Pope schrieb:
Wenn er gezielt "angeschossen" wurde, fehlt noch die Antwort auf die Frage:
Mal so aus der Erinnerung: Benno Ohnesorg war das erste Mal bei einer Demo dabei gewesen, er entsprach auch nicht dem üblichen "Feindbild": langhaarig, ungepflegt und ungewaschen. Er war Student, verheiratet und war gerade Vater geworden.
Die Proteste im Zusammenhang mit dem Schah-Besuch wurden vom Establishment als Beleidigung eines Staatsgastes empfunden; entsprechend heftig war die Reaktion. So erlaubte man zb Agenten des iranischen Geheimdienstes Savak gegen (da noch friedlich!) protestierende Studenten vorzugehen und sie brutal zusammenzuknüppeln. Das heizte das Klima natürlich an.
Der Beamte Kurras gab zu seiner Verteidigung an, er sei von gewalttätigen Studenten eingekesselt worden und habe sich nicht anders zu helfen gewußt, als die Waffe zu ziehen und in die Luft zu schießen. Der angebliche Schuß in die Luft wurde durch Zeugenaussagen (und ich meine auch durch gerichtsmedizinische Untersuchungen) widerlegt, da Kurras die Waffe nicht nach oben gerichtet, sondern den Arm in Schulterhöhe ausgestreckt hatte.
Soweit ich mich erinnere, war von Benno Ohnesorg keine Gewalt ausgegangen und er hatte auch nicht zu der Gruppe gehört, von der Kurras sich eingekesselt glaubte, sondern stand etwas abseits.
@Martas: als unerfahren möchte ich Kurras nicht bezeichnen; er muß damals so Ende 40 oder älter gewesen sein.
@Repo: den Beamten ist damals auch oft genug was anderes eingefallen, als die Waffe zu ziehen. Das war ein ziemlich einmaliger Vorfall, darum hat er ja auch so viel 'Staub aufgewirbelt' und zur Radikalisierung vieler Personen beigetragen.
Die Polizei ging damals mit den üblichen Mitteln gegen Demonstranten vor: Schlagstock, Wasserwerfer, Hunde. Es wurden auch berittene Einheiten eingesetzt, die u.a. in die Menge hineinritt.
Zu dem Schuß auf Ohnesorg gehört natürlich auch noch das Klima insgesamt, in dem er stattfand. Die Studentenproteste wurden "von oben" und von vielen älteren Personen mit Unwillen gesehen; die Studenten machen sich einen faulen Lenz und demonstrieren lieber statt zu arbeiten oder wenigstens ordentlich zu lernen. Die Forderungen der Studenten waren ebenfalls geeignet, Befürchtungen auszulösen (es wurden zb Personen mit Nazivergangenheit öffentlich angeprangert, Ausbildungsreformen gefordert, es wurden nicht nur Reformen eingefordert, sondern ein sozialistisches System propagiert, es wurden andere Formen des Zusammenlebens ausprobiert).
Besonders ein weithin bekanntes Vierbuchstabenblatt aus einem großen Konzern hetzte und heizte das Klima gegen die Studenten an (siehe zb der Schuß auf Rudi Dutschke: der Täter sagte im Prozeß aus, er sei durch Artikel gegen Dutschke im gemeinten Blatt so aufgebracht gewesen, daß er ihn umbringen wollte). Inwieweit diese Gesamtsituation auch auf Kurras wirkte, der sich angesichts von 5-6 gestikulierenden Personen in höchster Gefahr wähnte, bliebe zu diskutieren (oder auch nicht).