Es gibt meiner Ansicht nach einen Unterschied zwischen zwei rivalisierenden Dynastien und zwei Dynastien, bei der man gegen viele Quellen einen grundsätzlichen Gegensatz, nämlich einen staufisch-welfischen Gegensatz postuliert!
Im Sinne der Ausgangsfrage und meinem Versuch, das Problem bzw. Phänomen in einen zeitlich größeren Zusammenhang zu stellen, möchte ich zwei Autoren bzw. verschiedene Fundstellen von diesen heranziehen; zum einen den französischen (!) Historiker/Biographen Marcel Pacaut und als Urgestein der klassischen deutschen Geschichtsschreibung Karl Hampe.
Ich denke, dass konkrete Einzelverweise und Zitate einfach mehr bringen als pauschale Links und „Zweizeiler“.
1) Zunächst im Überblick M. Pacaut, Friedrich Barbarossa, dt. Übersetzung 1969, S. 29:
„Schon zur Zeit Heinrichs IV. und Heinrichs V. hatten sich zahlreiche Fürsten dem König widersetzt. Nach der Wahl von 1125 wurden die Streitigkeiten noch heftiger, denn Friedrich von Hohenstaufen griff ohne Zögern zur Gewalt. Von zahlreichen Adligen (…) unterstützt, erzielte er anfänglich Erfolge und ließ seinen Bruder Konrad als Gegenkönig zu Lothar designieren.
Einige Jahre später wurde er jedoch vom Schwiegersohn des Monarchen, Heinrich dem Stolzen, einem Nachkommen Welfs von Bayern, geschlagen. Als 1138 der Papst und die Fürsten in einem Wechselspiel der Kräfte Konrad bevorzugten, waren es nun die Welfen, die nicht zustimmten. Deutschland war daher in zwei Parteien gespalten. Dieser rein deutsche Bürgerkrieg schwächte das Reich.“
Wie weit man der Aussage im letzten Satz zustimmen mag, sei dahingestellt; ein französischer Autor nimmt möglicherweise bei solchen Beurteilungen eine andere Perspektive ein.
Nur der Vollständigkeit halber (dies geht aus der zit. Fundstelle nicht hervor) der kurze Hinweis, dass der „Doppelherzog“ Heinrich der Stolze den Beistand für seinen Schwiegervater, Kaiser Lothar III., nach der Wahl Konrads zum Kaiser 1138/39 teuer bezahlen musste – bekanntlich mit dem Entzug bzw. der Aberkennung beider Herzogtümer (auf weitere Details soll an dieser Stelle verzichtet werden).
Und um Einwände/Anmerkungen vorweg zu nehmen, der besagte Schwabenherzog Friedrich (Vater Barbarossas) und die o.g. Adligen hatten für ihren Aufstand gg. Kaiser Lothar III. auch verschiedene Beweggründe – der Markgraf v. Österreich (aus dem Hause „Babenberg“) z. B. wollte das Herzogtum Bayern, das ja damals noch die Ostmark umfasste und seit geraumer Zeit von Welfen beherrscht wurde, einfach abkassieren. Anfang 1139 wurde er dann auch von Konrad mit Bayern belehnt/belohnt.
Also auf jeden Fall ging die Gewalt zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich von den Staufern bzw. ihrem Lager aus.
Eine weitere Fundstelle bei Pacaut in diesem Zusammenhang (gewalttätiges bzw. kriegerisches Vorgehen der Staufer gegen innerdeutsche Widersacher) auf S. 85:
„Denn dies war die Zeit, in der die durch die Bürgerunruhen entfesselte Anarchie die Unternehmungen der Herrenklasse begünstigte, in der Privatkriege und gegenseitige Abrechnungen – was von einem gewissen Grad der Gesetzlosigkeit an das gleiche war – in ganz Deutschland wüteten.
Barbarossa, der auch davon profitierte, als er in Bayern gegen Konrad von Zähringen Krieg führte, war bei seinem Onkel an ausgezeichneter Stelle, um mit eigenen Augen zu sehen, wie sehr diese Zwistigkeiten der Königsgewalt schadeten und wie wenig der Herrscher eine großzügige Politik einschlagen konnte, da er seine Macht in Deutschland nicht gefestigt hatte.
Diese wohlverstandene Lehre sollte er niemals vergessen.“
Der letzte Satz wird auch bei den Vorgängen 1179/1180 (Sturz des Löwen) noch gegolten haben (hierzu weiter unten) !
Ach ja; der in der dt. Übersetzung verwandte Begriff „Herrenklasse“ lässt dann doch wieder einen gewissen Zusammenhang mit einer anderen Beschreibung zu – ohne die Diskussion über die
Zulässigkeit bestimmter Begrifflichkeiten erneut aufrollen zu wollen.
Statt dessen noch einige Anmerkungen von Hampe zu den Ursprüngen dieser innerdeutschen Rivalitäten und Feindseligkeiten schon aus der Zeit Heinrichs IV.
2) In seiner „Dt. Kaisergeschichte“, hier die 10. v. Baethgen 1949 bearb. Auflage, zunächst S. 46:
„Die Art, wie Heinrich dies Ziel zu erreichten suchte, erinnert lebhaft an die Maßnahmen...
Es war ein Kampf gegen die Usurpationen der letzten Zeit, durchgeführt mit allen Rechtsmitteln, mit Nichtbeachtung des dem sächsischen Stamme von Heinrich II. zuerkannten Sonderrechts....
Dieser Ausdehnungspolitik scheint wegen seiner dem Krongutbezirk benachbarten sächsischen Eigengüter und Lehen der Bayernherzog Otto v. Northeim, damals wohl der staatsmännisch und strategisch fähigste Kopf in Deutschland, im Weg gestanden zu haben. Es fand sich ein Ankläger, der diesen unbequemen und dem König von Kaiserwerth her verhaßten Machthaber des Hochverrats beschuldigte. Als Otto, offenbar unschuldig, sich durch Meidung des gerichtlichen Zweikampfes formell ins Unrecht setzte, wußte Heinrich diese Lage geschickt zu seinem Sturze auszunützen und trotz heftiger Gegenwehr und der Verbindung mit Magnus, dem Sohne des Sachsenherzogs Ordulf, seine Unterwerfung zu erzwingen (1071). Otto büßte dabei sein Herzogtum Bayern ein, das an seinen Schwiegersohn Welf IV. verliehen wurde...“
Dann weiter auf S. 47:
„Indem Güter und Mannen, die durch Usurpation frei geworden waren, in die Abhängigkeit zurückversetzt wurden, schien allen Sachsen Knechtschaft zu drohen, ihr Sonderrecht war verletzt, nach dem Tode des Herzogs Ordulf (1072) gar ihre Stammesselbständigkeit angetastet, als der König zögerte, seinen Nachfolger Magnus aus der Haft zu entlassen, in die er durch Unterstützung des Northeimers geraten war. Der allgemeine Unwille, der vom Adel bis ins Volk getragen wurde, führte zu dem großen Sachsenaufstand von 1073...“
Um den Eindruck zu entkräften, Welf IV. sei als „Kriegsgewinnler“ aus der Absetzung seines Schwiegervaters hervorgegangen, noch eine kurze Anmerkung auf S. 65:
„Der Hauptherd des Widerstandes blieb Sachsen, wohin sich auch der Gegenkönig wandte. Überaus hart umstritten und furchtbar verwüstet wurde Schwaben. Es war das Herzogtum Rudolfs, der diese Würde bald seinem Sohne Berthold überließ; dort lagen die Hauptbesitzungen der beiden anderen
abgesetzten Herzöge, des bayrischen Welf und des Zähringers...
Aber auch Gut und Anhang des Königs waren im deutschen Südwesten beträchtlich, und Heinrich schuf sich nun einen getreuen Anwalt in dem Grafen Friedrich v. Büren, dem er das Herzogtum Schwaben übertrug und sein Töchterchen Agnes verlobte (1079). Es war gleichsam ein Symbol für das Emporstreben des neuen Geschlechts... des Hohenstaufen; im Kampf für das legitime Königshaus gegen Partikularismus und Papsttum betraten die Staufer zuerst den Schauplatz der Geschichte.“
Daraus wird wohl deutlich, wie sich ab ca. 1070 durch die Machtpolitik Heinrichs IV. nicht nur die persönlichen Frontstellungen/Feindschaften, sondern auch die der Volksstämme (bzw. „Landsmann-
schaften“) herausbildeten, und wer offensichtlich materiell von dieser Politik profitierte.
Um jetzt doch noch den etwas größeren Bogen zum Löwen zu spannen:
Besagter Herzog Magnus v. Sachsen (von Heinr. IV. unter zumindest fragwürdigen Gründen inhaftiert) ist sein Urgroßvater, so dass der „Dauerstress“, den diese Sachsenherzöge mit dem Salier hatten, sich nahtlos zwischen den Welfen und dem ersten Staufer-König fortsetzte. Diese spezielle Familienchronik lässt sich nicht wegdiskutieren.
Auch die „juristischen Winkelzüge“ ähneln sich: Bayernherzog Otto (nebst „Anhängern“ wie dem Sachsen Magnus) ist 1071 wohl Opfer einer Intrige geworden inkl. „Rechtsbeugung“ - die Nichtbefolgung einer „gerichtlichen Ladung“ (umgangssprachlich „abgekartetes Spiel“) führte zu einer formellen Rechtswidrigkeit.
Und etwas über 100 Jahre später ? Auch H.d.L. wurde letztlich wegen „schuldhafter Säumnis“ bzw. Nichtbeachtung der kaiserlichen Ladung bestraft. Und die „juristischen Winkelzüge“ ?
Hierfür zur Abwechslung eine ganz neue Arbeit (2012 gedruckt) v. Steffen Patzold, der die These aufstellt, der Löwe könnte auch das prominenteste Opfer norditalienischer Juristen (Bologna) sein, deren erst kurz vorher entwickelten Theorien im Prozess gg. den Löwen zum Vorteil der staufischen Rechtsauffassung zur Anwendung gelangten; Patzold, Das Lehnswesen, S. 85.
Insoweit der Bezug zum o.g. Zitat bei Pacaut von der wohlverstandenen Lehre, die Barbarossa gezogen hatte. Zumindest dürfte Barbarossa bewusst gewesen sein, dass er – gleich welcher innerdeutschen Opposition er gegenüber stehen würde – nur mit Beharrlichkeit erfolgreich seine Macht (und ggfs. die seiner Erben) erhalten bzw. ausbauen konnte.
Als seine „Italienpolitik“ bis 1178 zum Abschluss gekommen war (vom konkreten Ergebnis mal abgesehen), hat er seine ganze Aufmerksamkeit den Problemen nördlich der Alpen zuwenden können.
Die Intelligenz und Lernfähigkeit Friedrichs I. wird ja allgemein gerühmt; nur zwei der Eigenschaften, die ihn letztlich – im Gegensatz wahrscheinlich zu „Welfenstolz u. Welfentrotz“ - zu einem erfolgreichen und geachteten (nicht bloß gefürchteten) „Politiker“ haben werden lassen.
Langer Rede (bzw. Schreibe) kurzer Sinn:
Das Infragestellen, ob es den vom Themenstarter nachgefragten „Gegensatz“ tatsächlich gegeben hat, kann in Ansehung der gesamten Entwicklung (ich hatte ja bereits als glatte Zahl mal 150 Jahre angesetzt - Endpunkt dieser Zeitspanne war zumindest das Jahr 1235) wohl nicht ernsthaft als gesicherte Erkenntnis Bestand haben.
Man kann sicher einzelne Zeitabschnitte und personale Konstellationen relativieren, so wird ja auch der Zeitraum 1152 bis Ende der 1160er Jahre gar als „freundschaftlich-vetterliche“ Phase gekennzeichnet.
Wobei dies wohl eher dem Umstand zu verdanken ist, dass sich in diesem Zeitraum beider Interessensphären in andere Himmelsrichtungen bewegten (inwieweit dies auf offener Absprache nach dem Motto, ich im Norden – du im Süden, beruhte, sei dahingestellt).
Aber nachdem jeder der beiden traditionsbewussten Vettern ihre jeweiligen Vorteile aus ihrem Bündnis gezogen hatten und danach nicht mehr auf den anderen Rücksicht nehmen zu müssen glaubten, war es schnell aus mit dem Zweckbündnis und alte Rituale der Vergeltung bzw. Demütigung feierten fröhliche Urständ.
Zum Schluss kann ich mir folgende Anmerkung zu einem Aspekt der Politik Heinr. IV. dann doch nicht verkneifen: Wenn auch nicht unbedingt in Sachsen o. Bayern, hat er doch dort, wo möglich, versucht, die Stadtbevölkerung (soweit um 1070 bereits nennenswert vorhanden) auf seine Seite zu ziehen; insbesondere bei Streitigkeiten mit papsttreuen Bischöfen etc.
Eine derartige Episode ereignete sich u.a. in Worms, vgl. hierzu Hampe, Dt. Kaisergeschichte, a.a.O., S. 47.
Dort wird „das freundliche Verhältnis zwischen Königtum und Bürgertum, wie es nun ein charakteristischer Zug von Heinrichs Regierung wurde“, als erster zaghafter Versuch eines „Befreiungskampfes der jungen städtischen Bürgerschaft von der Herrschaft der Bischöfe“ skizziert.
Nun kann man dies schon als Beginn oder wenigstens Vorstufe späterer Klassenbegriffe bzw. der Herausbildung von „Gesellschaftsschichten“ deuten – nach dem Muster: „Königtum“ (bezogen auf das deutsche Gebiet) an der Spitze der Herrschaft, die Stadtbevölkerung als „freies“ Bürgertum und „der Adel“ (natürlich abgestuft nach Herkunft/Rang) als diffuse Basis der Aristokratie, die auch aus ökonomischen Gründen zu den beiden anderen Gruppen (um die erneute Verwendung des Klassenbegriffs zu vermeiden) im Gegensatz steht – auch wenn der Adel auf der anderen Seite zumindest einen Teil seiner Ländereien vom Herrscher als Lehen erhält bzw. die sog. Ministerialen „Amtsgeschäfte“ wahrnehmen (also direkt abhängig sind) und das „Königtum“ keine klassische Monarchie im Sinne einer Dynastie darstellt.
Da die damalige (Papst-)Kirche eher einem „Staat im Staat“ gleicht, erübrigt sich eigentlich jeder Versuch, diese in ein derartiges „System“ einordnen zu wollen – von den adligen Geistlichen abgesehen, deren Spitze letztlich in den Kreis der „Reichsfürsten“ aufstieg.
Vgl. die Zusammenhänge (auch) bei K. Hampe, Das Hochmittelalter, in der Ausgabe v. 1949, S. 215 ff.
Oder auch Otto Brunners (wer sich nicht an diesem Autor grundsätzlich stört) Beitrag „Inneres Gefüge des Abendlandes“ in Historia Mundi, Bd. 6, S. 319 -385.
Götz zum Gruß