Lange Dammwege in der Wuppertaler Senke
Die ersten römischen Garnisonen am Rhein nördlich der deutschen Mittelgebirge lagen in Neuss (
Novaesium) und Xanten (
Vetera). Dies lässt darauf schließen, dass diese beiden Orte eine besondere strategische Bedeutung hatten, also dass sie bedeutende Verkehrswege nach Osten ins Innere Germaniens überwachten, welche die Römer dann auch für den Vorstoß ins Innere Germaniens nutzen konnten. Im Fall von Xanten war dies die Lippe als Wasserverkehrsweg, im Fall von Neuss war dies die
Altstraße Neuss-Herdecke, zusammen mit der Verlängerung dieser Altstraße bis Wickede als Verbindung zum
Haarweg.
Die Ausgrabungen von Dorsten zeigen, dass von den Römern dann auch entlang der Lippe eine Straße angelegt wurde. Auch die Altstraße Neuss-Herdecke wurde gemäß den römischen Anforderungen ausgebaut, noch heute wird diese Straße auf einigen Abschnitten '
Römerweg' bzw. '
Römerstraße' genannt.
Die Altstraße Neuss-Herdecke gewährleistete in ihrer Funktion als Höhenstraße zwar festen Untergrund, hatte aber auch den Nachteil vieler zu überwindender Steigungen, was den Transport von schweren Lasten schwierig machte, s.
Höhenprofil der Strecke Gevelsberg nach Herdecke über die Höhenstraße. Vorteilhafter für den Lastentransport wäre daher eine Route durch die Wuppertaler Senke gewesen, s.
Höhenprofil der Strecke Gevelsberg nach Herdecke durch das Ennepe-Tal. Die Senke besteht aus stark gefalteten, durch hohe Niederschläge abgetragenen und verkarsteten Massenkalken, die auf einer mittleren Höhenlage von 200 m auf langer Strecke eben sind. Nach Norden und Süden steigen steile Hänge auf hochgelegene Höhenrücken und Hochflächen an. Inselartige Heraushebungen wie der
Linderhauser Rücken gliedern die Wuppertaler Senke. (Wikipedia:
Wuppertaler Senke)
Die Route hätte also durch die flachen Flusstäler von
Wupper,
Ennepe und
Ruhr geführt, unterbrochen im Wesentlichen nur von einer kurzen Strecke eines
Höhenweges von Heckinghausen über den Linderhauser Rücken nach Gevelsberg. Da Flusstäler in der Antike aber sumpfig waren, hätte diese Route den Bau langer Dammwege (lat.
pontes longi) erfordert, mit dem Nachteil der kostspieligen Wartung. Die antiken Quelle berichten aber, dass Lucius Domitius in seiner Zeit als Oberbefehlshaber in Germanien nach 3 v. Chr. lange Dammwege in Germanien errichten ließ (Wikipedia:
Lucius Domitius).
Interessanter Weise gab es auch eine Schlacht an den Pontes longi. Der römische Schriftsteller Tacitus berichtet, dass sich das römische Heer nach der Schlacht im Unwegsamen im Jahr 15 n. Chr. aus Germanien zurückzog. Germanicus, der sich zu dieser Zeit westlich der Weser befand, zog sich zunächst an die Ems zurück und führte dann 4 Legionen auf dem Fluss- bzw. Seeweg zurück an den Niederrhein. Diese erlitten durch eine Sturmflut schwere Verluste.
Zuvor befahl er dem Legat Caecina, mit vier Legionen, nämlich der 1., der 5., der 20. und der 21. (alles in allem 28.000 bis 30.000 Mann einschließlich Tross), einen als „pontes longi“ („lange Brücken“) bezeichneten Weg, der um das Jahr 1 n. Chr. von den Römern angelegt worden war, instand zu setzen: "
Caecina, der sein eigenes Heer führte, erhielt die Anweisung, obwohl sein Rückmarsch über bekannte Gegenden ging, er solle sobald als möglich über die langen Brücken zu kommen suchen." Da Holzbohlenwege für die Fortbewegung von römischen Legionen ungeignet waren, hat es sich bei den
pontes longi um Dammwege gehandelt.
Als Caecina und seine Truppen den Dammweg erreichten, der in einem desolaten Zustand war, waren sie von Arminius' Kriegern, die in viel größerer Zahl als erwartet angerückt waren, umzingelt, und zwar so, dass die Römer in der sumpfigen Niederung Straßenbau betrieben, während die Germanen auf der bewaldeten Höhe lagerten. So ließ Caecina ein Lager errichten, während der andere Teil der Truppen mit den Angriffen der Germanen beschäftigt war. Nach schweren und verlustreichen Kämpfen zogen sich die Römer am Abend ins Lager zurück. Die Germanen ließen dann durch das Umleiten von Bächen Wassermassen von den Höhen herabfließen, die den mühsam errichteten Dammweg auch noch zunichtemachten. Am nächsten Tag gaben die Römer den weiteren Bau am Dammweg auf und setzten ihren Marsch über eine Hochebene fort, die aber anscheinend zu schmal war, um die geplante „Vierecksformation“ zu ermöglichen, durch die der Tross in der Mitte durch die an den Flanken aufgestellten 5. und 21. Legion geschützt werden sollte, während die 20. die Nachhut und die 1. die Vorhut bildete. Die Legionen an den Flanken verließen aber ihre Stellung und gaben den Germanen Gelegenheit, den Tross anzugreifen. In den Kämpfen um den Tross zeichnete sich vor allem die 1. Legion aus, die sich mutig den Germanen entgegenwarf. Bald führte aber der Weg wieder in sumpfiges Gelände; die Römer konnten sich gegen Abend nur unter enorm großen Verlusten endlich ins Trockene freikämpfen, wo sie ein notdürftig befestigtes Lager errichteten und kaum noch Proviant hatten.
Wikipedia:
Die Schlacht an den Pontes longi
Ausgangpunkt für die Geschehnisse der Schlacht an den Pontes longi ist also eine Lokation westlich der Weser, von wo aus Caecina die 1., 5., 20. und 21. Legion an den Rhein führte. Dabei konnte er aber nicht den kürzesten Weg nehmen, der ihn nach Vetera/Xanten geführt hätte, sondern er musste einen Umweg machen, um die
pontes longi instand zu setzen. Bei den
pontes longi hat es sich daher also wahrscheinlich um die Dammwege durch die
Wuppertaler Senke gehandelt, um dann bei Novaesium/Neuss den Rhein zu überqueren.
Beim Marsch durch die Wuppertaler Senke konnten die Germanen die Römer am 1. Tag der Schlacht an den Pontes longi im Tal der Ennepe zwischen Hagen und Gevelsberg erst einmal von den bewaldeten Höhen aus angreifen.
Auf dem Höhenzug des Linderhauser Rücken konnten die Römer dann am 2. Tag der Schlacht in einer rudimentären Vierecksformation marschieren, um dann bei Heckinghausen ins Tal der Wupper und damit wieder in sumpfiges Gelände zu gelangen.
Bei Sonnborn konnten die Römer die Wuppertaler Senke dann verlassen und hatten sich zu diesem Zeitpunkt den Weg auf trockenes Gelände freigekämpft.
Beigefügte Abb.:
Relief der Wuppertaler Senke (Wikipedia)