Zunächst mal finde ich es müßig über deine „grandiose“ Literaturliste zu reden. Lese hier einfach selbst. Ps: McElligott ist sicher gut, aber unbedingt in der Frage des Dawes-Plan? Seine Meriten liegen eher in der neuen Periodisierung der Weimarer Republik…
Ausgeforscht? Die Weimarer Republik als Gegenstand historischer Forschung | bpb
Um den Dawes-Plan und dessen Einfluss auf die Weimarer Republik verstehen zu können müssen erst mal die Bedingungen erklärt werden. Zunächst einmal ist hier Gustav Stresemann zu nennen. Dieser sah es als seine Aufgabe an, Deutschlands Machtstellung über einen vielstufigen Prozess mittels Verhandlungen und Verständigung zurückzugewinnen. Ausschlaggebend waren dabei zwei Punkte:
Erstens, da Deutschland militärisch machtlos war konnte es nur über den Einsatz des deutschen Wirtschaftspotenzials gehen. Am 21.11.1925 sagte er dazu vor seiner Partei: „Ich glaube, die Benutzung weltwirtschaftlicher Zusammenhänge, um mit dem Einzigen, womit wir noch Großmacht sind, mit unserer Wirtschaftsmacht, Außenpolitik zu mache, ist die Aufgabe, die heute jeder Außenminister zu lösen hätte.“
https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1967_4_5_turner.pdf S. 23.
Zweitens: Eine Revision des Versailler Vertrages hätte nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn das französische Sicherheitsbedürfnis befriedigt wird. Und dafür musste sich Deutschland Frankreich annähern.
Zur Kanzlerschaft Stresemanns, beginnend im Herbst 1923 und die Hundert Tage dauerte, war die deutsche Inflation beendet und die deutsche Währung saniert worden – weshalb thanepower auch zu Recht von relativ „stabilen Jahren“ spricht. Durch diese Stabilität stellten sich nun neue Voraussetzungen für einen Neubeginn der Reparationszahlungen ein. Dafür strengte Stresemann eine realistische Kalkulation der deutschen Leistungsfähigkeit an, die eine Vertrauensbasis für die Gewährung internationaler Anleihen an das Deutsche Reich durch die Siegerstaaten schuf. Und diese Grundlage hierfür war der Dawes-Plan von 1924. Der Dawes-Plan hatte innenpolitisch den Vorteil, dass die politische Instrumentalisierung der Reparationsfrage ablöste und sie durch eine realistischere, auf Grundlage des wirtschaftlich Möglichen, ersetzte. Auf der anderen Seite verbanden sich die Anleihen mit den amerikanischen ökonomischen Interessen, welche auf massiven Kapitalexport angewiesen waren.
In der Kommission unter dem Vorsitz von Charles G. Dawes zeigte sich allein durch die amerikanische Dominanz darin, dass sie bereit dafür waren, die Reparationszahlungen zu lösen und auf diese Weise einen europäischen Wirtschaftsfrieden herzustellen. Dies geschah unter französischen Protest, denn sie wollten im Gegensatz zu England, Italien und die USA lediglich eine Sachverständigengespräche und keine Konferenz, die die Zahlungsfähigkeit Deutschlands innerhalb der Bestimmungen des Versailler Vertrages untersucht. Doch aufgrund des Druckes der drei Partner und dass die entente cordiale nicht zusammenbrach gab Frankreich nach und so wurde am 30.11.1923 beschlossen, eine Reparationskommission einzuberufen. Dieser Plan hatte weder eine endgültige Gesamtsumme noch eine Dauer festgelegt, sondern regelte lediglich die Höhe, Zusammensetzung und Sicherung der jährlichen Zahlungen Deutschlands und setzte so formell die Londoner Beschlüsse von 1921 außer Kraft. Der Dawes-Plan bewirkte, dass sich durch die Beilegung der außerordentlich hohen Reparationszahlungen die Beziehung zwischen Deutschland und den Alliierten beruhigte und leistete so eine Starthilfe für Deutschland, indem Deutschland im ersten Zeitabschnitt bis Ende August 1925 lediglich 200 Milliarden Reichsmark selbstzahlen musste und die restlichen 800 Milliarden RM durch internationale Anleihen aufgebracht wurden. Zusätzlich regelte der Plan, aus welchen Quellen die Reparationszahlungen geleistet werden und setzte in Berlin einen Reparationsagenten ein, welcher Bericht erstatten sollte und auf die Stabilität der deutschen Währung achten. Auf der Londoner Konferenz wurde dieser Plan akzeptiert und Deutschland erhielt zusätzlich die Zusicherung der Räumung des Ruhrgebietes.
So viel zum Dawes-Plan selbst.
Auf die durchaus berechtigte Frage des Fragenden:
Es war fraglich ob der Dawes-Plan im Reichstag eine Mehrheit finden wird, da zwar grundsätzlich Zentrum, SPD, DVP und DDP zustimmen würde – aber: da im Plan geregelt wird, dass wesentliche Einnahmen aus der Reichsbahn umgehend in die Tilgung der Anleihen fließen würden, benötigte eine Änderung des Reichsbahngesetztes – weil dies eine Verfassungsänderung ist – eine Zweidrittelmehrheit, die nur mit Hilfe der Stimmen von der DNVP erreicht werden würden. Diese bekämpfte den Dawes-Plan schon lange mit dem Argument, dies wäre ein neues Versailles. Und nur unter Druck der industriellen und agrarischen Interessenverbände votierten rund die Hälfte der DNVP für die Annahme, da sonst erhebliche Vorteile für die deutsche Industrie und Landwirtschaft verloren gehen würden.
Der Dawesplan verknüpfte relative Stabilität in der Außen- und Innenpolitik. Die deutsche Wirtschaft war durch die Ruhrbesetzung und den Belastungen durch die Reparationszahlungen arg geschwächt und da Deutschland gute Handelsbeziehungen zu England pflegte und ein Interesse an außenpolitischer Stabilität bestand, war dieser Plan eine Win-Win Situation für den Moment. Ohne diesen wäre unter den strikten Bedingungen des Versailler Vertrages die Zahlungen nicht einzuhalten gewesen, was nicht nur in Deutschland zu hohen Belastungen geführt hätte.
Die französische Revisionspolitik, Deutschland durch die Ruhrbesetzung in die Knie zu zwingen endete als Fiasko, denn die französische Finanzkrise geriet in immer stärkere internationale Abhängigkeit und die deutsche Position verbesserte sie. Die sogenannten „goldenen Zwanziger“ währen auch ohne diesem Vertrag nicht möglich gewesen, weil dieser die Reparationszahlungen zu erträglichen Bedingungen machte.
Mommsen, Hans: Aufstieg und Untergang der Republik von Weimar 1918-1933, München 1989.
Pohl, Karl Heinrich: Weimars Wirtschaft und die Außenpolitik der Republik 1924-1926. Vom Dawes-Plan zum Internationalen Eisenpakt, Düsseldorf 1979.
Ritschl, Albrecht: Deutschlands Krise und Konjunktur 1924-1934, Berlin 2002.
Rupieper, Hermann J.: The Cuno Government and Reparations 1922-1923, Den Haag 1979.
Witteck, Thomas: Auf ewig Feind? Das Deutschlandbild in den britischen Massenmedien nach dem Ersten Weltkrieg, München 2005.
Für Thanepower:
Schuker, Stephen A.: The End of French Predominance in Europe. The Financial Crisis of 1924 and the Adoption oft he Dawes Plan, Chapel Hill 1976.