer galt das eine als Vorlage für das nachfolgende Gesetzbuch. Selbst die Gesetze Moses (Exodus 21,1 bis 23,19) sind davon nicht frei, liegt doch allen diesen Kodifizierungen nah verwandtes semitisches Geistesgut zugrunde.
Die bisher ältesten überlieferten Gesetzesvorschriften der Welt stammen aus Mesopotamien des 3. vorchristlichen Jahrtausends. Als Reaktion auf die im Lande herrschenden Missstände nach der Regierungszeit Lugalandas, die von völliger Rechtlosigkeit, Korruption und Unterdrückung breiter Schichten der Bevölkerung gekennzeichnet war, erließ Urukagina von Lagasch (um 2355 v. Ch.) im Auftrag des Stadtgottes Ningirsu ein „Dekret zur Wiederherstellung des Rechts in Lagasch“. Von ihm stammt auch die Bestimmung, „Witwen und Waisen zu schützen“, die über Jahrtausende zum Inbegriff der Gerechtigkeit werden sollte.
Das erste Gesetzbuch der Menschheit trug der Sumerer Ur- Nammu (2111- 2094 v. Ch.), König von Ur, zusammen.Mit der Schaffung einer strafen, landesverbindlichen Gesetzgebung, zusammengefasst im so genannten „Kodex Ur- Nammu“, bündelte er die Rechtsauffassung der Sumerer, die im gesamten Alten Orient auf derselben Rechtstradition fußte. Aufgefundene Gerichtsurkunden zeigen stets das gleiche Schema – es gab Zeugen, Untersuchungsbehörden und Richter. Recht sprach im Namen der Stadtgottheit der König als oberste Rechtsinstanz, der in seiner Person Gesetzgebung und Rechtsprechung vereinigte.
Eines der letzten sumerischen Schriftdenkmäler, das sich auf die Praxis des täglichen Lebens bezieht, ist der „Kodex Lipit- Ischtar“. Lipit- Ischtar (1934- 1924v. Ch.) war König von Isin. In Sprache und Rechtsauffassung steht sein Gesetzbuch dem Kodex Ur- Nammu näher als dem bekanntesten und auch am besten bezeugten, weil vollständig überlieferten, „Kodex Hammurabi“. Die Gesetze wurden sowohl bei Ur- Nammu als auch bei Lipit-Ischtar mild und human gehandhabt, als Strafen waren meist Geldbußen vorgesehen.
Das änderte sich mit dem Gesetzbuch des babylonischen Königs Hammurabi(1792- 1750 v. Ch.). Lex talionis - „Auge um Auge...“, das semitische Prinzip der Vergeltung- eine im ganzen Alten Orient über Jahrtausende verbreitete Rechtsauffassung - hielt Einzug in die verbindliche Rechtsprechung: „Wenn ein Mann einem (anderen) Mann ein Auge geblendet hat, soll man ihm ein Auge blenden“ - §196 des Kodex Hammurabi. In Wahrheit waren auch Hammurabis Gesetzbücher eine Sammlung von Rechtsfällen mit den entsprechenden Urteilen (in Form eines kasuistischen Systems von Problemlösungen), die über Jahrhunderte in Listen zusammengetragen wurden und das vorderorientalische Rechtsempfinden wiedergaben. Diese Sammlung hat Hammurabi reformiert, ergänzt, kodifiziert und in 282 Paragraphen gefasst - in eine 2,25 Meter hohe, schwarze Dioritstele eingravieren lassen. Diese Gesetzesstele wurde im alten Babylon öffentlich aufgestellt, damit sich jeder Bürger den ihn interessierenden Paragraphen vorlesen lassen konnte, um sich im Fall eines Rechtsstreits auf den König berufen zu können. 1170 v. Ch. wurde sie von dem elamischen König Sutruk- Nahunte als Beutegut nach Susa (westliches Persien) verschleppt, heute steht sie im Louvre in Paris.
Es folgt Teil 2
Quellen:
H. Uhlig, „Die Sumerer“, Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach, 3. Aufl. 2002
M. Jursa, „Die Babylonier“, C. H. Beck Wissen, München 2004
E. Cancik- Kirschbaum, „Die Assyrer“ C. H. Beck Wissen, München 2003
B. Hrouda, „Der Alte Orient“, C.Bertelsmann, München 2003
A.Caubet, P. Pouyssegur, „Der Alte Orient“, Komet, Frechen 2001
M. Bau, „Der Fruchtbare Halbmond“, Glock u. Lutz, Nürnberg 1975
Zuletzt bearbeitet: