Die Sängerbrücke betrachtete die Bundesexekution quasi als revolutionär. Der Bundestag hatte den nationalen Leidenschaften nachgegeben und das war aus Sicht der Sängerbrücke sehr verdächtig.
Inwiefern hatte er nationalen Leidenschaften nachgegeben? Das hatten Österreich und Preußen als sie über die Grenzen des Bundes ausgriffen und Schleswig in ihren Forderungskatalog mit einbezogen, aber der Bundestag hatte mit dem Beschluss der Bundesexekution gegen Holstein und Lauenburg doch lediglich einen Schritt zur Wahrung besetehender Rechte des Bundes an diesen Territorien auf Basis der Bundesakte unternommen?
Des Weiteren konnte den Russen ein weiterer, auf Sicht, ernsthafter Mitspieler in der Ostsee nicht gefallen.
Sofern dies Preußen betraf, lag diese Macht doch längst an der Ostsee und dem Schutz der russischen Küsten selbst, wäre es doch eher entgegen gekommen, wenn Einheiten der bis dato ohnehin bescheidenen preußischen Flotte aus Stettin und Danzig abgezogen und weiter nach Westen verlegt worden wären?
Davon ab, dass Preußen das Potential zu einer ernsthaften Seemacht zu werden, zu diesem Zeitpunkt doch überhaupt nicht hatte.
Die Dauerrivalität mit Österreich und Frankreichs Drängen richtung Rhein setzte nach wie vor voraus die Militärausgaben bei der Landmacht zu konzentrieren und auch sonst fehlte es Peußen ja vollkommen an bedeutenden Häfen und Werftkapazitäten.
Das stellte doch für Russland selbst mit Kiel zunächst mal keine ernsthafte maritime Bedrohung dar.
Ich sehe eigentlich nur einen Grund, Preußen auf jeden Fall aus den Elbherzogtümern heraushalten zu wollen und das wäre der, das Besitzungen in diesem Raum wegen einer Landverbinddung die preußischen Wünsche vor allem Hannover zu schlucken vergrößern musste um damit sein Staatsgebiet im Norden zu verbinden.
Frankreich wollte die Problematik Ende 1863 auf dem Wege eine Konferenz aus der Welt schaffen, doch das hatte London abgelehnt. Auch brachte Paris ein Plebiszit ins Spiel, welches aber weder für Russland noch für Österreich, beides Vielvölkerreiche, deren verschiedenen Nationalitäten "auf dumme Gedanken kommen könnten" akzeptabel gewesen war. Hier hatte Napoleon III. keine Rücksicht auf Wien genommen.
Naja, hatte er damit keine Rücksicht genommen oder vor allem die Basis dafür geschaffen französische Zurückhaltung zu rechtfertigen?
Auf diese Weise ließ sich jedenfalls argumentieren, dass man von französischer Seite alles mögliche getan habe um das in friedlicher Weise zu lösen und dass man wegen Mexiko gerade nicht zur bewaffneten Intervention schreiten konnte, musste ja durchaus auch plausibel erscheinen.
Von dem her wäre für mich da die Frage, ob sich aus diesem Schritt tatsächlich irgendeine Form von Rücksichtslosigkeit gegen Wien ableiten lässt, oder ob es sich um einen reinen Alibi-Schritt handelte (im Wissen dass beidde Vorschläge sowiso abgelehnt würden, weil eine Konferenz das Londoner Protokoll infrage gestellt hätte und Österreich und Russland ein Plebiszit ohnehin ablehnen würden) um im Falle eines Krieges gerade nicht mit Wien brechen zu müssen?
Zur englischen Außenpolitik jener Jahre läßt sich sagen, das England durchaus bemüht war die Beziehungen zu Frankreich zu einer Entente auszubauen [...]
Neben den imperialen und europäischen Belangen, deren Behandlung eine relative Beständigkeit aufwies, waren die Stränge englischer Außenpolitik beispielsweise das Verhältnis zu den USA und Russland. Bei den USA ging es darum Kanada vor dieser Bedrohung zu schützen und hinsichtlich des Zarenreichs ging es eben um Indien.
Mir ist natürlich klar, dass London grundsätzlich eher ein Zusammengehen mit Paris, als mit St. Petersburg favorisierte.
Mir geht es nicht um Bündnisfragen, sondern um die vollständig isolierte Frage einer Intervention im konkreten Fall von 1864.
Wenn man nämlich in London vor allem auf Paris als die Macht auf dem Kontinent, mit deren Intervention am ehesten zu rechnen gewesen wäre, gesetzt hätte (nicht als die Macht mit der man am ehesten zusammengehen wollte, sondern, die am ehesten bereit wäre zu intervenieren), würde mich das das zwingen den Grad der Annäherungswünsche Napoléons an Wien, den ich regelmäßig unterstelle zu überdenken und da nochmal nachzuhaken, ob ich da vielleicht etwas zu viel hinein interpretiere.
So wie ich die Sache bisher angesehen habe, war unter den gegebenen Bedingungen eine französische Intervention extrem unwahrscheinlich, sofern man Frankreich keine Territorien am Rhein oder in der Wallonie in Aussicht gestellt hätte und die Frage einer ernstzunehmenden Intervention dieses Vorgehens gänzlich von der Haltung St. Petersburgs abhängig.
Deswegen überracht es mich sehr, wenn London seine Intervention vom Mitziehen Frankreichs mehr oder minder abhängig gemacht hätte, es sei denn, man hätte in London bereits zuvor vertraulich Informationen dahingehend gehabt, dass Russland sich keinesfalls daran beteiligen werde.
Daher die Frage.