Im Grunde genommen basiert eine Ablehnung der Quintessenz dieser Forschungen, nämlich, daß die DDR überproprational hohe Reparationen zu leisten hatte, deren Folgen bis 1990 zu spüren waren auf 2 Hauptargumenten, welche auch du hier anführst:
1. es wird unterstellt, daß grundsätzlich die bekannten Daten falsch sein müssen und
2. die Forscher haben eine politische Motivation, welche die Ergebnisse beeinflußt.
Dabei vergißt auch du, daß eine Vielzahl der Forscher aus den Altbundesländern stammt und teilweise eine äußerst liberale Grundhaltung zur Wirtschaft vertritt, was aber dann auch an ihren eigenen Forschungsergebnissen zu Reparationen nichts ändert.
Solche Verallgemeinerungen teile ich nicht bis auf die Skepsis bzgl. des Datenmaterials, vielmehr ging es mir um ein bestimmtes Ergebnis von Karlsch ("Allein bezahlt ...") sowie um die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen im Blick auf 1989. Sie führen auch nicht wirklich weiter, so wie die Phantasien von Peters, s.o.
Von dem Rundumschlag würde ich daher gerne auf die wesentlichen Aussagen zurückführen. Das gepostete Literraturverzeichnis in #22 ist interessant, und leitet auf das Thema über:
Duncker & Humblot - Karlsch, Rainer / Jochen Laufer (Hrsg.) unter Mitarbeit von Friederike Sattler - Sowjetische Demontagen in Deutschland 1944-1949.
Die Frage ist nicht,
ob Demontagen stattgefunden haben (das ist unstrittig) und wie sich diese betriebswirtschaftlich darstellten (das ist schon eher zweifelhaft, s.u.), sondern welche volkswirtschaftliche Bedeutung sie
zunächst für die DDR hatten und bis 1989 quasi
konservierten. Flugzeugwerke und der militärisch-industrielle Komplex des Dritten Reiches spielt dabei keine Rolle, denn die Kapitulation führt hier zur Demontage "zweiter Art".
Interessant ist aber, das dieser Gedanke der Vernichtung von Industriepotential durch das Kriegsende - und die massenhafte Umstrukturierung des Rüstungssektors sowie vorleistender Bereiche der industrie - bislang nicht hinreichend durchleuchtet ist. Ein Ansatzpunkt dazu sind beispielsweise die DM-EB in den Betrieben der Westzone mit ihren massiven Abwertungen, die nämlich nicht allein auf Bombenschäden beruhen. Ich spreche hier von den trotz Bombardierungen etc. erhalten gebliebenen Maschinen und maschinellen Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattungen, die durch die Kapitulation obsolet geworden sind. Die Auswirkungen sind bzgl. der Werkzeugsätze, Werkzeugmaschinen, aber auch bzgl. der Arbeitskräfte, weniger bzgl. der Immobilien zu sehen, die leichter anderer Verwendung zuzuführen waren. Diese "faktische wirtschaftlich-politische Demontage" der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft wäre im Übrigen gegen die materiellen Demontagen abzugrenzen und abzuwiegen. Wenn Du ein anschauliches Beispiel benötigst: nimm die Flugzeugindustrie im Bereich der DDR und die Flugzeug- und Panzerfertigung bei Hentschel.
Nehmen wir mal den Aspekt Reichsbahn heraus, der von den oben dargestellten Überlegungen relativ unabhöngig ist, nämlich betr. unstreitiger Demontagen von Schienen und Abzug von Lokomotiven und rollendem Material.
Die DDR schaffte es trotz dieser Verluste, den Güterverkehr auf der Schiene von 1950 bis 1955 beachtlich zu steigern (Gütermenge 128,5 Mio. to. -> 207,5 Mio. to. bzw. 25,2 Mio. to-km in 1955). Dabei betrug die Lok-produktion rd. 300-400 Stück im Jahresschnitt ab 1950 bis 1955, wodurch dieser Anstieg zwar ausreichend erklärt ist (gefahrene Züge pro Tag rd. 5100 in 1951 zu 6700), nicht aber der "Sockel" 1950
nach Demontagen. Tatsache ist dabei natürlich, dass es
gravierende Engpässe der Reichsbahn gab (so wie auch im Westen bzw. 1920 nach den Versailler Reparationen mit Lok-Ablieferungen). Ein Beispiel: man schaffte es nicht, die Kohleförderungen abzutransportieren. Diese Fördermengen hatte man aber 1955 gegenüber 1936
verdoppelt (200,6 zu 101 Mio. to. Rohbraunkohle, ergab 1955 rd. 55 Mio. to. verwertbarer Braunkohle als Verdoppelung - zum Vergleich: die BRD schaffte es bis 1955, die Steinkohlenförderung mit einer Steigerung von 20% zum Kriegsende 1945 wieder knapp auf das Niveau von 1938 zu bringen). Tatsächlich war die Transportlücke in der Praxis nicht so hoch wie die Zahlen auf den ersten Blick erscheinen lassen, da die SU einen Teil der Kohleproduktion der DDR als Reparation "abnahm" und auch abtransportierte. So erklärt sich zT auch die Transportlücke, die das Erzeugungsniveau von 1936 übersteigt.
Bei alledem ist mir nicht ersichtlich, was diese Vorgänge 1945 bis 1953 mit dem Scheitern in den 80ern zu tun haben. Genau diesen gedanklichen Sprung habe ich - mögen es Karlsch/Laufer/Sattler mit "Sowjetische Demontagen in Deutschland 1944-1949. Hintergründe, Ziele und Wirkungen" in ihren interessanten Detailanalysen verzeihen - kritisiert.
Ausstehend: die in #3 betrachteten Außenhandelswirkungen und in #6 behaupteten Auswirkungen des monetären Sektors. Insbesondere über letzere, iVm der DDR-Gründung und die Auswirkungen auf die Realgüterwelt, grübele ich schon eine Weile.