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Die Kreuzfahrer "nahmen das Kreuz", das heißt, sie legten ein bestimmtes Gelübde ab, häufig bei emotional aufgerührten öffentlichen Versammlungen unter dem Einfluß von Predigern, deren Aufgabe es war, ihre Zuhörer in einen Begeisterungstaumel zu versetzen. Man hat vermutet, daß im dritten Viertel des 12. Jh. die Kreuznahme und der Ritus der Darreichung der Pilgersymbole Beutel und Stab zu einer einzigen Zeremonie zusammengefallen waren. Vielleicht trifft das zu, anfänglich jedenfalls waren beide Rituale getrennt. Ludwig VII. durchlief sie an zwei verschiedenen Orten und Zeitpunkten, als er sich auf den Zweiten Kreuzzug vorbereitete. Am 31. März 1146 legte er zusammen mit Angehörigen des Hochadels vor einer großen Versammlung sein Kreuzzugsgelübde in Vezelay in einer halb privaten zeremonie ab, bei der dem König ein Kreuz gereicht wurde, das der Papst gesandt hatte. Anschließend trat er mit dem Prediger, dem Heiligen Bernhard von Clairvaux, vor die öffentliche Versammlung und stand neben ihm mit dem Kreuz auf der Plattform, offensichtlich um die Zuhörerschaft zu ermutigen. Bernhards Predigt erweckte eine dermaßen große Begeisterung, daß der Packen an Stoffkreuzen, der zur Verteilung bereit stand, aufgebraucht wurde und Bernhard sein Mönchshabit in Fetzen reißen mußte, um so für Nachschub zu sorgen. Erst über ein Jahr später, am 11. Juni 1147, empfing der König zu St. Denis aus den Händen des Papstes die Symbole der Pilgerschaft: den Beutel und die Oriflamme, das Schlachtenbanner der französischen Krone, welches bei dieser Gelegenheit wahrscheinlich die Stelle des Pilgerstabs vertrat.
Diese Vorgehensweise wurde in den frühen Jahrzehnten der Kreuzzugsbewegung überall geübt. Nachdem Adlige oder Ritter das Kreuz genommen hatten, schlossen sie private Vereinbarungen, um vom ortsansässigen Bischof, Abt oder Prior Beutel und Stab sowie den Segen zu empfangen, der später als zusätzliche rituelle Handlung erwähnt ist. Die zweite zeremonielle Handlung war manchmal mit einer finanziellen Vereinbarung oder einer Spende an die betreffende religiöse Gemeinschaft verbunden...