Möglicherweise ist das so. Wir werden es nie sicher wissen. Sowenig wie Tacitus wissen konnte, ob Varus überlebt hätte, wenn er im Lager geblieben wäre. Anhand von Varus und Caecina stellt er aber diese beiden Optionen - marschieren ober bleiben - einander gegenüber und zieht aus dem Überleben des Caecina und dem Tod des Varus den Schluss, dass Varus einen Fehler gemacht hat.Hätten die Germanen abgewartet, so hätte auch Caecina früher oder später aufbrechen müssen. Und hätte wohl das Schicksal des Varus erlitten. Ein Ausharren im Lager war auf längere Zeit gesehen auch hier nicht möglich.
Ich wollte nicht sagen, dass dieses Urteil des Tacitus richtig ist. Nur, dass er mit seinem Text genau dieses Urteil fällt.
Das widerspricht der Aussage von Dio, dass die Truppen am Morgen nach dem dritten Abend der Schlacht "immer noch auf dem Marsch" waren. Und es widerspricht der Aussage von Tacitus, dass die bleichenden Knochen "auf offenem Feld" lagen.Hier meine Überlegungen noch einmal kurz zusammengefasst.
Der 1. Abend der Schlacht: absolutes Chaos. Die Römer errichten trotzdem standardmäßig ein Lager, und zwar dort, wo sie von den Germanen angegriffen wurden, also mitten im Wald. Soweit das überhaupt möglich war.
Der 2. Abend der Schlacht: die Römer haben eine Lichtung erreicht, ein geeigneter Platz, um das standardmäßige Marschlager zu errichten. Die Römer haben bis zu diesem Zeitpunkt schon einige Verluste erlitten, die genaue Anzahl ist aber unklar. Die Zeit zum Durchzählen und Neukonzipieren des Lagerumfangs auf Basis dieser Zahlen fehlt, Varus überlegt darum nicht lange und lässt ein Lager für 3 Legionen errichten, die letzte gesicherte Anzahl der Soldaten von der er weiß.
Der 3. Abend der Schlacht: die Verluste der Römer sind stark gestiegen, und die Soldaten sind erschöpft, es wird aber trotzdem standardmäßig ein Lager errichtet. Da nicht genügend Soldaten übrig sind, um Graben und Wall für ein Lager mit Normumfang anzulegen, und die Soldaten auch nicht mehr genügend Kraft haben, um einen Graben mit Normtiefe auszuheben, halten die Römer an einen halbwegs geeigneten Ort und errichten ein provisorisches Lager.
MfG