Bedeutung der Cherusker für die Römer

Wodurch wurde die Völkerwanderung ausgelöst? Traditionell sagt man durch den Hunnensturm. Eigentlich aber durch Begehrlichkeiten. Begehrlichkeiten am römischen Reichtum und Luxus teilzuhaben.

Man könnte noch einen Schritt weiter gehen und behaupten, das germanische Bevölkerungswachstum, das letzten Endes zu größeren Verbänden führte, basierte auf landwirtschaftlichen Technologien der Römer. Dazu kamen Transfer in Sachen Waffentechnologie und Organisation. Die Römer haben in diesem Sinne die Völkerwanderung selbst verursacht. An der Weichsel wäre ihnen wohl mit den Slawen das Gleiche passiert.

Das erscheint mir sehr zweifelhaft. Die Entstehung und Ausbreitung des Frankenreichs kann man auf die Weise vermutlich erklären. Aber das war auch weniger eine Wanderung als vielmehr ein stetig wachsender Besiedelungsdruck. Dass Beutelust (in einem weiteren Sinne) ganze Völkerschaften bewogen hätte, ihre Heimat zu verlassen, erscheint mir nicht plausibel. Ich wüsste auch nicht, dass sowas je irgendwo vorgekommen wäre. Wenn man in Rechnung stellt, was die Wandernden auf sich nehmen mussten, liegt der Schluss näher, dass sie aus irgendwelchen Gründen nicht in ihrem Siedlungsgebiet bleiben konnten.

Was die Ausgangsfrage angeht, stimme ich JChatt zu: Die Cherusker saßen nahe der Lippe-Quelle - und damit an dem entscheidenden Punkt der wichtigsten römischen Aufmarschlinie. Auch Flotten, die die Weser aufwärts gefahren sind, landeten im Gebiet der Cherusker.

MfG
 
Es war kein Vorwurf, ich hatte ja bemerkt, daß sie diese strategischen Erkenntnisse 400 Jahre vor der Völkerwanderung noch nicht haben konnten.

Ja, dennoch bleibst du mit der Art der Erwähnung der Völkerwanderung implizit bei dem Vorwurf gegen die Römer, Germanien nicht ganz erobert zu haben und damit die Völkerwanderung ermöglicht zu haben, wobei auch diese Kausalkette fraglich ist. Hinzu kommt, dass die Römer ja schon Probleme hatten die Ostseite des Rheins dauerhaft unter ihre völlige Kontrolle zu bringen, insofern ist die Eroberung bis zur Elbe und darüber hinaus - du nennst die Weichsel - ein Phantasma.
 
Ja, dennoch bleibst du mit der Art der Erwähnung der Völkerwanderung implizit bei dem Vorwurf gegen die Römer, Germanien nicht ganz erobert zu haben und damit die Völkerwanderung ermöglicht zu haben, wobei auch diese Kausalkette fraglich ist.

So schlecht ist die Kausalkette nicht. Die einfachste und nicht widerlegbare Antwort auf die frage "Warum ging das römische Reich unter" ist " ...wegen der Germanen". Auch wenn das sehr knapp formuliert und nur eine Seite der Medaille ist.

Hinzu kommt, dass die Römer ja schon Probleme hatten die Ostseite des Rheins dauerhaft unter ihre völlige Kontrolle zu bringen,

Diese Problem hatten sie genau so in Spanien, Nordengland, Kappadokien, .... und zwar noch über hundert Jahre lang.

insofern ist die Eroberung bis zur Elbe und darüber hinaus - du nennst die Weichsel - ein Phantasma.

Einigen wir uns auf Utopie? Das ist allerdings nicht weit von der Vision eines Julius Caesar entfernt, der Germanien von Osten (wohl eher Südosten) her aufrollen wollte. Auch wenn ich nicht glaube, daß der alte Mann das Alles noch überlebt hätte, sein Neffe hatte diese Vision noch; zumindest bis 9 n. Chr.
 
So schlecht ist die Kausalkette nicht.

Doch, das ist sie. Es ist sehr einfach den Römern unter Augustus/Tiberius vorzuwerfen, Germanien nicht vollständig erobert zu haben und daraus den Untergang im Zuge der Völkerwanderung abzuleiten. Um mich auch mal an Spekulationen zu beteiligen: Warum hätte ein römisches Reich eine Elbe- oder Weichselgrenze besser verteidigen können als die Rhein-Donau-Grenze?
Die einfachste und nicht widerlegbare Antwort auf die frage "Warum ging das römische Reich unter" ist " ...wegen der Germanen". Auch wenn das sehr knapp formuliert und nur eine Seite der Medaille ist.

Und eben weil sehr knapp formuliert und nur eine Seite einer vielseitigen Medaille darstellend ist die Aussage zwar nicht falsch, richtig ist dennoch nicht.

Diese Problem hatten sie genau so in Spanien, Nordengland, Kappadokien, .... und zwar noch über hundert Jahre lang.

Und vielleicht reichten die Ressourcen dann doch nicht aus, um noch in Germanien über lange Zeit aktiv zu werden. Vielleicht hätte das ganze sogar den Zusammenbruch des Reiches noch beschleunigt. Vielleicht..., alles Spekulation.
Einigen wir uns auf Utopie? Das ist allerdings nicht weit von der Vision eines Julius Caesar entfernt, der Germanien von Osten (wohl eher Südosten) her aufrollen wollte. Auch wenn ich nicht glaube, daß der alte Mann das Alles noch überlebt hätte, sein Neffe hatte diese Vision noch; zumindest bis 9 n. Chr.
Wobei sehr fraglich ist, welchen Plan Augustus wirklich hatte, was die Römer in Germanien wirklich erobern wollten. So eindeutig ist die Quellenlage dazu nicht.
 
Diese Problem hatten sie genau so in Spanien, Nordengland, Kappadokien, .... und zwar noch über hundert Jahre lang.
Für die Unterwerfung Spaniens brauchten die Römer immerhin zwei Jahrhunderte, in denen sie zahlreiche Niederlagen erlitten. Aber in Spanien hatten die Römer es noch wesentlich einfacher als in Germanien, weil es in Spanien Städte gab, die sie niederbrennen oder besetzen konnten, und sie konnten durch Angriffe auf sie den Feind festnageln und zwingen, sich zum Kampf zu stellen.

Das ist allerdings nicht weit von der Vision eines Julius Caesar entfernt, der Germanien von Osten (wohl eher Südosten) her aufrollen wollte.
Worauf stützt Du Deine Annahme? Konkret geplant waren nur die Zerschlagung von Burebistas Dakerreich und ein Partherfeldzug.

Auch wenn ich nicht glaube, daß der alte Mann das Alles noch überlebt hätte, sein Neffe hatte diese Vision noch; zumindest bis 9 n. Chr.
Eigentlich war er sein Großneffe. Im Übrigen schließe ich mich tela an.
 
Man gewinnt den Eindruck, daß die Cherusker eine besondere Bedeutung für die Römer hatten. Ist das so? Oder ist das lediglich ein subjektiver Eindruck wegen der Varusschlacht?

Man darf wohl annehmen, dass das tatsächlich so war. Immerhin tat Segimundus, der Sohn des Segestes und Schwager des Arminius bis zur Varusschlacht Dienst an der ara Ubiorum, also in Köln, einigermaßen weit vom Stammesgebiet der Cherusker entfernt. Da diesen Dienst des Kaiserkultes immer ein Priester für mehrere Stämme erledigte - aus Gallien ist die Praxis insgesamt besser dokumentiert - hat Segimundus aus römischer Sicht hier also kein alltägliches Amt ausgeübt und eine wichtige Rolle für mehrere Stämme, nicht nur die Cherusker gespielt.
 
Für die Unterwerfung Spaniens brauchten die Römer immerhin zwei Jahrhunderte, in denen sie zahlreiche Niederlagen erlitten. Aber in Spanien hatten die Römer es noch wesentlich einfacher als in Germanien, weil es in Spanien Städte gab, die sie niederbrennen oder besetzen konnten, und sie konnten durch Angriffe auf sie den Feind festnageln und zwingen, sich zum Kampf zu stellen.

Spanien und Germanien hatten eins Gemeinsam. Sie waren für die Römische Kriegsführung eher von Nachteil, da hier kaum offene Feldschlachten von den Legionen durchgeführt werden konnten. Eine Legion war hier wie dort auf jeden Fall auf Hilfstruppen angewiesen, die sich mit dem Kampf in der Umgebung auskannten. Was ich mich frage ist warum Tiberius mehr oder minder Schluss mit der Expansion in der Norddeutschen Tiefebene machte, während südlich des Mains der Limes noch lange Zeit nach Norden vorgeschoben wurde. Gab es im Süden mehr Bewohner oder Rohstoffe welche sich für die Römer auszubeuten lohnte?
Kann mir nicht wirklich vorstellen das Rom wegen 3 verlorener Legionen sich gefürchtet hat. Klar das die Verluste der Germanicus-Feldzüge enorm waren, aber das hat vorher in Rom eigentlich nur den Kriegswillen angestachelt, siehe 2. Punischer Krieg oder auch Spanien.

Apvar
 
Apvar schrieb:
Was ich mich frage ist warum Tiberius mehr oder minder Schluss mit der Expansion in der Norddeutschen Tiefebene machte, während südlich des Mains der Limes noch lange Zeit nach Norden vorgeschoben wurde. Gab es im Süden mehr Bewohner oder Rohstoffe welche sich für die Römer auszubeuten lohnte?

Hierzu gibt es einen Thread.
http://www.geschichtsforum.de/f28/s-ddeutschland-zur-okkupationszeit-36896/

Nach der Germania von Tacitus haben sich in dem rechtsrheinischen Gebiet zur frühen Kaiserzeit gallische Siedler aus linksrheinischen Gebieten niedergelassen. Es dürfte wohl so gewesen sein, dass größere germanische Siedlungen nicht direkt am rechten Rheinufer lagen, sondern dass diese weiter weg im Osten gesiedelt haben. Zum Beispiel an der Jagst. Hier ist die Frage mal wieder nach Huhn oder Ei. Haben die Römer die Germanen vom Rhein verjagt um ein sicheres Vorfeld zu haben? Dann hätten die gallischen Siedler dieses Gebiet dann okkupiert. Oder waren die Germanen gar nicht an den Rhein gekommen und hatten sich selbst für eine Landnahme in weniger mückenverseuchten Gegenden entschieden? Es gibt im heutigen Mittel- und Südbaden schon germanische Funde aus der frühen Kaiserzeit. Aber ich persönlich tendiere zu einer relativ unbewohnten Rheinebene.

Während anderenorts die Civitates ( = Bürgerschaften) nach den jeweils dort siedelten Stämmen (civitas treverorum nach dem Stamme der Treverer, civitas nemetum nach dem Stamm der Nemeter, etc.) benannt waren, sind nur die Neckarsueben sowie die Mattiakern rechtsrheinisch namensgebend für eine civitas. Die anderen civitates sind nach dortigen geographischen Besonderheiten benannt. Was darauf hindeutet, dass diese Gebiete keine noch vorhandene heimische Bevölkerung hatte und durch Siedler aus verschiedenen Gegenden aufgesiedelt wurden.

Was wollten die Römer im heutigen Südhessen und Baden-Württemberg? Ihnen hatten es zum Beispiel die Quellen angetan. Aquae (heute Baden-Baden) oder Aquae Mattiacorum (Wiesbaden) wurden von Römern schnell als "Kurbäder" entdeckt. Das war sehr praktisch, konnten doch Soldaten aus Argentore (heute Strasbourg) und Mogontiacum (heute Mainz) ohne große Anreise gleich in den Bade-Urlaub starten. Auch Steinbrüche (Bergstraße) und Holz (der ganze Schwarzwald) lockten die Römer. Aber entscheidend war eine einfache Erkenntnis. Wollte man - vor der Besetzung der südlichen rechtsrheinischen Gebiete - von Mogontiacum nach Augusta Vindelicum (Augsburg) reisen, dann ging es erst mal nach Süden Richtung dem Rheinknie und dann von dort nach Osten. Also salopp gesagt, die beiden Katheten entlang. Da wir in der Schule gelernt haben, dass nach Pythagoras die Hypotenuse kürzer ist, wollten die Römer lieber über Portus (Pforzheim) eine Straße bauen. Und zu diesem Zweck haben sie das Gebiet rechts des Rheins in das Reich eingebunden.
 
Man darf wohl annehmen, dass das tatsächlich so war. Immerhin tat Segimundus, der Sohn des Segestes und Schwager des Arminius bis zur Varusschlacht Dienst an der ara Ubiorum, also in Köln, einigermaßen weit vom Stammesgebiet der Cherusker entfernt. Da diesen Dienst des Kaiserkultes immer ein Priester für mehrere Stämme erledigte - aus Gallien ist die Praxis insgesamt besser dokumentiert - hat Segimundus aus römischer Sicht hier also kein alltägliches Amt ausgeübt und eine wichtige Rolle für mehrere Stämme, nicht nur die Cherusker gespielt.

Genau das schwebte mir mit der Eröffnung dieses Threads vor.
Auch wurde Arminius in den Ritterstand erhoben. Auch das Sommerlager des Varus soll sich an der Weser also wohl im Cheruskergebiet befunden haben.

Aber worin liegen die Gründe?
Warum spielten die Cherusker eine wohl besondere Rolle für die Römer?:grübel:
 
Man darf wohl annehmen, dass das tatsächlich so war. Immerhin tat Segimundus, der Sohn des Segestes und Schwager des Arminius bis zur Varusschlacht Dienst an der ara Ubiorum, also in Köln, einigermaßen weit vom Stammesgebiet der Cherusker entfernt. Da diesen Dienst des Kaiserkultes immer ein Priester für mehrere Stämme erledigte - aus Gallien ist die Praxis insgesamt besser dokumentiert - hat Segimundus aus römischer Sicht hier also kein alltägliches Amt ausgeübt und eine wichtige Rolle für mehrere Stämme, nicht nur die Cherusker gespielt.
Ich weiß nicht, ob man es wirklich so hoch bewerten sollte, dass ein Angehöriger der Cherusker zum Priester für den Kaiserkult bestellt wurde. Wenn man sich zum Vergleich den Kaiserkult in Lugdunum ansieht, so gehörten die Priester verschiedenen Stämmen an. Aus dem ersten Jahrhundert seines Bestehens sind Priester aus den Stämmen der Haeduer, Cadurcen und Santonen bekannt, wobei zumindest die Cadurcen kein so übermäßig bedeutender Stamm waren. Eine "Erbpacht" für einen bestimmten Stamm gab es ohnehin nicht. Dass für den Kult in Köln ein Cherusker bestellt wurde, muss somit nicht unbedingt mit seiner Stammeszugehörigkeit und der Bedeutung seines Stammes zu tun haben, es könnte auch an der Person selbst oder eher ihrer Familie gelegen haben. Immerhin gehörte Segestes zu den Rom gegenüber loyalen Germanenführern, also sollte vielleicht er durch die Berufung seines Sohnes belohnt werden.

Auch wurde Arminius in den Ritterstand erhoben.
Auch das sollte man wohl nicht überbewerten. Wenn es nicht seinen Aufstand gegeben hätte, würde Arminius in den Quellen vermutlich überhaupt nicht erwähnt. Wer weiß, wie viele andere junge Germanen aus vornehmen Familien anderer Stämme noch in römischen Diensten standen und dafür mit dem Bürgerrecht und eventuell auch dem Ritterrang belohnt wurden, das muss nichts so Außergewöhnliches gewesen sein. Die Römer waren mit Ehrenbezeugungen für die Führungspersönlichkeiten von Völkern und Reichen nicht zurückhaltend (an die Dynastien auswärtiger Reiche wurde oft das Bürgerrecht verliehen), also wäre es möglich, dass sie auch die Angehörigen der führenden Familien anderer ihnen wohlgesinnter Stämme mit dem Bürgerrecht geehrt hatten, bloß wissen wir nichts darüber, weil sie im Gegensatz zu Arminius und seiner Familie für die Römer niemals nachhaltig historisch bedeutend wurden. Dass Arminius obendrein auch noch Ritter wurde, lag vielleicht an seinen besonderen Verdiensten im römischen Kriegsdienst; zumindest könnte man die entsprechende Stelle bei Velleius Paterculus so interpretieren.

Ich glaube, man sollte die Rolle der Cherusker für die Römer auch nicht überbewerten. Vielleicht scheinen die Cherusker nur deshalb für die Römer eine hervorragende Rolle gespielt zu haben, weil sie für den Arminius-Aufstand wichtig waren und somit für die römischen Historiker von besonderem Interesse waren, sodass sie sich mit ihnen und ihrem Adel mehr als mit anderen Stämmen beschäftigten. Unsere Quellenlage zu den römischen Feldzügen und der römischen Herrschaft in Germanien bis zur Varusschlacht und zum Tod des Augustus (also vor dem Einsetzen von Tacitus' Annalen) ist leider nicht so berauschend, wir können also nicht wirklich sagen, welche germanischen Stämme und Führer in der Zeit vor 9 n. Chr. für die Römer eine Rolle spielten. (Bei Velleius Paterculus und Cassius Dio werden die Cherusker zwar auch schon für die Zeit vor dem Aufstand genannt, aber nur so nebenbei, etwa weil die Römer sie zusammen mit anderen Stämmen unterwarfen oder durch ihr Gebiet zogen. Strabon interessiert sich für die Cherusker nur in Zusammenhang mit dem Aufstand.) Die Römer legten offenbar wert auf gute Beziehungen zur Führungsschicht der Cherusker, indem sie sie ehrte - aber das tat sie, wie oben ausgeführt, mit den Führungsschichten anderer Stämme vielleicht ebenso. Das einzige, wodurch die Führungsschicht der Cherusker wirklich vor anderen ausgezeichnet wurde, war die Bestellung des Segimundus zum Priester.
Alles in allem würde ich von den Alternativen des Eröffnungsbeitrags daher am ehesten diese nehmen:
Oder ist das lediglich ein subjektiver Eindruck wegen der Varusschlacht?
 
Ich weiß nicht, ob man es wirklich so hoch bewerten sollte, dass ein Angehöriger der Cherusker zum Priester für den Kaiserkult bestellt wurde.

Auch das sollte man wohl nicht überbewerten. Wenn es nicht seinen Aufstand gegeben hätte, würde Arminius in den Quellen vermutlich überhaupt nicht erwähnt. Wer weiß, wie viele andere junge Germanen aus vornehmen Familien anderer Stämme noch in römischen Diensten standen und dafür mit dem Bürgerrecht und eventuell auch dem Ritterrang belohnt wurden, das muss nichts so Außergewöhnliches gewesen sein.

Aber diese beiden Personen vom Stamm der Cherusker wurden nun einmal in den entsprechenden Quellen erwähnt. Das Bürgerrecht ist natürlich eine Sache. Der Ritterstand aber eine ganz andere. Ich denke schon, daß dies zumindest in dieser Zeit eher außergewöhnlich war. Zumindest sind mir andere Personen aus Germanien, welche in den Ritterstand erhoben wurden nicht bekannt. Das heißt nicht, daß es sie nicht gegeben hat, aber ihre Zahl schätze ich eher als sehr gering ein.
 
Aber diese beiden Personen vom Stamm der Cherusker wurden nun einmal in den entsprechenden Quellen erwähnt. Das Bürgerrecht ist natürlich eine Sache. Der Ritterstand aber eine ganz andere. Ich denke schon, daß dies zumindest in dieser Zeit eher außergewöhnlich war. Zumindest sind mir andere Personen aus Germanien, welche in den Ritterstand erhoben wurden nicht bekannt.
Diese beiden Personen werden in den Quellen erwähnt, weil sie im Zuge des Aufstands eine Rolle spielten, nicht weil die Cherusker für die Römer generell so wichtig waren. Wäre der Führer ein Marser gewesen, könnten wir jetzt in den Quellen einiges über ihn und seine Verwandten und die marsischen Führer lesen.

Wäre Arminius in den Quellen erwähnt worden, wenn er nie etwas anderes gemacht hätte als mit germanischen Verbänden für die Römer in deren Kriegen zu kämpfen? (Immerhin machten sich die römischen Historiker nicht einmal die Mühe, genauer anzugeben, wann und wo er für die Römer gekämpft hatte, also kann seine Mitwirkung nicht so bedeutend gewesen sein.) Namenlos sind auch die Führer der germanischen Reiter, die für Caesar und seine pompeianischen Gegner kämpften. Interessant wurde Arminius für die römischen Historiker erst wegen seines Aufstandes, deswegen interessierte man sich dann auch für sein früheres Leben. Ob Arminius' Aufnahme in den Ritterstand ein einzigartiges Ereignis war, lässt sich nicht sagen, aber das Schweigen der Quellen über andere ähnliche Fällen würde ich nicht zwangsläufig dahin werten, dass es nicht auch sonst vorkam. Natürlich wird es nur selten vorgekommen sein, aber nehmen wir einmal an, es gab insgesamt fünf germanische Adlige aus fünf verschiedenen Stämmen, denen diese Ehre widerfuhr. Die anderen vier taten aber nie etwas Außergewöhnliches, weswegen sie für die römischen Historiker uninteressant und nicht erwähnenswert waren. Trotzdem: Wenn es wenigstens vier andere Germanen aus vier anderen Stämmen gab, denen die gleiche Ehre wie Arminius widerfuhr, kann man aus seiner Ehrung keine hervorragende Stellung der Cherusker mehr ableiten - ganz abgesehen davon, dass man ohnehin nicht zwangsläufig die Ehrung eines Mannes mit der Ehrung seines Stammes gleichsetzen sollte.
 
Die römische Kriegsführung war bekanntlich auf Hilfstruppen angewiesen.
Diese mussten nach Möglichkeit im Konfliktfall vor Ort rekrutierbar sein. Einiges spricht dafür dass den Cheruskern die Rolle des bevorzugten Bundesgenossen in Germanien zuerkannt worden war. z.B. schreibt Strabon in meiner Übersetzung sinngemäß bevor er die Cherusker erwähnt: "...diejenigen (Germanen) denen man am meisten vertraut hat, haben am meisten geschadet".
Nichtrömische Bewaffnete in ein römisches Heerlager aufzunehmen wahr sicherlich ein grosser Vertrauensbeweis.

Die Verleihung der Bürgerrechte oder der Ritterwürde war dagegen nicht ein generelles Vorgehen für einen besiegten Stamm in Germanien. Es wurde gezielt benutzt um romfreundliche Fraktionen innerhalb eines Stammes zu stärken. Die Wahl der Bundesgenossen wurde wahrscheinlich auch beeinflusst durch die Stellung eines Stammes zu den ihn umgebenden Völkern. Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Möglicherweise hatte man dort auch schon Chatten und Sueben auf der Rechnung.

Das militärische Potential war sicherlich für die Stellung von Hilfstruppen maßgeblich. Dieses scheint man bei den Cheruskern, im Fall des beim Kriegsrat anwesenden Arminius (Velleius) , nicht nur genutzt sondern auch weiterentwickelt zu haben.
Jedenfalls decken sich seine taktischen Maßnahmen verblüffend oft mit entsprechenden Handlungsanweisungen bei römischen Militärhistorikern (Vegetius). Frontin macht ihm sogar die Ehre ihn in seine Kriegslisten aufzunehmen.

So stellt Arminius anscheinend der wichtigen römischen Reiterei gezielt Fallen (15n.Chr u. 16n.Chr), versucht Legionäre zu bestechen (um an Feldzugsinformationen zu kommen?), greift gezielt die Versorgung an (Pontes Longi) und ordnet seine Truppen unter Feldzeichen zu einer regelgerechten Schlachtaufstellung (Idistaviso).

Gruss
jchatt
 
Politisches Kalkül und Topographie

Mit Überlegungen zum Thread befassen sich etwa Dieter Timpe oder Kaus Tausend. Die Römer förderten gerne Stämme, die ihnen nützlich waren. Nützlich konnte sein, dass sie „Feinde der Feinde Roms“ waren, oder dass sie Ruhe in einem geographisch interessanten Bereich sichern konnten. Die Geographie Germaniens war weniger wegen Klima und Wäldern den Römern hinderlich, als wegen seiner Topographie. Die großen Flussläufe hinderten die West-Ost-Bewegungen der Römer (da Flüsse hervorragende Transportmittel waren, wenn sie in die richtige Richtung flossen). Die Norddeutsche Tiefebene war als Relikt der Eiszeiten zu guten Teilen versumpft und damals wohl kaum so hervorragend für Bewegungen geeignet wie sie später waren (nach Generationen von menschlicher Kultivierung heute). Hannover etwa war eine Gründung, die als durch „Sümpfe geschützt lag“. Die Mittelgebirge waren durch die Flussläufe ebenfalls etwas hinderlich… Die Cherusker lebten wohl in einem interessanten Gebiet zwischen den Flusssystemen von Rhein-Lippe und der Weser/Elbe weiter im Osten.

Wichtiger war wohl eher der strategisch/politische Blick: Hauptgegner der Römer für ihre Expansion waren Anfänglich vor allem die Sugambrer zwischen Lippe und Rhein. Sie galten bereits seit Caesar als Feinde, weil sie Reststämmen Aufnahme gewährt hatten, welche der Römer geschlagen hatte. Gemeinsam mit den Sueben stellten sie langjährige Ärgernisse für Rom dar. Die Cherusker saßen direkt „hinter“ den Sugambrern! Nach Vertreibung der Sueben aus dem Westen unter Augustus lebten potentiell bedrohliche, suebische Stämme östlich der Elbe und die Cherusker waren wieder ein nützliches „Scharnier“. Das Gleiche galt durch die Feindschaft (bei Tacitus) zwischen Cheruskern und Chatten weiter im Süden, welche für Rom ein unangenehmes Volk war.

Wie Andere bereits betont haben, sollte man die Rolle der Cherusker nicht zu sehr herausheben, denn auch andere Stämme genossen (wenigstens zeitweilig) die römische Gunst. So förderte Rom Anfangs auch die Chatten, ehe diese sich von Rom wieder abwandten. Warum blieben wohl die Friesen und Chauken auch nach der Varusschlacht noch so lange „pro-römisch“, obwohl sie nun weit im Vorfeld der römischen Grenzen lebten? Nicht nur, weil sie über die Nordsee so leicht durch römische Flotten erreichbar waren. Noch bekannter und langlebiger mit Rom verbunden blieben an der Rheinmündung die Stämme der Bataver und Cananefaten. Bis zum Bataveraufstand waren sie weitgehend selbstständig geblieben und wurden quasi nur in den Militärdienst genommen… Jenseits der römischen Grenzen genossen auch die Hermunduren besondere römische Gunst, so dass sich die Angehörigen dieses Volkes laut Tacitus frei auf römischem Boden bewegen durften und sie jederzeit römische Märkte besuchen konnten – eine besondere Gunst. Interessant, dass es sich bei den Hermunduren um ein Volk handelte, das im Vorfeld des Limes, zwischen den unruhigen Chatten im Westen und den oftmals unruhigen, aber mächtigen Markomannen im Osten lebten. Die Hermunduren griffen mehrfach in die Machtverhältnisse bei den Markomannen (und deren „Schwestervolk“ der Quaden) ein. Nicht nur beim Ende des Marbod, sondern auch später…

OT

Die Elbe wäre über die Moldau gemessen länger als der Rhein. . .
Der durch Jchatt angegebene Abstand der Flüsse Elbe/Moldau zur Donau von 60km verringert sich über Nebenflüsse auf unter 10km.

Ein wichtiges Detail zum Verständnis der Bedeutung der Markomannen im Rahmen der ursprünglichen, römischen Germanienkonzeption. Die Markomannen lebten nämlich gemeinsam mit den Quaden in dieser Gegend. Wenn der Illyrische Aufstand nicht gekommen wäre, hätte Rom den bereits begonnenen Krieg gegen Marbod gegen genau dieses Gebiet fortgeführt - als nächste Phase der Eroberung. Der Aufstand rettete Marbod und dann kam bekanntlich die Varusschlacht.

Diese ganze Politik der "Begünstiung gewisser Stämme" war Teil normaler römischer Klientelpolitik...

So weit als eher kurze Schlagworte
 
Zuletzt bearbeitet:
Diese ganze Politik der "Begünstiung gewisser Stämme" war Teil normaler römischer Klientelpolitik...

Die Situation der Cherusker ähnelt meiner Meinung nach sehr dem Verhältnis der Römer und Haeduer in Gallien wie Caesar sie beschreibt.
Das Siedlungsgebiet der Haeduer lag ähnlich zentral. Deshalb konnte Caesar sie mehrfach mit der Getreideversorgung betrauen und geriet im Gegenzug in ernsthafte Schwierigkeiten als die Haeduer beim Vercingetorixaufstand die Seiten wechselten.
Der gehobene Status der Haeduer wird in der Behandlung bei Fehlverhalten sichtbar. Während kleinere Stämme für Aufstände massakriert oder versklavt wurden, wurde den Haeduern trotz des Ergreifens und Tötens römischer Bürger zunächst verziehen.
Ich glaube als Bundesgenossen unterlagen sie auch nicht der römischen Gerichtsbarkeit. Caesar griff zwar in die stammesinternen Fraktionskämpfe und die Besetzung der Stammesführung parteiisch ein, überliess sie aber ansonsten ihren eigenen Gesetzen.

Auch die Cherusker waren Bundesgenossen der Römer. Das heisst man begegnete sich nach aussen hin auf Augenhöhe. Verdeutlicht wird das vielleicht durch gesellige Zusammenkünfte, wie sie vor dem Treuebruch berichtet werden.
Verständlich wird dann aber auch die Entrüstung der antiken Historiker über die Rechtsprechung des Varus (bei einem Bundesgenossen) und die Aussage des Arminius nie wieder Rutenbündel zwischen Rhein und Elbe sehen zu wollen. So gesehen kann das zu Gerichtsitzen des Varus also als eine gravierende Zurücksetzung des Bundesgenossenstatus gegolten haben.

Gruss
jchatt
 
Von Verträgen, Klienten und Patronen

Ob die Cherusker eine ähnlich herausgehobene Schlüsselstellung im römischen Klientel-Konzept besaßen wie die Häduer? Parallelen gibt es. Jedenfalls standen sie in der Gunst Roms und wurden umworben. In der späteren Geschichte der Cherusker „erbaten & erhielten“ dieser Stamm in Form von ITALICUS einen neuen Anführer von Rom. Er war Sohn des romtreu gebliebenen Flavius, des Bruders des Arminius gewesen.
Italicus ? Wikipedia
Die römischen „Floskeln“ von „Bundesgenossen“ und „erbetenen Fürsten“ sollte man nicht unbedingt allzu wörtlich nehmen. Ein Bündnis Roms mit einer anderen Macht war per se niemals auf Augenhöhe, sondern bedeutete (aus römischer Sicht) immer eine Unterordnung unter Rom als römischer Klient. Und Klienten standen gegenüber ihrem Patron niemals auf Augenhöhe! Viele „Bundesgenossen Roms“ waren sich oftmals nicht recht im Klaren darüber, dass sie mit solchen Verträgen gegenüber Rom unausgesprochen immer auch einen Teil ihrer Souveränität aufgaben. Das Schicksal von Rhodos zeigt dies sehr gut, obwohl es sich um einen langjährigen, bewährten und überaus wichtigen „Bundesgenossen“ Roms handelte:
Wikipedia schrieb:
… Doch schon 168 verlor die Insel ähnlich wie auch Pergamon die Gunst der neuen Großmacht, als Rhodos versuchte, zwischen Rom und dem makedonischen König Perseus zu vermitteln, statt die Römer bedingungslos zu unterstützen. Der römische Senat erwog sogar einen Krieg und beschloss dann 167/166 die Einrichtung eines Freihafens auf der Insel Delos, was Rhodos, das zudem seinen Festlandbesitz wieder verlor, empfindlich traf.
Dazu sollte man wissen, dass es unter griechischen Mächten bei Konfliktfällen während des Hellenismus immer üblich gewesen war, andere griechische Mächte als Vermittler heranzuziehen. Ohne das daraus weitergehende, machtpolitische Ansprüche des „Vermittlers“ abzuleiten gewesen waren. Mit dem Aufstieg Roms griffen die Griechen immer wieder gerne auf Rom als solchen „Schiedsrichter“ zurück und waren sich nicht über die Konsequenzen dieses Schrittes im Klaren!

Kurz: Rom leitete aus Verträgen gerne Klientel-Verhältnisse ab und Klientel-Verhältnisse erlaubten es ihnen sich jederzeit auch in die inneren Angelegenheiten ihrer Klientel einzumischen. Rom setzte Klientelkönige ein oder berief sie ab, „verschenkte“ Territorien anderer Mächte, zog sie wieder ein, bis hin zur Auflösung und Provinzialisierung. Gerade im griechischen Osten war dies nicht erst in der Kaiserzeit üblich. Auch in Mitteleuropa geschah dies, indem das Generationen hindurch mit Rom verbündete, keltische Alpenreich Noricum letztlich in eine römische Provinz verwandelt wurde. Die Cherusker waren fraglos zu römischen Klienten geworden!
 
Wie stark waren die Cherusker wirklich?
Stärker als andere Stämme (auch zahlenmäßig) wie z.B. Marser, Brukterer etc.?

Die erste Erwähnung der Cherusker bei Caesars Bello Gallico VI,10 nennt sie zusammen mit den Sueben, von denen sie durch den Wald Bacenis getrennt gewesen sein sollen. Da die Sueben nach Caesar der mächtigste Germanenstamm waren, kann man zumindest mutmaßen, daß die Cherusker schon zu diesem Zeitpunkt eine ähnlich bedeutende Stellung im Germanengefüge gehabt haben könnten. Von den kleineren(?) Usipetern und Tenkterern berichtet Caesar dagegen, daß sie von den Sueben aus ihren Siedlungsgebieten vertrieben wurden.

Im potentiellen Siedlungsgebiet der Cherusker, die Mittelgebirge zwischen Teutoburger Wald und Harz, fällt es offensichtlich schwer die Funde der vorrömischen Eisenzeit eindeutig zuzuordnen. Keltische und germanische Funde treten parallel auf. Nach Bérenger, wenn ich das richtig verstanden habe, ist diese Kultur deshalb weder Kelten noch Germanen zuzurechen, sondern in gewisser Weise auch als kulturell selbständig anzusehen.
Aus: Führer zur Vor- und Frühgeschichte der Hochstiftkreise Paderborn und Höxter: Die vorrömischen Metallzeiten


Ich schliesse daraus, das sich die Menschen in dieser Gegend, möglicherweise begünstigt durch die Topographie, also schon länger in dieser Schnittstelle militärisch wie kulturell behauptet haben.

Die Reiterei ist den Fusstruppen überlegen. In gebirgiger Gegend ist es umgekehrt (Vegetius).
Deshalb wundert es nicht, daß von einer nennenswerten cheruskischen Reiterei nicht die Rede ist, da sie im potentiellen Siedlungsgebiet weitgehend nutzlos wäre. Im Gegenteil wird berichtet, wie Arminius versucht die römische Reiterei in eine Falle zu locken, um möglicherweise seine Unterlegenheit(?) auf diesem Gebiet auszugleichen.
Das würde aber auch bedeuten, dass der militärische Einfluß(Dominanz?) der Cherusker nicht weit über die Mittelgebirge hinaus ging. Denn von den umgebenden Friesen, Chauken und Tenkterern sind kampfstarke Reiterabteilungen erwähnt.
So zieht sich Arminius auch eher in die Waldgebirge zurück und wagt auch nicht bis zum Rhein vorzustossen.

In der späteren Geschichte der Cherusker „erbaten & erhielten“ dieser Stamm in Form von ITALICUS einen neuen Anführer von Rom. Er war Sohn des romtreu gebliebenen Flavius, des Bruders des Arminius gewesen.
Italicus ? Wikipedia

Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß Rom zwar die Gelegenheit nutzt, einen Marionettenkönig bei den Cheruskern einzusetzen, bei dessen Scheitern aber keine römischen Truppen schickt, sondern es den Langobarden überlässt, sie möglicherweise anweist, den Italicus wieder einzusetzen. Das deutet darauf hin, daß die Cherusker in der Germanienstrategie der Römer keine grosse Rolle mehr spielten, da sich diese mittlerweile komplett geändert hatte.

Gruss
jchatt
 
Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß Rom zwar die Gelegenheit nutzt, einen Marionettenkönig bei den Cheruskern einzusetzen, bei dessen Scheitern aber keine römischen Truppen schickt, sondern es den Langobarden überlässt, sie möglicherweise anweist, den Italicus wieder einzusetzen. Das deutet darauf hin, daß die Cherusker in der Germanienstrategie der Römer keine grosse Rolle mehr spielten, da sich diese mittlerweile komplett geändert hatte.

Gruss
jchatt

Das ist richtig. Wenn man es über einen längeren Zeitraum betrachtet, ist dies aber die Standardpolitik Roms in seinem Verhältnis zu seinen Klienten im Vorfeld des Limes während der Kaiserzeit. Sie organisieren bestenfalls das andere Stämme eingreifen und machen sich nicht die Finger "schmutzig".
Wikipedia zu Quaden schrieb:
Vor Drusus ausweichend führte Marbod die Markomannen und einen Teil der Quaden in den Jahren 8–6 v. Chr. aus dem Maingebiet nach Böhmen, ins nördliche Niederösterreich und in die Südwestslowakei, wo er die Nachbarstämme (Boier, Langobarden, Lugier, Semnonen) unterwarf und das erste germanische Reich schuf, das etwa Böhmen, Mähren und Schlesien umfasste und unter starkem römischen Einfluss stand.[1] Catualda stürzte und vertrieb im Jahre 18 n. Chr. Marbod, konnte sich aber nicht behaupten.
Vannius (19–50 n. Chr.), der erste namentlich bekannte Quaden-König, wurde darauf von Drusus dem Jüngeren als römischer Klientelkönig der Quaden und Markomannen eingesetzt. Zu Beginn seiner Herrschaft war er bei seinem Volk beliebt und geachtet, doch entwickelte er sich später zu einem Tyrannen.
Vannius' Neffen (Schwestersöhne) Sido und Vangio verbündeten sich im Jahr 50 n. Chr. mit Vibillius, dem König der Hermunduren gegen ihn. Vannius wandte sich mehrmals an Kaiser Claudius, der ihm militärische Unterstützung verweigerte, jedoch Publius Atellius Hister, den Statthalter von Pannonien anwies, Vannius aufzunehmen und zu schützen. Die Truppen des Vannius (Quaden als Infanterie und Jazygen als Kavallerie) waren zu schwach gegen die zahlreichen Feinde (Ligier, Hermunduren u.a.), so dass er sich an einem befestigten Platz verschanzte. Im Kampf verwundet, musste er mit seinen Anhängern zur Donau fliehen, wo Schiffe bereitlagen. In Pannonien wurde ihnen Land im Gebiet des Leithagebirges zugewiesen.[2] Seine Neffen und Nachfolger Sido und Vangio teilten das Königtum und verhielten sich den Römern gegenüber loyal. Zunächst waren sie beim Volk beliebt, doch entwickelten auch sie sich zu verhassten Despoten.
Kaiser Antoninus Pius setzte bei den Quaden um die Mitte des 2. Jahrhunderts einen romfreundlichen König ein (Münzprägungen "rex Quadis datus"), um auf diese Weise Einfluss auszuüben.
Ich habe diesen Bereich zitiert, weil hier am massivsten diese Form römischen Handelns erkennbar wird. Bereits beim Ende des Marbod spielte Rom die gleiche Rolle, wie beim Ende des langjährigen, treuen Verbündeten Vannius: Auch hier nahm man Marbod und sein Gefolge ins Reich auf. Letzteres siedelte man strategisch geschickt an (wie auch jenes des Vannius später!) und "gewährte" Marbod Asyl in Italien. Die Parallelen zum Schicksal der Römerfreunde unter den Cheruskern sind unverkennbar, nachdem sich Arminius ja dort erst einmal durchgesetzt hatte (Segestes....). Ähnliche Beispiele gäbe es weitere...
 
Ähnliche Beispiele gäbe es weitere...
Ich möchte dabei auch unbedingt darauf hinweisen, dass ähnliche Handlungen Roms bis in die Spätantike hinein üblich blieben:
Die Verlierer innergentiler Kämpfe außerhalb der Grenzen des eigenen Reiches wurden von den Römern sehr häufig als "Asylanten" ins Reich aufgenommen. Auch die berühmte Erlaubnis von Kaiser Valens für die Goten des Fritigern (im Vorfeld der Schlacht von Adrianopel 378) ist in gewisser Weise Ausdruck einer solchen Politik. Interessant ist auch, das der Kriegsgegner von Kaiser Valens im Gotenkriege zwischen 367 bis 369, der "Terwingen-Judex" Athanarich noch nach diesen für Rom so folgenschweren Ereignissen in Konstantinopel etwa 380 Aufnahme fand, wo er bereits im Januar des folgenden Jahres "überraschend" verstarb und ein Staatsbegräbnis bekam…

Bekanntlich nahm die römische Armee bei eigenen Kriegszügen über ihre Grenzen hinweg oft auch die dort besiegte Bevölkerung mit sich hinter die eigenen Grenzen zurück. Das Los der Besiegten konnte zwischen Sklaverei, Zwangsumsiedlung bis hin zur Ansiedlung als Laeten mit der Pflicht zur Heeresfolge reichen… Vor dem Ansiedlungsvertrag für die Goten ab 382 wurden diese Menschen nie geschlossen angesiedelt, so dass der innere Zusammenhalt als Volk verlorenging. Binnen weniger Generationen wurden sie anscheinend in der Regel sehr schnell assimiliert…
Ich halte diese Praxis für eine übliche Politik der "Vorfeldbefriedung", verbunden mit einer Politik, welche einmal verbündeten Anführern so etwas wie eine Option als "Rentner Roms" einräumt - Um es etwas provokativ zu formulieren.
Das nur als ein kurzer Einwurf und Ergänzung!
 
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