fingalo
Aktives Mitglied
Das Gulathingslov, das auf alten Rechtsvorstellungen fußt, verbietet Zauberei u.ä. Das sind die ältesten Zeugnisse aus dem Rechtsleben, die wir haben. Das Allthing hat im Jahre 1000 beschlossen, dass offiziell nur noch Christentum praktiziert werden dürfe, heidnische Bräuche im Verborgenen aber noch toleriert. Mehr war von den Vertretern des Christentums nach dem Stand der Dinge nicht zu erreichen. Das sind Belege, die eher auf einen Druck der Christen auf die Bürger zur Ablegung des Heidentums hindeuten und einer Deutung der Integration ins Heidentum entgegenstehen. Der zweifellos vorhandene Synkretismus wurde keineswegs von den Missionaren begrüßt.pan narrans schrieb:Ich gebe zu, an diesen beiden Stellen reine Vermutungen geäußert zu haben, die ich im Fall von Nr. 4 ebenfalls als solche hätte deutlich machen sollen. Es ist halt meine Vorstellung, wie sich der Vorgang der Missionierung bei einzelnen Personen abgespielt haben könnte und ergab sich aus dem vorangegangenen Gedankenaustausch mit beorna. Aber belegbar ist es mit Sicherheit nicht, anfechtbar dafür schon.
Hier irtt der Gewährsmann. Eine Reichsideologie, wonach das Christentum eine Unterwerfung unter den Kaiser bedeutete, gab es nicht. Irland, England, Schottland waren christlich, ohne dem Kaiser unterworfen zu sein. Richtig ist vielmehr, das Harald bereits als Heide 948 die Oberhoheit des Deutschen Kaisers anerkannt hatte, dann rebellierte und nach der Niederlage sich 960 taufen ließ und damit Dänemark erhielt, was ihn aber von erneuter Rebellion 974 nicht abhielt. Also die Christianisierung hatte mit dem Herrschaftsanspruch Kaiser Ottos II. nichts zu tun. Aber es lag im Interesse des Kaisers, christliche Herrscher an seinen Grenzen zu haben, damit alle die gleichen Spielregeln für verbindlich erachteten.pan narrans schrieb:Ich verweise nochmals auf die Behauptung Adam von Bremens, die Missionierung Dänemarks sei durch den deutschen Kaiser vorangetrieben worden und möchte diesmal die entsprechende Stelle aus dem Buch "The Oxford Illustrated History of Vikings" von Peter Sayer (Hg.) zitieren, das mir als Übersetzung in der zweiten deutschen Auflage vorliegt. In Kapitel 9 "Alte und Neue Religion", das von Preben Meulengracht Sörensen verfasst wurde, steht auf Seite 229:
"Über die Bekehrung Harald Blauzahns existieren zwei Berichte. Der ältere findet sich in Widukinds um 970 geschriebener Sachsengeschichte. Laut Widukind überzeugte ein Priester namens Poppo den König durch ein Wunder von der Macht des christlichen Gottes...Etwa ein Jahrhundert später behauptete Adam von Bremen, dass Haralds Bekehrung auf Druck des deutschen Kaisers zustande gekommen sei. Dies ist ein typisches Beispiel für politische Propaganda krichlicherseits. Hatte der Kaiser das Christentum in Dänemark eingeführt, hätte dies der christlichen Reichsideologie zufolge die Unterwerfung des Dänenkönigs unter den Kaiser bedeutet. Im Angesicht einer solchen Bedrohung war Haralds Behauptung auf dem Runenstein in Jelling, dass er "die Dänen christlich machte", eine bedeutsame politische Aussage, eine Beteuerung der Unabhängigkeit Dänemarks."
Kaiser Otto hatte seinen Herrschaftsanspruch bereits vorher geltend gemacht, wie bereits ausführte. Außerdem ist seine Auseinandersetzung mit Håkon Jarl über die Missionierung Norwegens nicht verständlich, wenn es nur um deutsche Machtinteressen ging. Denn Otto II. hatte keine Ambitionen in Norwegen.pan narrans schrieb:Ich glaube nicht, dass Adam von Bremen diese Darstellung ohne Hintergedanken niederschrieb. Die einzige sinnvolle Motivation, die ich mir vorstellen kann, ist ein Interesse Adams an einem Herrschaftsanspruch des Kaisers in Dänemark, denn darauf läuft die Darstellung hinaus. Nach einem Blick in den dtv-Atlas bin ich mir auch sicher, dass Hamburg damals zum Hoheitsgebiet des deutschen Kaisers gehörte.
Das verstehe ich nicht ganz. In den Sagas wird Olavs Druck auf Island ausführlich dargestellt und dass sich das Allthing durch Beschluss dem Druck gebeugt hat. Nirgendwo wird behauptet, dass das Allthing seinen Beschluss einfach so getroffen habe.pan narrans schrieb:Dass christianisierte Herrscher Skandinaviens den gleichen Kniff anwendeten, ist natürlich richtig. Allerdings hatten auch deren Widersacher gelernt. So bekräftigte der Allthing von Island, dass er den Religionswechsel beschlossen hätte und keineswegs von Olaf Tryggvasson bekehrt wurde.
Eine Konkurrenz hat es nicht gegeben, da Adam keine Missionare nach Norwegen schickte. Unter "Konkurrenz" verstehe ich Verhältnisse wie in England, wo kontinentale und irische Missionare nebeneinander auf dem gleichen Felde ackern. Das war in Norwegen definitiv nicht der Fall.pan narrans schrieb:Da möchte ich nochmals aus dem oben genannten Buch zitieren.
"...sein (Adam von Bremens) Werk spiegelt nicht nur die zeitgenössische christliche Ideologie wieder, sondern auch eigene Sympathien un die kontinentale Kirchenpolitik. Besonders offenkundig ist dies in seiner Behandlung von Herrschern, die in ihren Reichen den Einfluss der angelsächsischen Kirche förderten. Wir erfahren, dass Sven Gabelbart, der dänische König, der England eroberte und englische Missionare bevorzugte, in Dänemark Christen verfolgt habe. Olaf Tryggvasson, der in den nordischen Sagas als der große Bekehrer Norwegens und Islands dargestellt wird, ist in Adams Bericht praktisch ein Heide. Olaf wurde wahrscheinlich in England getauft und wurde von englischen Geistlichen begleitet, als er dem heidnischen Jarl Hakon Norwegen wegnahm. Dies brachte ihn in Konflikt mit den Missionspraktiken Hamburgs, und Adam wies ihn in die Schranken, indem er berichtete, dass manche Leute sagten, er sei ein Abtrünniger, und alle sich einig seien, dass er Zauberei praktiziere und Omen von Vögeln empfange."
Ich zitiere aus dem Wikipedia-Artikel über die Geschichte Norwegens, der eine Zusammenfassung aus "Aschehougs Norges Historie", das wohl momentan seriöseste auf dem Markt, darstellt.
" Seit dem 9. Jh. hatte Hamburg/Bremen das Erzbistum über die nordischen Lande inne. Aber die norwegischen Bischöfe hatten in der Missionszeit ihre Verbindungen vor allem nach England. So hatte die Herrschaft des norddeutschen Bischofs nur einen begrenzten Einfluss auf die norwegischen Verhältnisse. Adalbert wollte sein Erzbistum sogar zu einem nordeuropäischen Patriarchat erhöhen. Da Magnus d. Gute nach seiner Krönung 1041/1042 immer wieder Widerstände erfuhr, suchte er einen Schulterschluss mit dem Erzbischof. Daher brachte er auch einen deutschen Bischof nach Norwegen, Bernhard "den sakslanske" (= der Deutsche). Als Harald Hardråde die Herrschaft übernahm, endete die Zusammenarbeit abrupt. Sein Nachfolger Olav Kyrre suchte wiederum ein besseres Verhältnis zum Bremischen Erzbischof. Unter seiner Regierungszeit begann die norwegische Kirchenorganisation Gestalt anzunehmen. Die Bischöfe bekamen Bistümer zugewiesen, die sich an Verwaltungsbezirke der Thingverbände anlehnten. Bischof Bernhard wurde Bischof im Gulathings-Bezirk."
Also hat das Erzbistum Hamburg mal gerade 1 (in Worten "einen") Bischof plazieren können. Von Priestern ist keine Rede. Und da war die Christianisierung schon weit fortgeschritten. Also hatten die englischen Missionare in Norwegen gar keine Konkurrenten. Daher gab es auch keine Konkurrenzsituation. Ob das dem Erzbischof gefiel? Siehe unten.
pan narrans schrieb:Ich entnehme daraus, dass die englische und kontinentale Kirche sehr wohl in einem Konflikt bzw einer Rivalität in Skandinavien zueinander standen. Scheinbar hat es Adam nicht gefallen, dass englische Missionare unter seinen potentiellen Schäfchen wilderten oder ist dir eine andere Motivation bekannt, warum er Herrscher mit Verbindungen zur englischen Kirche derart verleumdete.
Hier zitiere ich mal Adam selbst (Gesta II 36 Ende, 37 Anfang):
"Olav Tryggvason kam nach seiner Vertreibung aus Norwegen nach England; hier nahm er das Christentum an, das er als erster in die Heimat mitbrachte ...
Andere behaupten, früher und auch damals hätten Bischöfe und Priester aus England zur Verkündigung des Evangeliums ihre Heimat verlassen und sie hätten Olav und die anderen getauft; der bedeutendste unter ihnen sei ein Bischof Johannes gewesen.; andere werden später noch genannt werden. Wenn das stimmt, so erklärte ich: Die Mutterkirche Hamburg sieht es ohne Neid, wenn auch Fremde ihren Kindern Gutes tun...."
Er sagt ihm Zauberkunst und Wahrsagerei nach. Nun davon hatte er seienen Beinamen "Tryggvason", das war also sicher keine Verleumdung. Und seinen Tod kommentiert er mit den Worten: "...und so ging er zu Grunde, weil er sich von falschen Behauptungen täuschen ließ". Na ja, das ist keine Verleumdung, das würde ich auch von einem sagen, der seine Entscheidungen ausschließlich auf Horoskope baut. Mehr erzählt Adam über Olav nicht. Die Wertung, dass Olav nach Adam "praktisch ein Heide" gewesen sei, lässt sich an seinem Text nicht belegen.
Und jetzt zunächst mal gute Nacht.