1. Zum Thema Kriegsschuld:
Heute (!!), 9. September 2013 erscheint im Buchhandel
Christopher Clark, Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog.
Falls du ehrgeizig bist könntest du vielleicht deine Lehrerin mit neuen Sichtweisen überraschen.
Zum Thema Versailles, Diktat oder nicht: Für D war Versailles natürlich Mist. Ist halt immer blöd, Kriege zu verlieren. Das Thema langweilt aber so langsam.
Versuch doch mal eine Annäherung aus französischer Sicht, also der des "Diktators“.
Frankreich wird ja oft vorgeworfen, durch die zu harten Bedingungen des VV den zweiten Weltkrieg quasi mit verursacht zu haben. Gerne werden Bismarcks milde Forderungen gegenüber F 1871 als Gegenbeispiel herangeführt. M.E. vergessen wir Deutschen gerne, dass F damals schon eine parlamentarische Demokratie war. Kurz: die französischen Verhandlungsführer standen unter dem Druck ihrer Wählerschaft.
Zum einen muss man die französischen Forderungen kurzfristig aus den Resultaten den Ersten Weltkriegs beurteilen, zum anderen aber langfristig aus der kontinuierlichen Schwächung der französischen Position in Europa etwa seit 1800 heraus.
Für Frankreich war es wesentlich schwieriger als für Bismarck 1871, sich dem Besiegten gegenüber großzügig zu zeigen. Bismarck ging aus seinem Krieg, der kurz, billig und ohne große Verluste verlief als eindeutiger Sieger hervor. Er hatte sein Kriegsziel, das mit Frankreich ja nichts zu tun hatte, erreicht: die Errichtung des deutschen Kaiserreichs. Reparationsforderungen gegenüber Frankreich, ob finanziell oder territorial, empfand er eher als störend, verhandelt hat er darüber eher (und bremsend) mit den deutschen Fürsten und Militärs als mit den Franzosen.
Für Frankreich stellte sich die Situation 1918 völlig anders dar.
Der deutsche Angriff war zwar zurückgeschlagen, von einem Sieg konnte aber nicht gesprochen werden. Frankreich ging aus dem Konflikt genau so geschwächt heraus wie der Gegner. F beendete den Krieg mit einem Defizit von 144 Mrd Franc, zum Teil geschuldet den eigenen, zum großen Teil aber angelsächsischen Banken. Diese Schulden mussten bezahlt werden: entweder aus eigener Tasche oder eben aus der der Besiegten. Da Clemenceau sich anders als Bismarck um die Wählergunst kümmern musste, lag die Antwort nahe. Zusätzlicher Charme der Reparationen war natürlich, dass dadurch Deutschland am Boden gehalten wurde. Tatsächlich hatte die französische Politik aus innenpolitischen Gründen gar keine andere Wahl als auf der Bezahlung der eigenen Kriegsausgaben durch den „Aggressor“ (denn das war D in den Augen der französischen Wähler) zu bestehen.
Schlimmer als die finanziellen waren aber die Verluste an Menschenleben. Zwar hatte Frankreich mit rd. 1,3 Mio weniger Tote zu beklagen als Deutschalnd, bezogen auf die Bevölkerung waren sie aber ebenso stark. Und nun kommen wir zum alten französischen Trauma: dem Land ohne Volk: Kurz die Bevölkerungsentwicklung der Nachbarn in der Moderne:
1600: F 15,5Mio, D 16Mio
1700: F 16Mio, D 12 Mio
1800: F 24Mio, D 24 Mio
1900: F 38,9 Mio, D 56,0 Mio
1913: F 39,7Mio, D 66,9
1920: F 39,0Mio, D 52,8Mio
Frankreich fiel also etwa ab 1800 bevölkerungsmäßig gegenüber Deutschland sehr schnell zurück. Dies wurde, wie auch der 1870/71-Krieg zeigte, zu Recht als strategische Bedrohung wahrgenommen.
Nun kommen wir zu den Forderungen Frankreichs nach Gebietsabtretungen. Sein Ziel war es, ein Deutschland zu schaffen, dass endlich und langfristig schwächer sein sollte als Frankreich. Es ging nicht darum, Frankreich zu vergrößern, vielmehr darum Deutschland zu verkleinern. Das ist nicht dasselbe!! Strategisch denkend musste F unbedingt die augenblickliche deutsche Schwäche nutzen, um aus dem Ausgang des Ersten Weltkriegs tatsächlich so etwas ähnliches wie einen französischen Sieg zu machen.
Frankreichs Haltung bei der Formulierung des Versailler Vertrags war also kein Diktat, sondern Ergebnis eines innenpolitischen Prozesses. Sie verstieß schon gar nicht gegen den gesunden Menschenverstand. Vielmehr hätte jeder demokratische Politiker, egal aus welcher Zeit und aus welchem Land aus innenpolitischen wie strategischen Gründen ähnlich gehandelt. Jede andere Politik hätte gegen den Zeitgeist betrieben werden müssen und schlicht zur Abwahl geführt.
Quellen:
Schunck, Geschichte Frankreichs
Plötz, 33. Auflage
Kennedy, Aufstieg und Fall der großen Mächte