Man muss den Holocaust als Genese verstehen. Man hat seit 1933 die Juden ganz allmählich entrechtet. Eine der ersten offiziell staatlichen Maßnahmen gegen die Juden war ein Gesetz mit dem harmlosen Namen Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Damit wurden Juden (aber auch Leute, die in Gegnerschaft zu den Nazis standen) aus dem Staatsdienst entfernt. Gerade mal drei Monate nach der Machtergreifung. In den folgenden Jahren bis zur Reichspogromnacht wurden Juden Schritt für Schritt entrechtet. Ihnen wurde das Recht entzogen, Auto zu fahren, ins Kino zu gehen, ein Haustier zu besitzen, sich eine Parkbank zu setzen, den Park überhaupt zu betreten etc. So wurden die Juden peu a peu aus dem öffentlichen Leben verdrängt. 1938 nutzten die Nazis dann die Gunst der Stunde, als in Paris das Attentat von Hermann Grynszpan am Botschaftsattaché Ernst vom Rath verübt wurde, an den Juden Rache zu nehmen. Die Polizeien und Feuerwehren wurden angewiesen, nicht gegen Plünderer vorzugehen und das Feuer brennender Synagogen nur in soweit in Schach zu halten, dass es nicht "arischen Besitz" zerstörte. In den folgenden Tagen kamen zehntausende jüdischer Männer (eigentlich fast alle jüdischen Männer, die in Dtld. lebten) in die KZs Sachsenhausen, Buchenwald und Dachau, die auf diesen Ansturm bereits vorbereitet waren. So hatte es einige Wochen vor den Novemberpogromen den Befehl gegeben, Häftlingskleidung mit Judensternen vorzubereiten. Man nannte das dann "Schutzhaft". Hier kam es zu den ersten Morden an Juden allein weil sie Juden und nicht etwa einer sonstigen Gruppe angehörten im KZ. Die Juden sollten solange im KZ verbleiben, bis sie durch die offiziell "Judenvermögensabgabe", gerne auch als "Sühneleistung" tituliert, eine Milliarde Reichsmark an den Staat gezahlt hätten. Da solche Geldwerte überhaupt nicht zur Verfügung standen, war das natürlich eine Farce, die mit dem Vorurteil, Juden seien besonders reich, spielte. Im Sommer 1939, also nach mehr als einem halben Jahr KZ kamen die meisten Juden wieder frei.
Ein weiteres Moment der Verrohung hatte es aber bereits vor dem Mord Grynszpans an vom Rath gegeben, was gewissermaßen der Auslöser der Tat Grynszpans war: Man hatte in Polen geborenen Juden die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt bzw. Juden polnischer Staatsbürgerschaft und solche ohne Staatsbürgerschaft nach Polen ausgewiesen. Polen wiederum ließ diese nicht einreisen, Nazideutschland nahm seine ausgebürgerten Bürger nicht wieder zurück. Und so saßen diese Menschen ohne Nahrung auf einem Bahnhof fest, bis aus Warschau die Anweisung kam, sie doch einreisen zu lassen.
Während des Krieges wurde dann ganz massiv Propaganda gemacht. Man führte ja einen Weltanschauungskrieg und erzählte den Soldaten, Polizisten etc. immer wieder, dass der Widerstand, der gegen die deutschen geleistet würde, von den Juden käme. Also hat man irgendwann angefangen, jüdische Männer zu erschießen, so zwischen Beginn der Pubertät bis zum Tattergreis. Dann hat man irgendwann angefangen, die Frauen zu erschießen, denn auch Frauen können ja theoretisch eine Waffe benutzen. Und plötzlich fühlt sich eine Wehrmachtseinheit vom Geschrei unversorgter Kinder in der Nähe ihrer Kaserne gestört, das Ganze nimmt seinen behördlichen Gang und jetzt beginnt man, Juden beiderlei Geschlechts und aller Altersgruppen zu ermorden. Da man aber feststellt, dass es sowohl technische (Gewehrläufe laufen heiß) als auch psychologische Probleme (die liegen wohl auf der Hand) gibt - mittlerweile hat auch die planmäßige Deportation von Juden aus dem Reichsgebiet nach Osten begonnen und man weiß gar nicht, wohin mit den ganzen Menschen - versucht man die technischen und psychologischen Probleme in den Griff zu bekommen und fängt an mit verschiedenen Methoden zu experimentieren. Zunächst hat man versucht, die Menschen via Verbrennungsmotoren mit Kohlenstoffmonoxid/Abgasen auf den Ladeflächen präparierter LKW zu ersticken, später hat man dieses Prinzip dann im KZ Treblinka weiter umgesetzt. Weniger problematisch aus Sicht des Reiches war dann die Ermordung der Menschen via Zyklon B, was in Auschwitz gemacht wurde.
Die Idee, die Juden nach Madagaskar umzusiedeln war - mal abgesehen davon, dass Rassimus das schon per se ist - wahnwitzig. Noch 1939 hätten wohl die meisten, die in den Folgejahren in irgendeiner Form an der Ermordung der Juden und anderer verfolgter Gruppen beteiligt waren, wenn man ihnen das vorausgesagt hätte, zurückgewiesen, wahrscheinlich selbst viele der späteren Überzeugungstäter. Was aus meiner Sicht aber heute ganz besonders wichtig zu wissen ist, ist, dass viele der Täter gar keine unbedingten Überzeugungstäter und Antisemiten waren. Das entlastet sie nicht von ihrer Schuld, sondern legt im Gegenteil uns Nachgeborenen die Pflicht auf, ganz genau zu schauen, wohin sich unsere Gesellschaft entwickelt. Man wird schneller zum Täter, als man denkt.