Das meinst Du sicherlich ironisch? Oder war die Ausrottung von 95% der indianischen Bevölkerung (die meisten Nicht-Azteken) dieses wirklich wert? Lieber ein Ende mit Schrecken als eine Schrecken ohne Ende?
Ich meine dies durchaus ernst!
Der Begriff Ausrottung impliziert eine gezielte Handlung, wie etwa die "Vernichtung der jüdischen Rasse", wie sie von den Nazis versucht wurde. Wenn wir aber die Quellen zur Eroberung der Neuen Welt betrachten, können wir eine solche Intention bei den Spaniern nicht erkennen.
Richtig ist, dass die meisten Toten unter den Ureinwohnern auf die Auswirkungen von eingeschleppten Seuchen zurückzuführen sind. Die Spanier haben diese Krankheiten jedoch nicht gezielt eingeschleppt, mit dem Ziel die Indianer damit auszurotten. Vielmehr stellten Pocken, Masern und andere Krankheiten eine normales Übel für die Spanier dar, das sie meistens auch überlebten. Sie wussten auch nicht, dass die Indianer keine Abwehrkräfte gegen die europäischen Krankheiten hatten, woher auch: Erst im 19. Jahrhundert wurde die Übertragung durch Krankheitserreger entdeckt. Die hohe Sterblichkeit der Indianer wurde von den Spaniern höchstens als Strafe Gottes für das sündige Verhalten der Indianer (Menschenopfer) interpretiert.
Womit wir auch bei den beiden Hauptmotiven der Spanischen Eroberer sind:
Missionierung und Gewinnsucht. Das Motiv der Gewinnsucht ist leicht einsichtig. Man muss sich nur die Taten eines Cortez oder eines Pizzaro ansehen.
Der Wille zur Missionierung wird z.B. auch daran sichtbar, dass die katholische Kirche die Indianer unter ihren Schutz stellte und ihre Versklavung verbot. Für die Missionare waren die Indianer Menschen, deren Seelen aus Heidentum und vor der Verdammnis gerettet werden mussten. Betrachten wir weiterhin die Berichte über Tenochtitlan, in der die Azteken zum Teil sehr positiv bewertet werden (Märkte, Handwerker etc.) sowie die zeitgenössischen, juristischen Diskussionen über die Rechtmäßigkeit der Eroberung, die den Indianern dieselben Rechtstitel zuerkennen, wie den Europäern, so wird deutlich, dass die Indianer durchaus als Menschen gesehen wurden, die es zu bekehren galt.
Besonders deutlich wird die Symbose aus Missionierung und Goldgier im System der Encomiendas. Hierbei erhielten Spanische Adlige (Hidalgos) vom Vizekönig eine Anzahl von Indianern zugeteilt, die für sie arbeiten mussten. Im Gegenzug sollten die Hidalgos die Indianer in der christlichen Lehre unterweisen. Zudem durfte diesen Indianern keine Gewalt angetan werden.
Es darf jedoch nicht verschwiegen werden, dass das Encomiendas-System nicht richtig funktionierte. In ihrer Goldgier scheuten viele Hidalgos nicht davor zurück, die Indianer wie Sklaven auszubeuten (was viele Indianer das Leben kostete), während sie die christliche Unterweisung vernachlässigten. Dies ist aber eher ein Problem mangelnder Kontrolle als böser Absicht hinter dem Encomiendas-System. Es wurde folglich nach wenigen Jahre auch wieder aufgegeben.
Unbestreitbar ist die gezielte Vernichtung der Indianischen Kultur durch die Spanier. Nach unserem heutigen Rechtsverständnis wäre dies ein Verbrechen, nach dem damaligen Rechtsverständnis war es jedoch gutes christliches Verhalten. Versetzen wir uns doch in die Lage eines spanischen Missionars, der mit Cortez nach Mexiko kommt. Den Missionierungsauftrag aus der Apostelgeschichte im Hinterkopf sieht er seine Aufgabe darin, den christlichen Glauben zu verbreiten. In Mexiko wird er dann Zeuge der blutigen Menschenopfer und Dienstes an den heidnischen Götzen (Wer schon einmal aztekische Skulpturen gesehen hat, der weiß, dass diese oft wie furchteinflößende Dämonen aussehen). Für unseren Missionar bekommt da das Jesus-Wort: "Sehe, ich sende euch wie Lämmer unter die Wölfe" eine sehr direkte Bedeutung. Unser Missionar erkennt also, dass er die Religion der Azteken zerstören muss. Es ist seine heilige Pflicht. Und dank der Schlagkraft der Spanischen Soldaten, den Seuchen, die die Azteken dahinraffen, sowie der ohnehin schon instabilen aztekischen Gesellschaft gelingt dieses Vorhaben auch. Aus seiner Sicht hat er nur getan, was Gott von ihm verlangte.
Meine Ausführungen zeigen das Dilemma hinter der Bewertung historischer Ereignisse. Legen wir heutige Bewertungsmaßstäbe an, dann kann es passieren, das wir sogar die Menschenopfer der Azteken verteidigen. (Wie würden wir den heute reagieren, wenn in den Nachrichten von solchen Menschenopfern berichtet wird?)
Legen wir hingegen die historischen Bewertungsmaßstäbe an, so erscheinen die damaligen Tagen nachvollziehbar.