Die Entente hatte ihren "Kredit" schon vorher verspielt. Vollends in Zorn schlug die Stimmung im Land um, als die Briten bei Kriegsausbruch zwei vom Reich in Auftrag gegebene und soeben erst fertiggestellte Schlachtschiffe einbehielten und selber einsetzten - mitsamt dem vorher geleisteten Kaufpreis. Mit der Goeben und Breslau erhielt man dann von den Deutschen Ersatz.
Ja, Churchill und die türkischen Dreadnoughts. Die Geschichte ihres Einflusses hält sich hartnäckig, von den Nachkriegs-Memoiren bis in die ältere geschichtswissenschaftliche Literatur. Selbst der renommierte Militärhistoriker Roskill (Churchill and the Admirals) kolportiert das noch 1977.
Die Publikationen der letzten Jahre haben sich stärker den kurz-, mittel- und langfristigen Einflüssen, Beziehungen und Friktionen zugewandt. Das ist ganz interessant, wenn Du dich mal dieser Literatur öffnest, zB in Auswahl
McMeekin: The Berlin-Baghdad-Express - The Ottoman Empire and Germanys Bid for World Power
Heller: British Policy Towards the Ottoman Empire 1908-1914
Aksakal: The Ottoman Road to War in 1914
Kent: The Great Powers and the End of the Ottoman Empire
Deren: German Ideas and Expectations on Expansion in the Near East 1890-1915
Townshend: When God made Hell - The British Invasion of Mesopotamia and the Creation of Iraq 1914 - 1921
Kent: Oil & Empire - British Policy & Mesopotamian Oil 1900 - 1920
Pamuk: The Ottoman Empire and European Capitalism 1820 - 1913
Birdal: The Political Economy of Ottoman Public Debt
Duranoglu/Okutucu: Economic Reasons behind the Decline of the Ottoman Empire
McMeekin: The Russian Origins of the First World War
Kayali: Arabs and Young Turks - Ottomanism, Arabism and Islamism in the Ottoman Empire 1908-1918
Schöllgen: Imperialismus und Gleichgewicht
Fromkin: A Peace to end all Peace - The Fall of th Ottoman Empire and the Creation of the modern Middle East (einleitende Kapitel)
Tatsächlich tobte eine Kontroverse, ein Machtkampf innerhalb der jungtürkischen Führungszirkel zwischen anglophilen und germanophilen Vertretern. Dabei lockten die konkreten britischen Angebote auf Territorien, auch die russischen Sicherheitsangebote (Sasonow), gepaart mit den bekannten Belastungen, die Du bereits aus der Vorgeschichte beschrieben hast.
Zu den Schiffen:
Churchills Schiffen und der deutschen "Mittelmeer-Division" misst man dabei heute eigentlich keine tragende Rolle mehr zu - das wäre auch bei den sonstigen schwergewichtigen Aspekten, die gut aufbereitet wurden, unverständlich. Die August-Tage bis in den September waren - trotz Geheimabkommen, dessen Ausführung dilatiert wurde - vom ganz anderen Meldungen in den jungtürkischen Kreisen geprägt: die Deutschen preschten nach Paris, Frankreich stand bis Mitte September in der öffentlichen Wahrnehmung gegen die unbesiegbaren preußischen Truppen vor dem Fall, die Russen wurden währenddessen in Ostpreußen geschlagen. Rauschende Propaganda.
Zu den "Straits"
Die Schwäche der Osmanen war dabei für die "Interessenten" nachrangig, und hier liegt ein Widerspruch in der obigen Argumentation bzgl. der Entente: entscheidend war die "immense" strategische Bedeutung der Dardanellen für die Zufuhr nach Russland, insofern Hauptschauplatz im Juli/August 1914 und anschließend Zentrum einer britischen "diplomatischen Katastrophe", im Gegensatz (-< zum Balkan) vgl.
Hall: Bulgarias Road to the First World War
Leon: Greece and the Great Powers 1914-1917
Zum "Deutschen Djihad":
Keinesfalls war "nur Wilhelm II." bereit, an die Wirkungen zu glauben. Da stand er keineswegs allein. Von Moltke höchstpersönlich wurden am 14.8.14 die Weisungen unterzeichnet, alle Orientkenner zusammenzufassen, und Operationen vorzubereiten (McMeekin). Noch mehr aktiv wurde die Wilhelmstraße des Auswärtigen Amtes, die Industrielle, Orientexperten etc. einbestellte (von Mannesmann und Ballin bis zu Universitätsprofessoren), sie mit Dossiers beauftragte, Vorbereitungen zu treffen. Man dachte an Persien, Indien und Ägypten (Oberhaus: »Zum wilden Aufstande entflammen« - Die deutsche Ägyptenpolitik 1914 bis 1918)
Noch zwei links aus dem Forum:
http://www.geschichtsforum.de/f62/w...mittelm-chten-und-nicht-den-alliierten-37906/
http://www.geschichtsforum.de/f62/das-l-die-royal-navy-und-der-erste-weltkrieg-38518/