Der Alchemistenkaiser Rudolf II.

morgana_nova

Neues Mitglied
Ich bin erstaunt, welche Fachkompetenz hier unterwegs ist - sollte aber wohl auch in einem Geschichtsforum so sein ;)
Nun aber zum Thema: Bei meinen privaten Studien zur Blutgräfin Báthory fiel immer wieder der Name ihres Zeitgenossen Rudolf II. von Habsburg, der sich im Gegensatz zu seinen Vorgängern recht sesshaft in Prag niedergelassen hat. Dort hat er angeblich alle möglichen Alchemisten, Wahrsager aber auch Naturwissenschaftler wie Kepler und Tycho Brahe um sich geschart. In mancher Hinsicht erinnert er von seinem menschenscheuen Wesen ein wenig an König Ludwig II. von Bayern.

Meine Frage ist nun, Rudolf II. war u.a. König von Ungarn, Böhmen und Mähren. In wie weit hatte er aber tatsächlich die Macht über diese Länder? So weit ich es verstanden habe, war er lediglich formelles Staatsoberhaupt, die Macht im Lande hatten jedoch die Stände, sprich die lokalen Herzoge, Grafen und Barone, was so weit ging, dass nicht der König, sondern diese Lokalherrscher bestimmten, welcher Religion ihre Untertanen angehörten. Stimmt diese Aussage, oder liege ich da ganz daneben?

Danke sagt Morgana:winke:
 
morgana_nova schrieb:
Meine Frage ist nun, Rudolf II. war u.a. König von Ungarn, Böhmen und Mähren. In wie weit hatte er aber tatsächlich die Macht über diese Länder? So weit ich es verstanden habe, war er lediglich formelles Staatsoberhaupt, die Macht im Lande hatten jedoch die Stände, sprich die lokalen Herzoge, Grafen und Barone, was so weit ging, dass nicht der König, sondern diese Lokalherrscher bestimmten, welcher Religion ihre Untertanen angehörten. Stimmt diese Aussage, oder liege ich da ganz daneben?

So ganz daneben liegst Du mit Deiner Vermutung wohl nicht, was das Machtpolitische betrifft, aber dazu können andere hier noch mehr sagen... :winke:
Ansonsten bitte ich aber die werten Moderatoren, dieses Thema - welches sich um einen Herrscher der Zeit um 1600 dreht - in "Persönlichkeiten der Neuzeit" zu verschieben.

Dank & Gruß

Timo
 
morgana_nova schrieb:
So weit ich es verstanden habe, war er lediglich formelles Staatsoberhaupt, die Macht im Lande hatten jedoch die Stände, sprich die lokalen Herzoge, Grafen und Barone, was so weit ging, dass nicht der König, sondern diese Lokalherrscher bestimmten, welcher Religion ihre Untertanen angehörten. Stimmt diese Aussage, oder liege ich da ganz daneben?
Die Religionsfrage, bzw. "cuius regio, eius religio" war im Mitteleuropa des 13 Jhd.s wohl geklärt: so gut wie alles war katholisch (ich spreche wohlgemerkt von Mitteleuropa). Rudolf II. dürfte daher kaum Probleme mit religiösen Abweichlern gehabt haben.
Aber ich verweise ausdrücklich darauf, auf Antworten der Experten zu warten, ich meine hiermit ausdrücklich "unsere Habsburger", Kreuzzugsexperten und Religionsgeschichtler.
"Cuius regio, eius religio" wird eigentlich erst in der (Gegen-)Reformationszeit (nach 1517) und dann besonders nach dem Augsburger Religionsfrieden (1555) zum Gegenstand politischen Denkens.
Aber ich verweise ausdrücklich darauf, auf Antworten der Experten zu warten, ich meine hiermit ausdrücklich "unsere Habsburger", Kreuzzugsexperten und Religionsgeschichtler.
 
El Quijote schrieb:
Die Religionsfrage, bzw. "cuius regio, eius religio" war im Mitteleuropa des 13 Jhd.s wohl geklärt: so gut wie alles war katholisch (ich spreche wohlgemerkt von Mitteleuropa). Rudolf II. dürfte daher kaum Probleme mit religiösen Abweichlern gehabt haben.

Rudolf II.? 13. Jahrhundert?

Timotheus schrieb:
Ansonsten bitte ich aber die werten Moderatoren, dieses Thema - welches sich um einen Herrscher der Zeit um 1600 dreht - in "Persönlichkeiten der Neuzeit" zu verschieben.

Um dann weiterschreiben zu können, müßte Morgana die Schreibrechte für die Neuzeit beantragen:

http://www.geschichtsforum.de/announcement.php?f=70



P. S.
Andererseits sehe ich, daß eine Buchempfehlung für Rudolfs Nachfolger Matthias sich ebenfalls in der Rubrik "Mittelalter" befindet:
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=2158

Dann wollen wir lieber mal nicht gleich ganz so streng sein...
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Dann ganz kurz :eek:fftopic: :oops: :sorry:

hyokkose schrieb:
Um dann weiterschreiben zu können, müßte Morgana die Schreibrechte für die Neuzeit beantragen:

http://www.geschichtsforum.de/announcement.php?f=70

Sie hat doch im Thema "Gräfin Bathory" da schon geschrieben... :grübel: :S :confused:

Sollte dann also kein Problem sein, oder? :winke:

Fragende Grüße

Timo

PS (EDIT): OK, lassen wir's dabei... weiter im Thema...
 
Zuletzt bearbeitet:
timotheus schrieb:
Sie hat doch im Thema "Gräfin Bathory" da schon geschrieben... :grübel: :S :confused:

In der Tat... Da muß ich mich wohl mal schlau machen, auf was sich die Schreibrechte derzeit genau beziehen.

Also beamen wir Rudolf II. schwupps in die Neuzeit!
 
Zuletzt bearbeitet:
morgana_nova schrieb:
Meine Frage ist nun, Rudolf II. war u.a. König von Ungarn, Böhmen und Mähren. In wie weit hatte er aber tatsächlich die Macht über diese Länder? So weit ich es verstanden habe, war er lediglich formelles Staatsoberhaupt, die Macht im Lande hatten jedoch die Stände, sprich die lokalen Herzoge, Grafen und Barone, was so weit ging, dass nicht der König, sondern diese Lokalherrscher bestimmten, welcher Religion ihre Untertanen angehörten. Stimmt diese Aussage, oder liege ich da ganz daneben?

Danke sagt Morgana:winke:

http://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_II._(HRR)

Hier bekommt man meistens sehr nützliches!

Also um deine Frage kurz zu beantworten:
Ein Kaiser der auf seine Gebiete verzichten muss und dann den Majestätsbrief ausstellt, der dem Adel freie Hand lässt welche Konfession sie wählen und damit eben auch unabhängiger gegenüber ihrem Kaiser sind, ein solcher Kaiser ist ein schwacher Kaiser.
Der Leitsatz hiess "wessen Land dessen Religion"

Wichtig auch ist, dass mit Kaiser Karl V, auch die universale Reichsidee gestorben ist. Die Habsburger spalteten sich in eine deutsche und eine spanische Linie!
Innenpolitisch wie aussenpolitisch ein untätiger Kaiser, der sich mehr für die Wisschenschaft interessiert als für sein Reich.
Aussenpolitisch ist das Zweifrontenproblem massgebend gewesen. Im Westen gegen Frankreich und im Süd-Osten gegen das Osmanische Reich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wow!
Noch mitten in der Nacht, gleich eine ganze Menge hilfreicher Antworten, ich bin begeistert!

Das mit dem Mittelalter ist mir furchtbar peinlich :rotwerd:, obwohl mir natürlich die Lebensdaten Rudolfs II. (Kaiser von 1576-1612) bekannt waren. Aber wie ich sehe, habt ihr das Thema schon ins Neuzeit versetzt.

Die Beiträge aus Wiki hab ich mir natürlich schon angesehen, gibt es darüber hinaus noch ein empfehlenswertes Buch? Wiki selbst hüllt sich in Schweigen und der Link auf den Gesamtkatalog des Deutschen Buchhandels liefert eine unkommentierte Liste, aus der nicht zu ersehen ist, welche Qualität sich hinter den Büchern befindet.

Danke sagt Morgana
 
Rudolf II. wurde nach dem Tod seines Vaters nicht nur Oberhaupt der österreichischen Linie der Habsburger und Kaiser des HRR, sondern auch König von Böhmen und Ungarn sowie Erzherzog von Österreich (das damals "nur" aus Nieder- und Oberösterreich bestand).

Auf dem Gebiet des heutigen Österreichs regierten zwei weitere habsburgische Nebenlinien:
Die innerösterreichische (oder steirische) Linie beherrschte Steiermark, Kärnten und Krain (das heutige Slowenien).
Eine vorderösterreichische (oder Tiroler) Linie regierte über Nord- und Südtirol, Vorarlberg und die österreichischen Exklaven im Breisgau.

Ungarn war damals dreigeteilt. Es gab das königliche Ungarn, bestehend aus der heutigen Slowakei und einem schmalen Streifen in Westungarn, das türkisch besetzte Ungarn (der ungarische Kernraum um Budapest und Szeged) und Siebenbürgen, relativ unabhänging aber dem Sultan gegenüber tributpflichtig.

Aber nun zur Rolle Rudolfs II.:
Er trug die Kronen seiner Länder in Personalunion, aber er war wirklich der Herrscher dieser Länder und nicht bloss ein "Ehrenoberhaupt". Das Problem dieser Epoche war aber, dass die Machtverteilung zwischen Ständen und Fürsten in JEDER Provinz ein permanenter Kampf war.
Dh. wenn sich Fürst und Landtag zB. in Niederösterreich über Steuern geeinigt hatten, konnte die Situation im benachbarten Oberösttereich komplett anders sein.

In den habsburgischen Terretorien gabs zur Zeit Rudolfs nicht einmal in Ansätzen eine zentralisierte Politik. Zentralisierungsbestrebungen in Bezug auf den "Gesamtstaat" fand man bei den zentralen Verwaltungsbehörden und am Hof selbst.

Auf der Ebene der Landadeligen - wie es die Gräfin Bathory auch war - gabs eine Art tolerierter Anarchie. Das "cuius regio, eius religio" der Grundherrn musste von Rudolf akzeptiert werden, er braucht die Unterstützung der Stände gegen die Türken.

Um 1600 wandelt sich die Situation aber. Die habsburgischen Nebenlinie, vor allem die Steirer, setzten sich ihren Territorien durch. Ein frühabsolutistisches Regime verbunden mit konsequenter katholischer Gegenreformation wird von Ferdinand von Steiermark durchgesetzt. Dieser Ferdinand war auch niemand anderer als der habsburgische Agnat auf die Gesamtnachfolge (weder Rudolf noch sein Bruder Matthias hatten Kinder).

Interessant ist was in Österreich passiert - noch bevor im Bruderzwist Matthias die Herrschaft an sich bringt, wittern die Adeligen dass der Wind sich dreht. Man konvertiert zum Katholizismus oder verkauft seine Güter und erwirbt Grund in Böhmen (hier war die Macht der Stände am stärksten).

Ich befürchte dies alles klingt etwas verwirrend - die gesamte Epoche Rudolfs II. war aber so.
Zusammenfassend ist zu sagen: Rudolf II. war der letzte habsburgische Herrscher der nicht versuchte einen (früh)absolutistischen, zentralistischen Staat aus seiner Vielfalt an ererbten Territorien zu formen und die Macht der Stände zu brechen.
Alle nach ihm werden dies probieren, mit mehr oder weniger großem Erfolg.
 
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