Für die Zeit vor der Reformation kann man eine gewisse Gemeinsamkeit im religiösen Leben zummindest im lateinischen Europa sicherlich als entsprechendes Element in den Raum stellen, aber genau das war doch, als es mit der Expansion richtig losging bereits verloren gegangen.Wieso Denkfehler? Die Idee eines christlichen Abendlandes, einer gewissen Gemeinsamkeit der Kultur und der Religion, das kann man ja nun nicht so einfach wegdiskutieren. Das lässt sich seit dem Mittelalter nachweisen- spätestens seit der Zeit der Kreuzzüge. Die Idee oder das Ideal des miles christianus, das waren Vorstellungen, die sich im ganzen christlichen Europa sehr ähnlich oder identisch waren, auch wenn die Realität sich meist stark vom Ideal unterschied.
Betrachtet man ganz Europa, haut auch das schon wieder nicht hin, weil das mit dem "miles christianus" in der Praxis ja häufig so aussah, dass die orthodoxen Glaubensbrüder da auch gerne mal als Feindbild betrachtet und in einem Abwasch gleich mit bekämpft wurden.
Sei es in Form des Kreuzfahrerheeres, dass mit Hilfe der Venezianer erfolgreich Konstantinopel angriff, seien es die Ritter des Deutschordensstaates, die Krieg gegen Pskow und Novgorod führten oder andere Beispiele.
Das ist ja ganz nett, aber wo ist die Abgrenzbarkeit? Das neuere Architekturformen von Personen aus anderen Regionen studiert und nachgeahmt wurden, wirst du in der arabischen Welt oder in Indien ebenso finden. Wo ist da das spezifisch europäische Element?Der Kathedralen-Bau in Europa war eine recht multinationale Angelegenheit, Baumeister aus Frankreich arbeiteten auf Bauen in Köln oder Straßburg, Deutsche und Niederländer gingen nach Frankreich um die Gotik zu studieren.
Ja, das gilt allerdings nur dann, wenn man den gesamten griechischen Osten ausklammert.An den ersten Universitäten wurden Studenten und Dozenten in Nationen eingeteilt, aber in Latein konnten sie alle miteinander kommunizieren, ob ein Studiosus oder Magister nun in Prag, Paris, Bologna oder Salerno studiert hatte.
Vielleicht könnte man sich mal darauf besinnen dass der Begriff "Europa" als geographische Konzeption seinem Ursprung nach aus dem antiken Griechenland kommt und in seiner ursprünglichen Bedeutung als geographische Konzeption Griechenland ins Zentrum der ganzen Angelegenheit stellte.
Da wirkt es auf mich dann doch immer ein wenig seltsam, dass um das Postulat einer europäischen Kultur zu rechtfertigen, der Fokus auf den lateinischen Westen verengt und Griechenland und das von der giechischen Kultur beeinflusste Gebiet, auf die der Begriff eigentlich mal abgezielt hatte auf einmal von diesem Begriff selbst ausgeschlossen werden.
Über das Osmanische Reich in Gänze oder mindestens seinen Anatolischen Teil und die sonstigen abhängigen asiatischen und afrikanischen Gebiete kann man sicherlich streiten. Aber der griechisch beeinflusste Balkan, auch unter Osmanischer Herrschaft, Griechenland und die von der griechischen Schriftkultur und der griechisch-orthodoxen Religion beeinflussten Territorien nördlich des Schwarzen Meeres, sind, wenn man sich an der urpsrünglichen Herkunft und Bedeutung des Begriffs "Europa" orientiert und nicht die Grenzen nach eigenem Gusto so zieht, wie sie einem gerade passen, unzweifelhaft Teil davon, wenn auch für den lateinischen Westen beansprucht wird, dass er Teil davon sei.
Wenn sie aber Teil davon sind, dann wird es mit den Gemeinsamkeiten schon wieder dünn.