Prof. Gravenhorsts zentrale Aussage zu dem Thema sehe ich allerdings etwas anders (ich behaupte jetzt auch mal: sie auch, wenn man ihre Forschungsarbeiten näher betrachtet). Geschlechterasymmetrie bedeutet in dem Zusammenhang nicht, dass Männer anteilig mehr Verbrechen begingen, sondern dass eine Asymmetrie zum einen in der Forschung besteht (die Verbechen der Männer stehen im Vordergrund) und dass Frauen aus diversen Gründen, die hier zum Teil auch schon genannt wurden, andere Verbrechen begingen...
Diese Aussage verwundert mich jetzt ein wenig. Denn neben der Asymmetrie bei der Forschung verweist Frau Gravenhorst ausdrücklich auch auf eine starke Asymmetrie bei den NS-Verbrechen selbst. Sie schreibt in o.g. Beitrag wörtlich:
„Zwischen dem Handeln von Männern und von Frauen bestand ein
großes Ungleichgewicht. Innerhalb der Geschlechtergemeinsamkeit
dominierten Männer die zerstörerische und tödliche Wirklichkeit des Nationalsozialismus und Frauen handelten in Resonanz dazu. Im Vergleich zu Frauen trugen
Männer, im Durchschnitt gesehen, manifest mehr zu den NS-Verbrechen bei. Wenn Männer Motive zu Ausgrenzung und Auslöschung hatten, konnten sie sie eher stabilisieren und radikalisieren. Und sie hatten eher Gelegenheiten und Mittel, solche Motive in die Tat umzusetzen.“
„- Die NS-Verbrechen waren Staatsverbrechen. Als solche waren sie
männerdomininiert. Bereits die staatlichen Bereiche, an die der NS-Staat anknüpfte, waren von Männern beherrscht. Der NS-Staat hat aber daneben eine neue Staatlichkeit ausgebildet, eine Terrorstaatlichkeit, die die alte Staatlichkeit unterwanderte. Die Institutionen der
Terrorstaatlichkeit waren in noch stärkerer Weise von Männern beherrscht.“
„- Die Führungsgruppen der Staatsverbrechen organisierten sich als Männerbund. Sie zogen in die Positionen zur Steuerung der Staatsverbrechen
praktisch keine Frauen nach,“
„- Individuelle Frauen waren mit ihren vorhandenen Gewaltfähigkeiten und -interessen gesellschaftlich isolierter als Männer. Frauen konnten sehr viel weniger an gesellschaftlich und staatlich Vorhandenes anschließen. Für sie bestanden in viel geringerem Maße Netzwerke aus Personen, Institutionen und Teilkulturen, die Gewalt und Zerstörung propagierten, ausübten bzw. abstützten, als das für Männer der Fall war. Die Gewaltabsichten und das Gewalthandeln von Frauen konnten sich deshalb viel weniger verstetigen, intensivieren und entgrenzen als im Falle der Gewaltabsichten und des Gewalthandelns von Männern.“
"- Es scheint so, daß in der NS-Zeit Männer viel stärker als Frauen von Gedanken an Überwältigen und Überwältigtwerden, Töten und Getötetwerden angezogen wurden. Das besondere Engagement der führenden NS-Männer für eine Welt der Inhumanität ist wahrscheinlich auch Ausdruck einer solchen Attraktion. Dieses kann u.a. Resultat von Erfahrungen im Ersten Weltkrieg sein, die damals
nur von Männern gemacht werden konnten: nämlich unter extremen Umständen selbst zu töten und selbst getötet zu werden.“
„- Während des NS-Regimes waren
viel mehr Männer als Frauen in Positionen, in deren Rahmen schlimmste Entgrenzungen des Handelns stattfinden konnten. Dieser Sachverhalt war u.a. auch eine Begleiterscheinung des Zweiten Weltkriegs. Der Krieg hat beiden Gruppen, Frauen und Männern in NS-Deutschland, Gelegenheit gegeben, ihr Handeln noch viel mehr zu entgrenzen als es vorher schon geschehen war.
Aber er hat eben viel mehr Männer als Frauen in Positionen gebracht, mit deren Hilfe schlimmste Entgrenzungen des Handelns stattfinden konnten.“
Das ist mMn eher eine Frage des persönlichen Maßstabs (und daher glaube ich eben nicht, dass Ursi und du ursächlich aneinander vorbeiredet, ihr messt nur beide mit unterschiedlichem Maßsstab). Für mich (und wohl auch für Ursi) ist jemand verantwortlich, der wissentlich bspw. Menschen getötet hat, sei es nun unmittelbar, wie diverse KZ-Ärztinnen, oder eben mittelbar durch Denunzitionen.
Keineswegs. Wir messen nicht mit unterschiedlichem Maßstab. Vielmehr geht es Ursi darum,
ob und in welcher Form Frauen an Verbrechen beteiligt waren, während ich bestreite, daß
die Mehrheit der Frauen an Verbrechen beteiligt war. Diese beiden Fragen sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Ich finde, bevor man diskutiert, sollte man sich zumindest über die Fragestellung einig sein. Das ist elementare Grundlage jeder sinnführenden Diskussion.
Das stimmt so nicht. Frauen tragen Konflikte
anders als Männer aus, sie sind dabei aber genauso offen oder nicht offen wie Männer. So wie es dasteht, liest es sich in der Tat wie "Macho-Geschwafel".
Nun, das kann durchaus sein. Ich bin da kein Fachmann – kann nur auf meine eigenen Beobachtungen zurückgreifen. Und diverse Kommunikationsforscher/innen scheinen da offensichtlich auch nur „Macho-Geschwafel“ zu verbreiten.
feif:
„Männer sind jederzeit zur offenen Konfrontation bereit.“ „Frauen vermeiden offene Konfrontation und reden lieber hinter dem Rücken der Person.“
(Tannen, Deborah: Du kannst mich einfach nicht verstehen, Hamburg 1991, S. 171)
„Ergebnis der Untersuchung: Es gibt tatsächlich markante Unterschiede in der Sprache beider Geschlechter. Sie zeigen sich etwa bei Anweisungen, die Frauen oft indirekt formulieren und Männer direkt.“
(
Kommunikation: Frauen- und Männersprache im Büro - der Unterschied! )
"Viele Frauen scheuen sich viel stärker als Männer, zu ihrer Meinung zu stehen und Konflikte auszutragen"
(vergleiche Nitzsche, Isabel: Praxishandbuch Konfliktlösung, Linde-Verlag
Konflikte im Job: Warum Frauen Streit aus dem Weg gehen | RP ONLINE )
„Bei Frauen ... stehen Nähe und symmetrisches Verhalten im Vordergrund. Sie benutzen daher indirekte Sprechmuster... Männer ... bevorzugen da eher den direkten Sprechstil. Sie sagen klar und deutlich, was sie wollen.“
(
Frauen reden anders )